21. Meistbegünstigung
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Ist eine ausschließliche Lizenz erteilt, so ergibt sich daraus, dass der Lizenzgeber gehalten ist, soweit die ausschließliche Lizenz reicht, selbst keine Benutzungshandlungen vorzunehmen, es sei denn, dass er sich dies vorbehalten hat und somit eine sog. alleinige Lizenz vorliegen würde.153 Er darf in diesen Fällen keine weiteren Lizenzen vergeben.154
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Bei einer einfachen Lizenz ist der Lizenzgeber berechtigt, den Lizenzgegenstand zu benutzen. Er darf auch weitere Lizenzen vergeben. Es würde aber gegen Treu und Glauben verstoßen, wenn der Lizenzgeber willkürlich Freilizenzen vergeben würde.
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Durch Vertrag kann bestimmt werden, dass der Lizenzgeber keine weiteren Lizenzen vergeben darf oder nur eine bestimmte Anzahl unter bestimmten Bedingungen oder nur eine bestimmte Anzahl oder schließlich eine unbestimmte Anzahl nur unter bestimmten Bedingungen. In der Praxis spielen vor allem Vereinbarungen über die Bedingungen eine Rolle, unter denen der Lizenzgeber weitere Lizenzen vergeben kann. Sie sollen den Lizenznehmer davor schützen, dass Dritte einen Wettbewerbsvorsprung erlangen. So finden sich Formulierungen, wonach weitere Lizenzen zu keinen günstigeren Bedingungen vergeben werden dürfen oder, wenn einem Dritten günstigere Bedingungen eingeräumt werden, diese auch dem Lizenznehmer einzuräumen sind (Meistbegünstigung). Wenn sich diese Klauseln auch einfach anhören, so können sie doch in der Praxis zu Schwierigkeiten führen, weil Lizenzverträge verschieden ausgestaltet sein können und ein Vergleich dann kaum möglich ist.155 Eine Klausel, wonach der Lizenzgeber verpflichtet ist, Mitteilung zu machen, wenn er weitere Lizenzen im Vertragsgebiet vergibt, ist in jedem Fall empfehlenswert.
153 Vgl. Groß, Rn. 36, 38 und Rn. 107. 154 Vgl. Rn. 110. 155 Vgl. hierzu die Beispiele bei Rasch, S. 49ff. und die Stellungnahme von Weidlich, hierzu, GRUR 1933, 796 sowie Reimer, PatG, Rn. 81 zu § 9; siehe auch Henn, S. 189, 230ff. m.w.N. und Benkard, PatG, Rn. 153 zu § 15. Vgl. zur Meistbegünstigungsklausel auch Groß, Rn. 381, 643, 714, 1034ff. und Reilley/Morin, Les Nouvelles 1998, 26ff. mit Klauselvorschlägen.
22. Verbesserungen
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Ebenso wie für den Lizenznehmer156 besteht für den Lizenzgeber grundsätzlich keine Verpflichtung, auf Verbesserungen bedacht zu sein, wenn sich nicht aus dem Vertrag oder aus den Umständen des Einzelfalls etwas anderes ergibt.
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Es besteht grundsätzlich auch keine Pflicht eines Partners des Lizenzvertrages, Verbesserungen dem anderen Partner mitzuteilen und ihm Rechte hieran einzuräumen, es sei denn, dass dies im Vertrag vereinbart oder ein derartiger Wille der Vertragspartner aus der Ausgestaltung des Vertrags zu entnehmen wäre.
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In aller Regel treffen die Parteien jedoch Vereinbarungen, wonach jeder der Lizenzpartner dem anderen Partner Verbesserungen mitzuteilen und ihm eine Benutzungsbefugnis einzuräumen hat. Geht es um Verbesserungen des Lizenzgebers, geschieht dies in der Form, dass dem Lizenznehmer gestattet wird, Verbesserungen des Lizenzgebers im Rahmen der Lizenz zu verwerten, ohne dass dadurch eine Erhöhung der Lizenzgebühr eintritt. Zur Klarstellung kann es zweckmäßig sein festzustellen, was für völlige Neukonstruktionen gelten soll. Man wird den Lizenzgeber allerdings kaum für verpflichtet halten können, schutzfähige Erfindungen, die er auf dem sachlichen Vertragsgebiet gemacht hat, zum Patent oder Gebrauchsmuster anzumelden sowie Arbeitnehmererfindungen zu diesem Zweck unbeschränkt in Anspruch zu nehmen, da die Entscheidungsfreiheit des Lizenzgebers dadurch zu sehr eingeschränkt würde.157
Vor allem in den Fällen, in denen der Lizenznehmer den Lizenzgegenstand nach Ablauf des Lizenzvertrages frei benutzen kann, empfiehlt es sich, Vereinbarungen darüber zu treffen, ob und ggf. unter welchen Bedingungen er Verbesserungen des Lizenzgebers nach Beendigung des Lizenzvertrages weiterbenutzen darf. Hierbei kann vor allen Dingen vereinbart werden, dass der frühere Lizenznehmer z.B. bei der Weiterverwendung von geheimem Know-how während einer angemessenen Dauer und, sofern das Wissen geheim bleibt, hierfür angemessene Zahlungen leistet.158
Folgendes Praxisbeispiel zeigt die Bandbreite: „A will inform B in written form about essential improvements/advancements of the IPR described in I. 1. originating solely from and belonging exclusively to A or to which A has the right to grant licenses thereunder being not restricted by any prior contracts or legal regulations to grant licenses. B shall have two months from the receipt of this information to communicate A that B is interested in these improvements/advancements and if patent applications that are going to be filed for these improvements/advancements shall become IPR under this Contract. There will not be any additional royalties for B or its Affiliates or sublicensees for the use of these IPR. B shall bear a portion of the costs for this IPR the parties shall agree upon if B requests that such IPR becomes part of this Contract. Prior to disclosing any of such improvements/advancements to B, A may, if necessary, to comply with prior agreements A has with third parties, request that B enter a confidentiality agreement with A protecting the confidentiality of such improvements/advancements. There shall be no restrictions on B’s and its Affiliates or sublicensees right to use non-patented improvements/advancements regarding the process covered by the IPR. For this, additional royalties will not be required either. This Section 12 shall continue after any termination or expiration of this Contract.“
156 Vgl. Groß, Rn. 166ff. bzgl. des Lizenznehmers; bzgl. des Lizenzgebers s. nur Benkard, PatG, Rn. 150 zu § 15 und Henn, S. 168 m.w.N. 157 Wegen der kartellrechtlichen Zulässigkeit von Vereinbarungen über Verbesserungen vgl. Groß, Rn. 546ff., 642, 653, bzgl. Know-how vgl. ders., Rn. 703ff., 728; bzgl. der GVO TT vgl. ders., Rn. 966ff. 158 Vgl. Caroux/Terrapin, Pressemitteilung der Kommission vom 12.11.1980, GRUR Int. 1981, 56; Spindler, Roboter, Automation, künstliche Intelligenz, selbst-steuernde Kfz – Braucht das Recht neue Haftungskategorien, CR 2015, 766ff. Die Europäische Kommission hat ein vorläufiges Konzeptpapier zu zukünftigen Leitlinien der Produkthaftungsrichtlinie 85/374/EEC am 18.9.2018 veröffentlicht. Grund ist die steigende Produktkomplexität, und zwar insbesondere durch die erweiterten Anwendungen von Software (z.B. in den Bereich Automotive, Medizin).
23. Mängelhaftung und Haftung
23.1 Mängelhaftung für Sachmängel ab dem 1.1.2002
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Ausgangspunkt ist, dass der Lizenzvertrag als Dauerschuldverhältnis seinem Wesen nach der Rechtspacht am meisten ähnelt und sich daher die Vorschriften über die Rechtspacht zur analogen Anwendung am besten eignen.159 Auf dieser Grundlage ergibt sich Folgendes:
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Diejenigen, die die Anwendbarkeit des Miet-/Pachtrechts für den Lizenzvertrag bejahen, müssen ab dem 1.1.2002 (bzw. aufgrund des Mietrechtsreformgesetzes ab dem 1.9.2001) nur daran denken, dass
– § 536 BGB n.F. die Sach- und Rechtsmängelhaftung erfasst,
– § 536 Abs. 1 BGB n.F. inhaltlich § 537 Abs. 1 BGB a.F. ersetzt und
– §§ 536a i.V.m. 536 BGB n.F. (bisher §§ 537, 538 BGB a.F.) den Schadens- und Aufwendungsersatzanspruch bei Sachmängeln regeln.