Die Initiativen der EU im Bereich des geistigen Eigentums beschränken sich jedoch nicht allein auf eine Harmonisierung des innerhalb der Europäischen Union geltenden Immaterialgüterrechts durch Richtlinien. Vielmehr hat die Union in den zurückliegenden Jahren darüber hinaus – gestützt auf das Instrument der EU-Verordnung – einheitliche gewerbliche Schutzrechte geschaffen, die als sog. Gemeinschaftsschutzrechte1 überall in der Union unmittelbar gelten. Die Harmonisierung des Rechts des geistigen Eigentums innerhalb der Union hat sich also „zweigleisig“ vollzogen.2 Während Gemeinschaftsschutzrechte im Bereich des Marken-, Design- und Sortenschutzrechtes bereits seit vielen Jahren etabliert sind, steht der Start eines supranationalen einheitlichen EU-Patentrechts noch bevor. Erst im Dezember 2012 haben sich 25 Mitgliedsstaaten3 nach vier Jahrzehnten intensiver Diskussion und vielen erfolglosen Anläufen auf die Einführung eines einheitlichen EU-Patents (Einheitspatent) und eines einheitlichen Patentgerichts verständigen können. Das sog. Patentreformpaket zur Einführung des Einheitspatents besteht aus der Patentverordnung, der Sprachenverordnung und dem Gerichtsabkommen.4 Die beiden Verordnungen (Einheitspatent-VO, Sprachen-VO) sind bereits am 20.01.2013 in Kraft getreten, sie finden aber erst ab dem Tag Anwendung, an dem das Gerichtsabkommen – das Übereinkommen über das einheitliche Patentgericht (EPGÜ) – in Kraft tritt. Hierfür ist die Ratifikation durch 13 Staaten erforderlich, darunter zwingend diejenigen, in denen es im Jahr vor der Unterzeichnung des Übereinkommens die meisten gültigen europäischen Patente gab (vgl. Art. 89 Abs. 1 EPGÜ), d.h. Deutschland, Frankreich und Vereinigtes Königreich (UK). Das Inkrafttreten des EPGÜ hat sich 2017 buchstäblich in letzter Minute dadurch verzögert, dass die einzig noch fehlende Ratifikation durch Deutschland durch eine Verfassungsbeschwerde vorläufig gestoppt wurde.5 Trotz dieser Verzögerung gehen die teilnehmenden Mitgliedsstaaten davon aus, dass das Einheitspatent im Laufe des Jahres 2018 starten kann6 (zum Einheitspatent s. auch u. 2. Abschnitt, § 23). Neben der Möglichkeit, nationale Schutzrechte in den einzelnen Mitgliedsstaaten zu erlangen, besteht damit für die wichtigsten Bereiche des gewerblichen Rechtsschutzes die Option, ein supranationales unionsweit gültiges Schutzrecht zu erlangen.7 Auch insoweit bleibt eine eingehendere Betrachtung dem Kontext der Darstellung der jeweils betroffenen Rechtsgebiete vorbehalten, während an dieser Stelle ein erster Überblick genügen soll:
Verordnung (EG) Nr. 2100/94 über den gemeinschaftlichen Sortenschutz vom 27.7.1994Sortenschutzgemeinschaftlicher Sortenschutz;
Verordnung (EG) Nr. 6/2002 über das Gemeinschaftsgeschmacksmuster vom 12.12.2001Gemeinschaftsgeschmacksmuster;
Verordnung (EU) Nr. 1257/2012 über die Umsetzung der Verstärkten Zusammenarbeit im Bereich der Schaffung eines einheitlichen Patentschutzes vom 17.12.2012 (sog. Einheitspatent-VerordnungEU-Patentverordnung);
Verordnung (EU) Nr. 1260/2012 über die Umsetzung der verstärkten Zusammenarbeit im Bereich der Schaffung eines einheitlichen Patentschutzes im Hinblick auf die anzuwendenden Übersetzungsregelungen vom 17.12.2012 (sog. SprachenverordnungSprachenverordnung);
Verordnung (EU) Nr. 2017/1001 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 14. Juni 2017 über die Unionsmarke (Unionsmarkenverordnung).8
Mit dem Vertrag von Lissabon wurde eine spezielle rechtliche Grundlage für Maßnahmen zur Schaffung europäischer Rechtstitel über einen einheitlichen Schutz der Rechte des geistigen Eigentums in der Union eingeführt (Art. 118 Abs. 1 AEUV).
Internationaler Gewerblicher RechtsschutzGewerblicher Rechtsschutzinternationale Grundlagen und Urheberrecht – wichtige internationale und europäischeeuropäischRechtsgrundlagen Rechtsgrundlagen – | |
Übergreifende Abkommen/Richtlinie | |
Pariser Verbandsübereinkunft v. 20.3.1883 (PVÜ). | Ältester völkerrechtlicher Vertrag auf dem Gebiet des gewerblichen Rechtsschutzes. |
Übereinkommen zur Errichtung der Weltorganisation für geistiges Eigentum (WIPO) v. 14.7.1967. | Schutz des geistigen Eigentums durch nahezu weltweite Zusammenarbeit der Staaten. |
Übereinkommen über handelsbezogene Aspekte der Rechte des geistigen Eigentums v. 15.4.1994 (TRIPS). | Übereinkommen als Anhang zur Errichtung der Welthandelsorganisation (WTO). |
Richtlinie 2004/48/EG zur Durchsetzung der Rechte des geistigen Eigentums vom 29.4.2004 (DurchsetzungsRLDurchsetzung-s-Richtlinie). | Zielt auf die Schaffung gleicher Bedingungen bei der Anwendung der Rechte an geistigem Eigentum und eine Harmonisierung der Rechtsvorschriften zum Schutz im Sinne einer gesicherten Durchsetzung von Rechten des geistigen Eigentums. In Deutschland umgesetzt durch das Gesetz zur Verbesserung der Durchsetzung von Rechten des geistigen Eigentums v. 7.7.2008. |
PatentPatent-recht recht | |
Vertrag über internationale Zusammenarbeit auf dem Gebiet des Patentrechts v. 19.6.1970 (PCT). | Nebenabkommen zur PVÜ über die internationale AnmeldungAnmeldung bei einem PCT-Amt. |
Übereinkommen über die Erteilung europäischer Patente v. 5.10.1973 (EPÜ). | Völkerrechtlicher Vertrag zur Gründung der Europäischen Patentorganisation mit dem Europäischen Patentamt (EPA) in München. |
Patentreformpaket zum europäischen Patent mit einheitlicher Wirkung (EinheitspatentEU-Patent), bestehend aus den beiden EU-Verordnungen Nr. 1257/2012, Nr. 1260/2012 v. 17.12.2012 und dem Übereinkommen über ein Einheitliches Patentgericht (EPGÜ) v. 20.6.2013 (2013/C175/01). | Zielt auf die Schaffung eines supranational geltenden, einheitlichen Patents (sog. EinheitspatentEinheitspatent, früher EU-Patent genannt) und die Errichtung eines Einheitlichen PatentgerichtsEinheitliches PatentgerichtEU-Patentgericht. Für Erteilung und Prüfung des Einheitspatents ist das EPA auf der Grundlage der Bestimmungen des EPÜ zuständig. Das Einheitspatent besteht neben der Möglichkeit zur Erlangung eines nationalen Patents und eines „traditionellen“ Europäischen Patents („Bündelpatent“). |
Halbleiterschutz ( TopographieTopographie n) | |
Richtlinie 87/54/EWG des Rates über den Rechtsschutz der Topographien von Halbleitererzeugnissen v. 16.12.1986. | Schutz von dreidimensionalen Strukturen von mikroelektronischen Halbleitererzeugnissen (Topographien). Umgesetzt durch das Halbleiterschutzgesetz v. 22.10.1987 (HLSchG). |
MarkeMarke nrecht | |
Madrider Abkommen über die internationale Registrierung von Marken v. 14.4.1891 (MMA); ergänzt durch das Protokoll zum MMA v. 27.6.1989 (PMMA). | Ermöglicht eine internationale Registrierung in den benannten Vertragsstaaten des MMA oder PMMA beim Internationalen Büro der WIPO. |
Richtlinie 2008/95/EG v. 22.10.2008 des Rates zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedsstaaten über die Marken (MarkenRL – kodifizierte Fassung); geändert durch Richtlinie (EU) 2015/2436 v. 16.12.2015 (Neufassung). |
Zugrundeliegende Ursprungs-Marken-RL 89/104/EWG v. 21.12.1988 umgesetzt durch
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