Abzugrenzen davon ist ein begrenzter Personenkreis, der zur Vertraulichkeit verpflichtet ist. Dies kann explizit durch eine Vereinbarung („VertraulichkeitsvereinbarungVertraulichkeitsvereinbarung“) erfolgen oder implizit aus einer geschäftlichen Beziehung folgen, wie bei Kunde/Lieferant, Arbeitnehmer/Arbeitgeber oder dergleichen. Falls jedoch die Vertraulichkeitspflicht verletzt wird und die Information an gutgläubige Empfänger gelangt (die selbst der Öffentlichkeit zuzurechnen sind), wird die Erfindung der Öffentlichkeit zugänglich und gehört damit zum SdT. Ab diesem Zeitpunkt läuft die oben genannte 6-monats FristFrist (gem. § 3 Abs. 5 PatG bzw. Art. 55 EPÜ) innerhalb der noch eine wirksame PatentPatent-anmeldunganmeldungAnmeldungPatent- eingereicht werden kann. Sofern Schutz sowohl aufgrund eines deutschen Patents als auch aufgrund eines europäischen Patents nach EPÜ gewünscht ist, sind innerhalb dieser Frist beide Anmeldungen einzureichen, da der jeweilige Anmeldetag maßgeblich ist – und nicht ein eventuell früherer Prioritätstag.
Internationale Ausstellungen im Sinne von § 3 Abs. 5 Nr. 2 (Art. 55 Abs. 1 b) EPÜ), die einen 6-monatigen AusstellungsschutzAusstellung-sschutz bewirken können, werden auch im Bundesgesetzblatt bekannt gemacht und üblicherweise auch im Bl. f. PMZ veröffentlicht. Dabei werden lediglich Weltausstellungen und gleichrangige Fachausstellungen berücksichtigt. Der Ausstellungsschutz wird nur wirksam, wenn der Anmelder bei Einreichung der Anmeldung angibt, dass die Erfindung tatsächlich zur Schau gestellt worden ist und er innerhalb von 4 Monaten nach der Einreichung hierüber eine Bescheinigung einreicht.
Für die Zugehörigkeit zum SdT genügt es, dass der Öffentlichkeit die Kenntnisnahme möglich ist; eine tatsächlich erfolgte Kenntnisnahme ist nicht notwendig. Somit kann ein Dokument, das an einem bestimmten Tag in einer Bibliothek ausgelegt wird, ab diesem Tag zum SdT gehören, unabhängig davon, ob es eingesehen oder ausgeliehen wurde. Eine andere Bewertung kann sich ergeben, wenn von einer Erfindung erst nach einer Zerlegung einer Vorrichtung Kenntnis genommen werden kann und die Zerlegung nicht bestimmungsgemäß vorgesehen ist. Das war z.B. der Fall bei einem Steuerungsverfahren, das auf einem Mikrochip gespeichert war, der Teil einer offenkundig vorbenutzten (und damit der Öffentlichkeit zugänglichen) Maschine war. Das wurde damit begründet, dass die Ermittlung des Programminhalts des Mikrochips zwar technisch möglich gewesen sei, jedoch unter den gegebenen Umständen, insbesondere aus KostenKosten-/Nutzenerwägungen, nicht erfolgt sein könne.3
2. Ältere AnmeldungenAnmeldungältere
Nach § 3 Abs. 2 PatG (Art. 54 Abs. 3 EPÜ) können auch Patentanmeldungen zum SdT gehören, die erst an oder nach dem Zeitrang der zu prüfenden Patentanmeldung veröffentlicht worden sind. Dafür müssen diese Patentanmeldungen jedoch einen älteren ZeitrangZeitrang als die zu prüfende Patentanmeldung aufweisen und Schutz für das Inland bewirken. Letzteres ist möglich durch:
nationale beim DPMADPMA eingereichte Anmeldungen,
europäische Patentanmeldungen nach dem EPÜ, wenn die Bundesrepublik Deutschland benannt und für sie die Benennungsgebühr gezahlt ist und
internationale Patentanmeldungen nach dem PCTPCT, für die das DPMA Bestimmungsamt ist, wenn sie in deutscher SpracheSprache vorliegen und die Anmeldegebühr fristgerecht entrichtet ist (Art. III § 8 Abs. 3, § 4 Abs. 2 IntPatÜG).
Derartige Patentanmeldungen werden in der Praxis „ältere Patentanmeldungen“1 genannt. Maßgeblich ist deren Inhalt, d.h. deren gesamter OffenbarungOffenbarung-sgehaltsgehalt (s.u. § 12 I.) und zwar bezogen auf deren Anmelde- oder Prioritätsdatum, selbst wenn die später der Öffentlichkeit zugänglich gemachte Fassung von ihr abweicht. Eine ältere Patentanmeldung gehört für eine jüngere Patentanmeldung nur dann zum SdT, wenn die ältere veröffentlicht wird und zu diesem Zeitpunkt noch anhängig ist.
Folgende Anmeldungen werden weder nach PatGPatG noch nach EPÜ als ältere (nicht vorveröffentlichte) Anmeldungen dem SdT zugerechnet:
nationale Patent- oder Gebrauchsmusteranmeldungen im Ausland,
deutsche Gebrauchsmusteranmeldungen.
II. DurchschnittsfachmannFachmannDurchschnitts-Durchschnittsfachmann
Bei einem Vergleich der zu schützenden Erfindung mit dem entgegenstehenden SdT kommt es maßgeblich darauf an, wie ein sog. Durchschnittsfachmann einerseits die zu schützende Erfindung und andererseits die Gesamtoffenbarung der entgegenstehenden Informationen (aus Dokumenten oder aufgrund anderer möglicherweise entgegenstehender Sachverhalte – wie Vorträge, Benutzungen usw.) versteht. Dazu ist zunächst zu klären, wer der maßgebliche (Durchschnitts-)Fachmann1 ist.
Der Fachmann ist eine Fiktion. Es handelt sich um den sog. Durchschnittsfachmann des betroffenen bzw. einschlägigen Fachgebiets, der zum Stichtag über das übliche Fachwissen und über durchschnittliche Fähigkeiten verfügt. Maßstab ist also keinesfalls ein „Genie“ oder gar der Prüfer oder Richter bei den PatentPatent-behördebehörden, der nicht selbst praktisch tätig ist und deshalb aus der Sicht des SdT und des Fachwissens Schwierigkeiten geringer oder auch größer einzuschätzen geneigt sein könnte. Was vom Fachmann zu erwarten ist, richtet sich in erster Linie nach seinem Fachgebiet. Dieses wird gemäß der Aufgabe bestimmt, die durch die Erfindung gelöst wird, nicht nach der Person dessen, der die Erfindung gemacht hat oder erfindungsgemäße Erzeugnisse benutzt. So ist beispielsweise der Fachmann für ein Dauerwellenmittel nicht der Frisör, sondern ein akademisch ausgebildeter Chemiker. Es gibt oft auch Fälle, in denen als „Fachmann“ eine Gruppe von Fachleuten anzusehen ist. Das ist insbesondere dann der Fall, wenn ein durchschnittlicher Fachmann eines primär einschlägigen Gebietes die Hilfe eines für ein anderes Gebiet zuständigen Fachmanns als notwendig erkennt und in Anspruch nimmt, wie bei einem Gerät zur Erzeugung und medizinischen Verwendung von Ultraschall-Stoßwellen, bei dem Kenntnisse der Physik mit denen der Medizintechnik zu kombinieren sind.2 Für die Qualifikation, die beim Fachmann vorausgesetzt werden kann, ist maßgeblich, welche Fachleute sich mit Aufgaben der durch die Erfindung gelösten Art zu beschäftigen pflegen. Das können handwerklich geschulte Techniker, aber auch Ingenieure bzw. Naturwissenschaftler mit Fachhochschul- oder Universitätsabschluss sein.
III. NeuheitNeuheittechnische
Eine Erfindung gilt nach § 3 Abs. 1 PatG (Art. 54 EPÜ) als neu, wenn sie nicht zum SdT gehört. Für eine solche Beurteilung wird inhaltlich geprüft, ob die durch den Inhalt der Patentansprüche bestimmte Erfindung durch Informationen einer einzelnen Quelle (Dokument oder sonstiger Sachverhalt) aus dem SdT vorweggenommen ist. Verglichen wird also der technische Inhalt des zu schützenden Anspruchs mit dem gesamten Offenbarungsgehalt z.B. eines einzelnen Dokuments. Dafür ist der Informationsgehalt maßgebend, den dieses Dokument für den zuständigen Fachmann (s. oben) hat. Damit umfasst der Informationsgehalt auch, was der Fachmann als selbstverständlich oder nahezu unerlässlich ergänzt oder bei aufmerksamer Lektüre ohne weiteres erkennt und „in Gedanken gleich mitliest“, ggf. unter Zuhilfenahme eines Lexikons oder eines anderen Nachschlagewerkes. So ist es für den Fachmann selbstverständlich, dass zu einer kompletten Steckverbindung außer dem in einem Dokument erwähnten Steckverbinder ein entsprechend ausgebildeter Gegensteckverbinder gehört.1
Eine Erfindung kann neu sein, auch wenn sie an sich bekannte Bestandteile (Elemente) enthält oder gar ausschließlich aus solchen besteht, wie beispielsweise eine neue elektronische Schaltung mit an sich bekannten elektronischen Komponenten.
Ein neues Verfahren kann auch in der neuen VerwendungVerwendungneue (Anwendung) eines an sich bekannten Erzeugnisses liegen; z.B. in der Lehre, einen als Düngemittel bekannten Stoff als Waschmittel zu verwenden. Die patentierbare Erfindung