Rechtsgeschichte. Stephan Meder. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Stephan Meder
Издательство: Bookwire
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Год издания: 0
isbn: 9783846348857
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Vermögensrecht

      Es gab einmal eine Zeit, in der Geld aus Vieh, Reis, Salz, Tabak oder ähnlichen nützlichen Dingen bestanden hat. Das lateinische Wort für Geld (pecunia) bezeugt, dass auch in Rom das Vieh (pecus) einmal Verrechnungseinheit gewesen ist. Der sich entwickelnde Handelsverkehr erzwingt indes schon bald eine Befreiung der Geldform aus ihrer Abhängigkeit vom Gebrauchsgut. Insbesondere der Handel über See sucht nach einem festen, beweglichen, dauerhaften, nicht verderblichen, zum Transport geeigneten Äquivalent und findet es im Metall. Am Anfang steht das ungemünzte, lediglich nach Gewicht bemessene Barrengeld. Im Wort für das englische Pfund klingt noch heute an, dass Geld ursprünglich eine Gewichtseinheit gewesen ist. Den entscheidenden Schritt in die Zukunft bedeutet der Übergang von den Metallbarren zu den kleinen Münzen aus Erz oder Kupfer (aes). Gegenüber dem alten Barrengeld hat die Münze den Vorteil, dass sie sich stückeln und relativ leicht transportieren oder thesaurieren lässt.

      Die ältesten römischen Geldgeschäfte sind die Libralakte, die auch als Geschäfte „durch Erz und Waage“ (per aes et libram) bezeichnet werden. Sie weisen zurück in eine Zeit, in der das römische Geld noch nicht aus Münzen, sondern aus Kupferbarren bestand, deren Wert sich nach der Höhe des Gewichts gerichtet hat. Die Libralakte werden in Form eines Rituals vollzogen, bei dem der Geldgeber dem Nehmer vor mindestens fünf Zeugen und dem Waagehalter (libripens) eine bestimmte Geldsumme zuwiegt. Formale Voraussetzungen sind ferner Gebärden und das Aussprechen bestimmter Worte oder Sätze, deren Inhalt – je nach Art und Alter des jeweiligen Geschäftstyps – divergiert.

      Die Libralakte geben Aufschluss über die Eigenarten eines Rechts, das auf struktureller Mündlichkeit beruht. Zu seinen Merkmalen gehören die Verwendung von Spruchformeln oder Gebärden und die Hinzuziehung von Zeugen. Der Gebrauch von Spruchformeln soll den Rechtsakt aus dem formlosen, unverbindlichen Fluss bloßen Gesprächs herausheben. Das Erfordernis von Zeugen dient der Absicherung mündlich getroffener Vereinbarungen. Die Zwölf Tafeln erwähnen mit mancipatio und nexum die beiden das altrömische Vermögensrecht beherrschenden Libralgeschäfte. Sie sagen aber nichts über ihre Handhabung in der Praxis. Wir sind hier auf die Überlieferung späterer Autoren angewiesen. Die wichtigste Quelle, welche Rückschlüsse auf die ursprüngliche Gestalt dieser Geschäfte zulässt, sind die im 2. Jahrhundert n. Chr. von dem römischen Juristen Gaius verfassten Institutionen (S. 84, 88).

      Ihre vielseitige Verwendbarkeit und der Umstand, dass die mancipatio im Verlauf der geschichtlichen Entwicklung eine besondere Anpassungsfähigkeit bewiesen hat, lassen diesem Institut eine exemplarische Stellung im Bereich der altrömischen Geldgeschäfte zukommen. Bei Gaius (I, 119) findet sich die folgende Beschreibung der mancipatio:

      Es ist aber die Manzipation eine den römischen Bürgern eigentümliche Rechtsform, wie schon gesagt, eine Art symbolischen Verkaufs und geht so [<<32] vor sich: Unter Zuziehung von wenigstens fünf mündigen römischen Bürgern als Zeugen und außerdem eines anderen von gleicher Rechtsfähigkeit, der die eherne Waage hält, des sogenannten Waagehalters, spricht der, welcher zu mancipium empfängt, indem er das Erz mit der Hand erfaßt, so: Ich behaupte, daß dieser Sklave nach quiritischem Recht mein ist, und er ist mir gekauft durch dieses Kupfer und die kupferne Waage. Dann stößt er mit dem Kupfer an die Waage und gibt dieses Kupfer demjenigen, von dem er zu mancipium empfängt, gleichsam anstatt des Kaufpreises (est autem mancipatio, ut supra quoque diximus, imaginaria quaedam venditio: quod et ipsum ius proprium civium Romanorum est; eaque res ita agitur: adhibitis non minus quam quinque testibus civibus Romanis puberibus et praeterea alio eiusdem condicionis, qui libram aeneam teneat, qui appellatur libripens, is, qui mancipio accipit, aes tenens ita dicit: Hunc ego hominem ex iure Quiritium meum esse aio isque mihi emptus esto hoc aere aeneaque libra; deinde aere percutit libram idque aes dat ei, a quo mancipio accipit, quasi pretii loco).

      Wie uns die angeführte Stelle sagt, handelt es sich bei der mancipatio nicht um einen eigentlichen Kauf, sondern um eine Art des symbolischen Verkaufs (imaginaria quaedam venditio). Gaius hat diesen Verkauf (venditio) deshalb als symbolisch (imaginaria) bezeichnet, weil zu seiner Zeit das alte Barrengeld längst nicht mehr in Umlauf und durch gemünztes Geld vollständig ersetzt worden war. Die Zahlung des Preises erfolgte nicht mehr durch die tatsächliche Zuwägung des Kupfers, sondern durch Anschlagen der Waage mit einem Geldstück (mancipatio nummo uno). Doch hat uns Gaius auch darüber informiert, welchen Zweck die Waage ursprünglich zu erfüllen hatte. Danach beruhte die mancipatio anfänglich auf einer wirklichen Wägung des als allgemeines Tauschmittel anerkannten Kupfers. Die Zuwägung bildet die frühzeitliche Form einer Bezahlung des Kaufpreises (vgl. Gaius I, 120 – 122).

      Das Anschlagen der Waage ist also der geschichtliche Überrest eines ursprünglich umfassenderen Vorgangs. Die vorstehende Textstelle erwähnt aber noch eine weitere Gebärde, und zwar den rituellen Ergreifungsakt, der dem Geschäft seinen Namen verliehen hat: Der Zahlende ergreift unter öffentlicher Autorität die zu erwerbende Sache oder Person und spricht die Formel: „Ich behaupte, dass dieser Sklave [als Beispiel] nach quiritischem Recht mein ist“ (hunc ego hominem ex [<<33] iure Quiritium meum esse aio). Sodann wird das Kupfer dem Gegner mit der Waage zugewogen, was im zweiten Teil der Spruchformel seinen Ausdruck findet: „Und er ist mir gekauft durch dieses Kupfer und die kupferne Waage“ (isque mihi emptus esto hoc aere aeneaque libra, Gaius I, 119). Den Quellen lässt sich entnehmen, dass das Wort mancipium auf die Handanlegung des Erwerbers (manu capere) zurückzuführen ist. Von einem gewöhnlichen Kaufgeschäft unterscheidet sich die mancipatio durch die besondere Einseitigkeit des Erwerbsrituals. Die Rolle des Veräußerers beschränkt sich auf die schweigende Duldung des Aktes und die Annahme des dargewogenen Geldes. In dieser Form gewinnt die mancipatio mit der Zeit die Bedeutung eines Barkaufs. Sie verschafft dem Erwerber die mancipium-Gewalt, die allerdings nur an Sklaven und bestimmten Sachgütern (res mancipi) ausgeübt werden darf (Gaius I, 120).

      Wie dem Anschlagen der Waage mit einem Geldstück in früherer Zeit eine wirkliche Zahlung in rohem Kupfer zu Grunde lag, so dürfte auch der zweite Gestus: der Ergreifungsakt, anfänglich auf einer realen Handlung beruht haben. Ursprünglich wird der Erwerber den Gegenstand nicht nur der Form halber, sondern zur Ausübung der tatsächlichen Sachherrschaft mit der Hand ergriffen haben. Mit ihrem eigentümlichen Ritual hätte die mancipatio damit Elemente aufbewahrt, deren Formalisierung in eine Zeit zurückweist, in der zur Durchführung von Austauschgeschäften noch kein allgemein anerkanntes Äquivalent vorhanden war, in der ein Erwerb aus eigener Kraft stattfand und in der die Gewalttat den eigentlichen Geltungsgrund für einen Besitzwechsel bildete.

      Über den Ergreifungsakt gibt aber noch ein weiterer Umstand Aufschluss, der mit dem altrömischen Eigentumsprozess zusammenhängt (legis actio sacramento in rem), aus dem sich später die rei vindicatio entwickelt hat. Noch heute sprechen wir von Vindikation oder Vindikationsanspruch, wenn ein Kläger sein Eigentum herausverlangt (§ 985 BGB). Begriffe wie vindicare (herausverlangen) oder vindex (Retter, Befreier) sind ein Kompositum aus vis (Gewalt) und dicere (sprechen, behaupten). Nach dem Bericht des Gaius (IV, 16) müssen Kläger und Beklagter jeweils sagen, die Sache gehöre ihm (meum esse). Der Kläger vindiziert, indem er die an die Gerichtsstätte (in iure) gebrachte, streitbefangene Sache [<<34] ergreift, mit dem Stab berührt (vindicta) und feierlich die Formel ausspricht: