Zauberer und Höllentore: Acht Fantasy Krimis. Rolf Michael. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Rolf Michael
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Год издания: 0
isbn: 9783956179044
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wollte bereits gehen, aber Robert hielt sie zurück.

      „Nein, lass!“, murmelte er, während der noch ganz unter dem Eindruck des Erlebten stand. Es fehlte gerade, dass er jetzt mit seinen Eltern darüber diskutieren musste, woher die Verletzung kam – zumal es ihm ohnehin niemand geglaubt hätte.

      Auf jeden Fall hat der kahlköpfige Typ an der DeKalb Station keineswegs übertrieben, dachte er. Dies war tatsächlich das Spiel der Spiele.

      Brenda sah ihn stirnrunzelnd an. 15 Jahre war sie, hieß mit vollem Namen Brenda Lucille Coogan, war vorzeitig eingeschult worden und abgesehen davon, dass sie einfach einen sehr viel besseren Draht zur Mathematik hatte als Robert, war sie auch noch sehr nett.

      Brenda und Robert waren kein Paar, aber keiner von beiden hätte wohl etwas dagegen gehabt, wenn sich ihre Beziehung in naher Zukunft mal in diese Richtung entwickelte.

      „Was ist los? Deine Mom hat mich zu dir heraufgeschickt und mich schon vorgewarnt, weil da so komische, gurgelnde Geräusche aus deinem Zimmer kamen und dann sehe ich dich da, wie...“

      Sie sprach nicht weiter.

      „Wie was?“, hakte er nach.

      Erneut starrte sie ihn an wie ein exotisches Tier. Ihre Augenbrauen zogen sich dabei zusammen. Sie deutete auf seinen Hals. „Robert, da ist alles ganz rot, so als hätte dich jemand gewürgt, der lange Fingernägel hatte...“ Robert schluckte unwillkürlich.

      Die Erinnerung an sein Erlebnis mit der Vampirfledermaus wurde jetzt noch einmal sehr lebendig.

      „Sieht man das?“

      „Natürlich sieht man das. Was denkst du denn?“

      „Als du herein kamst, was hast du beobachtet?“

      „Du saßt auf deinem Stuhl und hast auf den Bildschirm geschaut, wo irgendwelche Monster herumgeturnt sind. Aber du warst völlig weggetreten.“

      Robert lächelte. „Ja, ich habe vorhin, als ich aus der Schule kam, dieses Hammerspiel gekauft. Hellgate heißt es...“ Er blickte zum Bildschirm. Das Bild war erstarrt.

      Ein Fledermausmonster beugte sich über einen am Boden liegenden jungen Mann, dessen Gesicht zur Maske des Schreckens geworden war, während ihm das Vampirgebiss des Monsters den Hals aufriss.

      Brenda glaubte ihren Augen nicht zu trauen. „Das bist ja du, Robert!“, stellte sie fest. „Dein Gesicht!“

      „Mist!“, sagte Robert. „Abgestürzt. Aber das verstehe ich nicht. Die Hardware-Vorrausetzungen stimmen eigentlich.“ Brenda konnte es noch immer nicht fassen, was sie gesehen hatte. „Robert, das bist du da auf dem Bildschirm!“, wiederholte sie. „Wie kommst du dort hinein? Wird die Grafik nach einem Foto des Benutzers generiert oder hast du den Machern des Spiels Modell gestanden und dich abscannen lassen?“

      „Weder noch!“

      „Dann verstehe ich das nicht. Ich habe doch nichts an den Augen, oder?“

      Sie beugte sich noch etwas näher an den Bildschirm und schien doch ihrem Blick noch nicht so recht trauen zu können.

      „Es stimmt“, lächelte er. „Das bin ich. Ich verstehe das auch nicht ganz, aber bei diesem Hammerspiel ist man völlig in der Spielwelt drin. Das musst du selbst erlebt haben!“ Brenda nahm sich das Cover.

      „Hellgate – das Tor zur Hölle. Das klingt...“

      „Cool, oder?“

      „Ich wollte sagen, das klingt eigentlich nicht gerade nach einer Umgebung, die man unbedingt besuchen möchte.“

      „Brenda, das ist ein Spiel! Du begegnest Monstern und schlägst sie tot, damit du überlebst. Das ist alles. Ein Riesenspaß eben!“

      „Na, ich weiß nicht.“

      „Du musst das unbedingt auch mal probieren.“

      „Das ist doch wahrscheinlich nur Daumentraining!“

      „Nein, bei diesem Spiel nicht. Der Typ, der es mir verkaufte, hatte Recht, es ist wirklich das Spiel der Spiele.

      Du bist vollkommen in der Spielwelt drin, so als wärst du ein Teil davon. Ich habe keine Ahnung, wie die das machen, aber es ist einfach so.“

      Brenda sah ihn skeptisch an und verschränkte die Arme vor der Brust. Sie blickte kurz zu dem Bildschirm hinüber und las sich dann noch einmal den Covertext durch.

      „Ich bin eigentlich kein besonders großer Fan von so etwas.“

      „Aber das wird dich überzeugen, Brenda!“

      „Hör mal, ich bin eigentlich hier, um mit dir Mathe zu lernen. Wir schreiben doch morgen den Test.“

      „Ja, ich weiß“, murmelte Robert. „Aber weißt du was? Ich fahre den Rechner jetzt noch einmal hoch und dann probierst du es einfach mal. Nur ein paar Minuten, dann wirst du begreifen, was ich meine.“

      Sie seufzte. „Okay“, stimmte sie schließlich zu. „Zehn Minuten. Und dann üben wir. Sonst verhaust du morgen den Test. Und ich denke, du weißt, was davon abhängt.“

      Kapitel 3: Im Reich der Verdammten

      Robert ließ den Computer erneut hochfahren und startete das Spiel. In der Beschreibung sah er nach, wie man den Modus für zwei Personen einstellte.

      Brenda hatte sich inzwischen den zweiten Stuhl in Roberts Zimmer passend zurechtgestellt. „Na, dann mal los“, sagte sie und lachte ihn an. Grübchen entstanden dabei auf ihren Wangen.

      Auf dem Bildschirm erschien wieder das flammende Höllentor, das von einem Zombie mit scharfer Sense bewacht wurde.

      „Und das soll gruselig sein?“, fragte Brenda.

      „Warte es ab.“

      „Das ist zum Gähnen!“

      „Ich sagte: Warte ab!“

      „Eine moderne Version der Addams Family. Aber nichts, wovor man sich fürchten müsste.“

      „Dann amüsier dich meinetwegen, wenn du es so witzig findest.“

      „Ach, Robert!“

      „Willkommen am Tor zur Hölle!“, sagte der Zombie mit verrotteter Kleidung und glühenden Augen. Er deutete wieder mit seiner Sense auf das flammende Tor. „Wenn ihr dieses Tor durchschreitet, seid ihr im Reich der Verdammten und es gibt dann kein Zurück mehr. Click hier, wenn ihr dem Satan eure Seelen überantworten wollt – denn nur dann könnt ihr Zutritt ins Höllenreich erhalten.“

      „Es ist wirklich zu blöd, Robert!“

      „Etwas Geduld, Brenda!“

      „Dann schalte die Lautstärke etwas herunter.“

      „Wieso?“

      „Na, deine Eltern denken doch, dass wir hier fleißig lernen!“

      „Click jetzt! Na, los!“

      Sie seufzte. „Meinetwegen. Und jetzt du!“ Im nächsten Augenblick erfasste sie beide der unheimliche Sog, den Robert bereits einmal gespürt hatte. Ein Sog, dem man nicht widerstehen konnte. Alles drehte sich vor den Augen und sie schienen in einen bunten Strudel aus Farben und Formen zu stürzen.

      Dann wurde es für kurze Zeit dunkel.

      Im nächsten Moment fanden sie sich in jener bizarren, tief gefrorenen Welt wieder, die den Hintergrund für einen Horrorfilm hätte abgeben können - der fahle Mond, der helle Schnee, die verwachsenen Bäume und die tierischen Schreie namenloser Kreaturen, die immer wieder die gespenstische Stille unterbrachen.

      In der Ferne lag – erhaben und Furcht einflößend – das Schloss, aus dem die riesenhafte Vampirfledermaus gekommen war.