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Im Herbst 2017 stellen sich die Überlegungen zur Novellierung der AVMD-Richtlinie durch Kommission, Parlament und Rat wie folgt dar:[86]
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Gemeinsame Überlegungen
Die Beibehaltung des Typus der Richtlinie zur EU-weiten Regulierung audiovisueller Dienstleistungen ist zwischen den EU-Organen ebenso wenig streitig wie die Wahrung einer Mindestharmonisierung, die einer strengeren Regulierung auf Ebene der Mitgliedsstaaten bzw. ihrer nach der Verfassungsordnung zuständigen Ebene nicht entgegensteht. Auch besteht, bei divergierenden Auffassungen im Detail, welche nachfolgend erläutert werden, Einigkeit darüber, den Anwendungsbereich der AVMD-Richtlinie zu erweitern. So soll die Richtlinie auch auf den trennbaren Teil einer Dienstleistung Anwendung finden.[87] Diese Ausrichtung bewegt sich im Einklang mit der Rechtsprechung des EuGH, der entschieden hat, dass sich der Hauptzweck eines audiovisuellen Mediendienstes nicht notwendigerweise auf den gesamten Dienst beziehen muss, sondern dass in Zeiten von Multimedia-Angeboten auch Teilangebote durchaus einen Hauptzweck erfüllen können.[88]
EU-Kommission
Die regulatorische Trennung in linear und non-linear wird nach den Vorstellungen der Kommission nicht gänzlich aufgehoben, aber im linearen Bereich – insbesondere bei den quantitativen Werbebestimmungen – weniger bedeutsam (s. u.). Gleichzeitig sollen die unterschiedlichen Bestimmungen im Bereich des Jugendschutzes aus dem linearen wie non-linearen Bereich angeglichen werden. Insbesondere mit Blick auf die Absicherung von Jugendschutzstandards und der Menschenwürde wird eine Einbeziehung von Video-Sharing-Plattformen in den Anwendungsbereich angestrebt, wobei die Erfüllung der neuen Anforderungen maßgeblich durch den Einsatz von Verhaltenskodizes/Ko-Regulierung gewährleistetwerden sollen. Die Haftungsbestimmungen der E-Commerce-Richtlinie sollen unberührt bleiben.[89]
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Quantitative Werbevorgaben: Die EU-Kommission strebt eine stärkere Liberalisierung bzw. Flexibilisierung der quantitativen Werbevorgaben an. Einzelspots (Single-Spots) sollen – ohne Einschränkung – möglich sein. Eine Unterbrechung von Fernseh- und Kinospielfilmen sowie Nachrichtensendungen durch Werbung soll künftig alle 20 anstatt wie bisher alle 30 Minuten möglich sein. Anstatt der ursprünglichen 20 % per Stunde soll der Werbeanteil nun innerhalb des Zeitraums von 7:00–23:00 Uhr 20 % nicht übersteigen. Dies würde zu einer Flexibilisierung der zeitlichen Werbebeschränkungen führen. Zudem sollen die Möglichkeiten der Eigenwerbung ausgeweitet werden.
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Qualitative Werbevorgaben: Der Entwurf enthält zwar keine gesetzlichen Verschärfungen im produktspezifischen Werbebereich. Durch Ko- und Selbstregulierungsmaßnahmen, insbesondere im Bereich der HFSS-Lebensmittel und der alkoholischen Getränke, soll allerdings das Maß, in dem Minderjährige entsprechenden Werbespots ausgesetzt sind, reduziert werden.[90]
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Sponsoring soll künftig einen stärkeren werblichen Charakter haben dürfen. Das derzeitige Verbot mit Erlaubnisvorbehalt von Produktplatzierungen soll in eine generelle Erlaubnis umgewandelt werden. Ausgenommen hiervon sollen jedoch Nachrichten-, Verbraucher- und religiöse Programme und Programme mit einem signifikanten Kinderzuschaueranteil sein. Darüber hinaus soll u.a. die Vorgabe, dass ein Produkt nicht zu stark beworben werden soll, entfallen.[91]
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Der Entwurf sieht ferner eine Verschärfung der Vorgaben zur Förderung europäischer Werke im non-linearen Bereich vor. Hier soll eine 20 %-Quote bei gleichzeitiger prominenter Darstellung dieser Werke sichergestellt werden. Darüber hinaus sollen die Mitgliedstaaten Vorgaben für finanzielle (Produktions-)Beiträge, inkl. nationale Fördersysteme, erlassen können. Explizit erwähnt wird, dass auch Anbieter mit einer Niederlassung im Ausland einbezogen werden können, solange diese den inländischen Markt bedienen.[92]
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Der Entwurf der Kommission sieht zudem eine Streichung des Art. 7 hinsichtlich der Bestimmungen zur Barrierefreiheit vor, da der horizontale RL-Vorschlag der EU-Kommission von Ende 2015 bereits strengere Vorgaben enthalte.[93]
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Unabhängigkeit der Regulierungsbehörden: Die ERGA (European Regulators Group for Audiovisual Media Services) wird durch die Revision formal eingesetzt und als Beratungsgremium der EU-KOM deutlich gestärkt. Die Richtlinie soll mit Blick auf die Unabhängigkeit der Regulierungsbehörden zudem künftig Kriterien wie Transparenz, ausreichend finanzielle und personelle Mittel etc. enthalten.[94]
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CULT (EP) – Berichtsentwurf Kammerevert/Verheyen[95]
Der Entwurf sieht hinsichtlich der qualitativen Werbebestimmungen eine Änderung des Flexibilisierungsmodells im Verhältnis zum KOM-Vorschlag vor. Neben der Werbezeitbeschränkung auf 20 % im Zeitraum von 7.00–23.00 Uhr (=KOM-Vorschlag) wird im Final Report des EP eine weitere Beschränkung innerhalb eines dem jeweiligen Mitgliedstaat anheimgestellten vierstündigen Zeitfensters zur „Primetime“ vorgesehen. Mit Blick auf das