5. Umweltschutz
Die Faktoren der verkehrsbedingten Umwelteinflüsse sind vielfältig. Als primäre Maßnahme gegen die fortschreitende Umweltverschmutzung durch Kraftfahrzeuge gilt in erster Linie der Umstieg auf die Elektromobilität.111 Aber auch ein Elektrofahrzeug fährt nicht völlig klimaneutral, sondern ist nur so grün wie der Strom, der zum Betrieb, zur Produktion und zur Entsorgung des Fahrzeugs benötigt wird.112 Elektromobilität ist deshalb zumindest in absehbarer Zeit nicht gleichbedeutend mit Klimaneutralität; sogar unter der Prämisse, dass wir in Zukunft vollständig auf Verbrennungsmotoren verzichten. Aus diesem Grund können und müssen auch andere Faktoren einen positiven Einfluss auf die Klimabilanz des Straßenverkehrs nehmen. Das automatisierte und insbesondere das autonome Fahren kann daran insofern teilhaben, als sich die Anzahl der auf der Straße befindlichen Fahrzeuge voraussichtlich reduzieren lässt.113 Zusätzlich wird die effiziente Fahrweise den heutigen fahrerbedingten Schwankungen des Kraftstoffverbrauches114 ein Ende bereiten. Auf der anderen Seite jedoch könnten der neue Komfortgewinn und der geringe Zeitverlust durch den Transport dazu führen, dass das Auto – mehr als ohnehin schon – vermehrt auch auf Kurzstrecken zum Einsatz kommt.115 Hinzukommt die Nutzung derjenigen Personen, die heute alters- oder krankheitsbedingt auf ein Fahrzeug verzichten müssen. Im Zuge des demografischen Wandels wird sich dieser Personenkreis in Zukunft weiter vergrößern.
Der Einfluss des autonomen Fahrens ist im Ergebnis folglich schwer zu prognostizieren. Entscheidend wird die erfolgreiche Umsetzung der Energiewende sein, von der es letztlich abhängt, ob elektrische Fahrzeuge klimaneutral fahren können oder nicht. Werden weiterhin fossile Energien genutzt, so eröffnet sich zwar Energiesparpotential durch die Effizienz der Fahrzeuge und der gesamten Verkehrsinfrastruktur, die neue Bequemlichkeit des Fahrens und der erweiterte Nutzerkreis können die Bilanz aber stark trüben.
II. Risiken
1. Verlust an Fahrfertigkeiten
Der Feierabendverkehr zur Rush-Hour, Stop-and-Go auf der Autobahn, Fahrten bei dichtem Nebel oder Eisesglätte: Schön, wenn wir in Zukunft schwierige und stressige Verkehrssituationen nicht mehr selbst bewältigen müssen. Das kann über Monate oder sogar Jahre einwandfrei funktionieren. Bis wir aber wirklich autonom fahren, kann sie jederzeit kommen, die Aufforderung des Systems zur Übernahme der Steuerung. Und plötzlich werden uns in einer brenzligen Situation Fähigkeiten abverlangt, die wir irgendwo tief unter der großen Vielfalt des Infotainmentsystems vergraben haben. Die Gefahr besteht in dem Verlust der heute für viele selbstverständlichen Kompetenz des sicheren Autofahrens.116 Wenn wir auf der einen Seite von einer Verbesserung der allgemeinen Verkehrssicherheit sprechen, wenn wir automatisiert oder autonom fahren, so heißt dies auf der anderen Seite auch, dass die Gefährdung des Straßenverkehrs zunehmen kann, wenn wir plötzlich wieder selbst fahren müssen. Den Zusammenhang zwischen automatisierten Systemen und dem Verlernen von essentiellen Fahrfertigkeiten zeigt eine 2018 veröffentlichte OECD-Studie: Danach laufen sogar erfahrene und normalerweise eher defensive Fahrer erhöhte Gefahr, bei einer Übernahmesituation falsch zu reagieren.117 Die Situation weist eine gewisse Vergleichbarkeit zum Autopiloten in Flugzeugen auf.118 Piloten aber trainieren explizit den Gebrauch des Autopiloten und die Übernahmesituation.119 Eine solche Vorgehensweise ließe sich auf das automatisierte Fahren übertragen.120
2. Verlust an Kontrolle
Das zunehmende Abhängigkeitsverhältnis des Menschen zur Technik und die im Falle eines Totalausfalls befürchteten Endzeitszenarien sind ein wesentlicher Kritikpunkt nicht nur der Automatisierung des Straßenverkehrs, sondern der Digitalisierung im Allgemeinen. Ob Wasserversorgung, Stromnetz oder Internet, alles scheint am seidenen Faden einer funktionierenden Dateninfrastruktur zu hängen.121 Je mehr sich unser Alltag durch den fortwährenden Einsatz technologischer Errungenschaften vereinfachen lässt, desto komplizierter wird dabei das hinter dieser Einfachheit stehende Geflecht aus technischen Zusammenhängen, das wir zwar meistens positiv als „Vernetzung“ bezeichnen, dessen Funktionsfähigkeit aber nur die Wenigsten wirklich verstehen und erklären können. So kommt es, dass wir die Kontrolle über lebensnotwendige Bestandteile unseres Alltags in Gänze in die Hände einer hochkomplexen Technik legen, deren Zusammenbruch mitunter einer nationalen Katastrophe gleichkommen würde.122
Das autonome Fahren kann diesbezüglich auch Anlass zur Sorge sein. Die Gefahr liegt insbesondere in der Anfälligkeit für Angriffe von außen, die nicht nur einzelne Fahrzeuge, sondern den kompletten Verkehr zum Stillstand bringen könnten.123 Ehe es aber tatsächlich zu einem solchen Szenario kommt, muss erst einmal die nötige Infrastruktur geschaffen werden, sodass eine tiefergreifende Diskussion zum jetzigen Zeitpunkt eher spekulativ wäre.124
3. Volkswirtschaftliches Risiko: Wandel des Arbeitsmarktes
Die weltweiten und nationalen wirtschaftlichen Folgen zunehmender Automatisierung hängen im Wesentlichen von Erfolg oder Misserfolg der Technologie ab und können hier nicht umfassend dargestellt werden.125 Angesprochen sei hier nur der Wandel des Arbeitsmarktes als der in der Öffentlichkeit am heftigsten diskutierte Effekt einer erfolgreichen Implementierung des autonomen Fahrens. Allen voran steht die Befürchtung, tausende Arbeitsplätze von Bus-, Taxi- und LKW-Fahrern könnten wegfallen.126 Der Arbeitsplatzwegfall auf der einen Seite bedeutet aber auch die Schaffung ganz neuer Berufsbilder auf der anderen Seite, die allerdings eine völlig andere Qualifizierung voraussetzen,127 sodass eine einfache Umschulung, wie teilweise gefordert,128 hier nur schwer möglich erscheint. Benötigt werden in Zukunft vor allem „hybride“ IT-Spezialisten, die sowohl Informatiker als auch Fahrzeugtechniker sind.129 Die gravierendsten Einschnitte werden sich vielleicht erst in vielen Jahren ergeben. Dennoch ist es notwendig, die Lösung dieses Problems heute anzugehen, um die betroffenen Berufsgruppen nicht eines Tages vor vollendete Tatsachen zu stellen.
87 Vgl. etwa kürzlich Hebermehl, Zwei Personen im gerammten Honda Civic sterben, https://www.auto-motor-und-sport.de/elektroauto/tesla-autopilot-unfall-honda-civic/. 88 Dazu im Folgenden sowie Fraedrich/Lenz, in: Maurer/Gerdes/Lenz/Winner, Autonomes Fahren, S. 645ff. 89 Seher, Die Angst vor neuer Technik ist so alt wie die Menschheit, https://www.nrz.de/wochenende/die-angst-vor-neuer-technik-ist-so-alt-wie-die-menschheit-id209190935.html. 90 2019 wurden allein in Deutschland 3046 Personen durch Unfälle im Straßenverkehr getötet und mehr als 384.000 Personen verletzt, Statistisches Bundesamt, https://www.destatis.de/DE/Themen/Gesellschaft-Umwelt/Verkehrsunfaelle/_inhalt.html#sprg230562. 91 Ethik-Kommission, Automatisiertes und vernetztes Fahren, S. 10. 92 BMVI, Strategie automatisiertes und vernetztes Fahren, S. 9. 93 Dazu Winkle, in: Maurer/Gerdes/Lenz/Winner, Autonomes Fahren, S. 366f.; Schulz, NZV 2017, 548 (548); Hilgendorf, in: 53. Deutscher Verkehrsgerichtstag, S. 57; Jourdan/Matschi, NZV 2015, 26 (26); von dieser Prämisse geht auch die Europäische Kommission in ihrem Expertenbericht aus, Liability for Artificial Intelligence, S. 40. 94 Cookson/Pishue, Inrix Verbraucherstudie zu autonomen und vernetzten Fahrzeugen, S. 16. 95 Cookson/Pishue, Inrix Verbraucherstudie zu autonomen und vernetzten Fahrzeugen, S. 17. 96