138
Diese Kompetenzverteilung zwischen dem Verwaltungsrat und den geschäftsführenden Direktoren weicht von Art. 43 Abs. 1 SE-VO ab. Dort ist vorgesehen, dass das Verwaltungsorgan die Geschäfte der SE führt und ein Mitgliedstaat vorsehen kann, dass ein oder mehrere Geschäftsführer die laufenden Geschäfte in eigener Verantwortung entsprechend den aktienrechtlichen Bestimmungen der nationalen Gesetze führen können. Teilweise wird aufgrund dieser Abweichung die SE-VO-Vereinbarkeit des SEAG bezweifelt, weil die Unternehmensleitung von der Geschäftsführung als dem weiteren Begriff mitumfasst sei und daher das Abstellen auf die Unternehmensleitung in § 22 Abs. 1 SEAG für die Kompetenzabgrenzung nicht geeignet sei.[14]
139
Die Formulierung in § 22 Abs. 1 SEAG ist dem französischen Code de Commerce (Art. L. 225–235) entlehnt. Es soll durch die Bezugnahme auf die Unternehmensleitung deutlich gemacht werden, dass die Aufgaben des Verwaltungsrats weiter reichen als die Überwachungsaufgaben des Aufsichtsrats im dualistischen Modell. Wesentliches Merkmal des monistischen Modells soll ungeachtet der Bestellung der geschäftsführenden Direktoren gem. § 40 SEAG die Selbstverantwortung für die Unternehmenspolitik durch den Verwaltungsrat sein. Die originäre Eigenverantwortung, die der Vorstand im dualistischen System gem. § 76 Abs. 1 AktG hat, sollen die geschäftsführenden Direktoren nicht haben. Sie sollen gem. § 40 Abs. 2 S. 1 SEAG die Aufgaben der laufenden Geschäftsführung wahrnehmen. In diesem Zusammenhang ist auch die durch das MoMiG neu eingeführte Regelung des § 22 Abs. 5 S. 2 SEAG einzuordnen. Diese stellt klar, dass den Verwaltungsrat die strafbewehrte Insolvenzantragspflicht für Vertretungsorgane juristischer Personen nach § 15a Abs. 1 InsO trifft und gerade nicht die geschäftsführenden Direktoren, obwohl nur diese die Gesellschaft nach außen hin vertreten.[15] Jedes einzelne Verwaltungsratsmitglied ist zur Stellung des Insolvenzantrags berechtigt und verpflichtet. Allerdings haben die geschäftsführenden Direktoren dem Vorsitzenden des Verwaltungsrats nach § 40 Abs. 3 SEAG über einen bei Aufstellung des der Jahres- oder Zwischenbilanz auffallenden hälftigen Verlusts des Grundkapitals sowie über die Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung der Gesellschaft unverzüglich zu unterrichten.[16] Durch die ausdrückliche Zuweisung der Unternehmensleitung an den Verwaltungsrat in § 22 Abs. 1 SEAG will der Gesetzgeber klar machen, dass bei der Ausgestaltung der SE das monistische System eine wirkliche Alternative bei der Strukturierung der Unternehmensleitung bietet.[17] Dieses Verständnis der Übertragung der laufenden Geschäftsführung an die geschäftsführenden Direktoren und die Wahrnehmung der grundlegenden Geschäftsführungsaufgaben durch den Verwaltungsrat entsprechen den Vorgaben des Art. 43 Abs. 1 SE-VO.[18]
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Wesentlicher Unterschied des monistischen Systems zum dualistischen System ist der, dass der Verwaltungsrat Maßnahmen der Geschäftsführung von sich aus und auch gegen den Willen der geschäftsführenden Direktoren beschließen und auch selbst durchführen kann. Eine Einschränkung zur Übernahme von Geschäftsführungstätigkeiten wie sie beim Aufsichtsrat besteht (§ 111 Abs. 4 S. 1 AktG), gibt es für den Verwaltungsrat nicht.[19]
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Die Stellung der geschäftsführenden Direktoren ist mit der Stellung eines Vorstands nicht vergleichbar.[20] Ungeachtet der unbeschränkbaren Vertretungsbefugnis der geschäftsführenden Direktoren im Außenverhältnis (§ 41 Abs. 1, § 44 Abs. 1 SEAG) unterliegen die geschäftsführenden Direktoren gem. § 44 Abs. 2 SEAG der uneingeschränkten Weisung des Verwaltungsrats. Außerdem sind sie jederzeit durch den Verwaltungsrat gem. § 40 Abs. 5 S. 1 SEAG abrufbar. Ihre Rechtsstellung ist damit derjenigen eines GmbH-Geschäftsführers vergleichbar.[21] Die Formulierung in § 44 Abs. 2 SEAG lehnt sich daher auch an die Formulierung von § 37 Abs. 1 GmbHG an. Hierdurch wird der SE auch als Rechtsform für kleinere und mittlere Unternehmen interessant, die im nationalen Recht typischerweise die Rechtsform einer GmbH wählen würden.[22]
2. Verwaltungsorgan
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Das zentrale Führungsorgan ist im monistischen System – wie dargestellt –[23] der Verwaltungsrat.
2.1 Zahl und Zusammensetzung
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Die Zahl der Mitglieder des Verwaltungsorgans kann in der Satzung festgelegt werden. Die Mitgliedstaaten können jedoch Mindest- und Höchstzahlen festlegen (Art. 43 Abs. 2 SE-VO). In einer mitbestimmten SE muss das Verwaltungsorgan mindestens drei Mitglieder haben (Art. 43 Abs. 2 S. 3 SE-VO). Auf der Grundlage der SE-VO ist es somit möglich, dass das Verwaltungsorgan bei einer nicht mitbestimmten SE nur ein Mitglied hat.[24]
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Von dem Gestaltungsspielraum, den ihm die SE-VO einräumt, hat der deutsche Gesetzgeber Gebrauch gemacht und in § 23 Abs. 1 SEAG die Grundregel aufgestellt, dass der Verwaltungsrat aus drei Mitgliedern zu bestehen hat (Mindestzahl). In der Satzung kann allerdings auch eine geringere Zahl vorgeschrieben werden. Lediglich bei einer SE, die ein Grundkapitel von mehr als 3 Mio. EUR hat, muss der Verwaltungsrat aus drei Personen bestehen. Der Gesetzgeber hält eine Zahl von drei Mitgliedern schon bei mittlerer Größe der SE für die Wahrnehmung der Führungsaufgaben für angemessen. Von der Übernahme der Regelung des § 76 Abs. 2 S. 2 AktG, der ab 3 Mio. EUR Grundkapital nur mindestens zwei Vorstandsmitglieder fordert, wurde abgesehen, weil neben dem Vorstand im dualistischen System auch der noch aus mindestens drei Mitgliedern bestehende Aufsichtsrat besteht.[25]
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Die Höchstzahlen der Mitglieder des Verwaltungsrats ist entsprechend den Höchstzahlen beim Aufsichtsrat im dualistischen System gem. § 95 AktG abhängig vom Grundkapital auf maximal 21 Personen festgelegt.[26]
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Gerade das gesetzgeberische Ziel, auch kleineren oder mittleren Unternehmen über das monistische System flexible, an die GmbH angenäherte Strukturen zur Verfügung zu stellen, die die SE für sie interessant machen,[27] hätte es nahe gelegt, die Festlegung der Satzung zu überlassen.[28] Die Begründung, dass ein Verwaltungsrat mit drei Mitgliedern regelmäßig angemessen ist und auch der Regelungsaufwand in der Satzung reduziert wird, wenn eine gesetzliche Vorgabe besteht, überzeugt nicht.
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Die in § 27 Abs. 1 SEAG enthaltenen Bestimmungen zu den persönlichen Voraussetzungen der Verwaltungsratsmitglieder entsprechen den persönlichen Voraussetzungen für die Aufsichtsratsmitglieder, die § 100 Abs. 2 AktG aufstellt.[29] Begründet wird dies damit, dass die Verwaltungsratsmitglieder gegenüber den geschäftsführenden Direktoren eine vergleichbare Aufsichtsfunktion haben wie im dualistischen System der Aufsichtsrat gegenüber dem Vorstand.[30] Anders als noch der Diskussionsentwurf[31] wird entsprechend § 76 Abs. 3 S. 1 und § 100 Abs. 1 S. 1 AktG klargestellt, dass eine juristische Person nicht Mitglied des Verwaltungsrats sein kann (§ 27 Abs. 3 SEAG). Die Vorschriften über die Zusammensetzung eines mitbestimmten