“Und du denkst, er könnte uns gegen die Drachen helfen?”, fragte Arodnap.
“Sein Name ist Gorian”, erklärte Luun. “Und noch etwas solltet ihr berücksichtigen.”
“Was?”, fragte Arodnap.
“Gorian glaubt, dass er träumt. Er glaubt, dass er sich in Wahrheit in einer Stadt namens Nelbar befindet, dass er in einem der sieben Türme dieser Stadt residiert. Er glaubt, dass er sein Lager mit seiner Gefährtin, einer Heilerin, teilt und dass, wenn er aufwacht, die Menschen der Stadt ihn verehren und feiern, weil sie ihm die Rettung der Welt verdanken. Für ihn ist das hier...” Luun machte einer ausholende, allumfassende Handbewegung, “...nur ein Traum. Ein Spiel, das er nicht ernstzunehmen braucht und das sich darum von den Machtspiele seiner eigenen Existenzebene sehr deutlich unterscheidet. Wie ihr euch denken könnt, sind ihm die Mächtigen seiner Welt durchaus dankbar für das, was er getan hat. Aber zweifellos würden sie es bevorzugen, wenn er nicht länger unter ihnen weilen würde...” Luun zuckte mit den Schultern. “Es ist schon eine gewisse Tragik. Dort, wo er herkommt, scheint man zurzeit für seine immensen magischen Kräfte keine Verwendung zu haben. Aber hier hätte man Verwendung dafür.”
7
Unterdessen war Gorian nähergekommen. In gehörigem Abstand zu den vier Göttern blieb er stehen.
Seine Augen wurden für einen Moment von vollkommener Schwärze erfüllt.
Ein Ausdruck seiner Kräfte.
Er schien leicht desorientiert zu sein.
“Du brauchst nicht so zurückhaltend zu sein, Gorian”, sagte Luun. “Es hat seine Richtigkeit, dass du hier bist.”
“Ich träume”, sagte Gorian.
“Es ist nichts dagegen einzuwenden, wenn du das weiterhin glaubst”, sagte Luun. “Im übrigen hat es keine Bedeutung. Ein Mann träumt von einem Mann, der träumt von einem weiteren Mann, der auch träumt... Wessen Welt ist nun real? Es spielt keine Rolle, denn das Gesetz des Multiversums besagt, dass alles, was erdacht oder erträumt werden kann, irgendwo im Multiversum auch existiert.”
“Und dieser Trottel soll uns helfen?”, fragte jetzt Arodnap ungläubig. “Ich glaube, da erledigen wir die Angelegenheit dann doch lieber selbst. Auch, wenn es schwierig ist und wir vielleicht tatsächlich das eine oder andere Äon brauchen werden...”
“Vielleicht sollten wir eine Mauer bauen, die die Menschen einst vor dem Ansturm der Drachen schützen könnte”, schlug Blaakon vor. Ein Vorschlag, der vom Gott der Ordnung nicht ganz unerwartet kam. Schließlich war er auch als Schutzherr der Baumeister bekannt. Zumindest in manchen Dimensionen des Multiversums.
“Aber um eine solche Mauer zu bauen, brauchen selbst die Götter etwas Zeit”, gab Luun zu bedenken. “Und die werdet ihr nur bekommen, wenn die Drachen zumindest für eine gewisse Zeit besiegt werden und so geschwächt sind, dass sie sich für einige Zeit nicht mehr erheben. Sonst würden sie eure Mauer immer wieder aufs Neue einreißen, noch ehe, dass sie richtig entstanden wäre!”
Luun wandte sich nun an Gorian. “Tritt näher! Du magst in deiner Welt ein großer Held sein, aber du bist kein Gott. Und doch sind diese vier Götter darauf angewiesen, dass du deine Kräfte zu ihren Gunsten einsetzt.”
“Was ist das für ein Ort?”, fragte Gorian.
“Es kann dir gleichgültig sein”, sagte Luun. “Denn, sobald du diesen Kampf bestanden hat, wirst du in deine Welt zurückkehren. Diese Existenzebene des Multiversums wirst du danach vermutlich nie wieder betreten. Zumindest sehe ich nicht, dass die Konjunktionen der Kausalitäten dies vorgesehen haben oder auch nur möglich erscheinen lassen... Allerdings kann man sich in diesen Dingen nie ganz sicher sein. Das gilt selbst für jemanden wie mich.”
“Also ist es doch ein Traum.”
“Du denkst in den Maßstäben sterblicher Menschen, Gorian. Mag sein, dass du als der mächtigste Magier deiner Welt giltst, aber alles ist relativ. Und betrachtet man die Dinge aus einer übergeordneten Perspektive, dann reduziert sich manches auf ein viel unbedeutenderes Maß. Aber das braucht dich alles nicht zu kümmern. Deine Fähigkeiten sind erstaunlich genug, um an diesem Ort gebraucht zu werden. Sobald das geschehen ist, wirst du dich an einen Traum erinnern - wenn überhaupt.”
Gorian deutete auf die Götter.
“Wer sind diese Gestalten?”
“Du erinnerst dich nicht?”
“Nein.”
“Ich habe gehört, du warst mal an einem Ort, der als Reich des Geistes bezeichnet wird.”
“Woher weißt du das?”
“Ich war auch dort. Aber vielleicht hast du mich nicht bemerkt. Es ist eine vertrackte Sache mit diesen Orten, die jenseits von Raum und Zeit liegen und in denen sowohl die Zeit, als auch der Raum oder die Kausalität keine Rolle spielen. Der menschliche Geist neigt dazu, Geschehnisse zwanghaft in eine Reihenfolge bringen zu müssen. Das kann mitunter das Denken blockieren.” Luun zuckte mit den Schultern. “Es wundert mich daher nicht, dass ich dir nicht in Erinnerung geblieben bin. Und vielleicht hast du deinen Aufenthalt dort auch als eine Art magischen Traum empfunden, so wie deinen Aufenthalt hier...”
Während Luun unablässig weitersprach, musterte Gorian die Vier, die im gegenüberstanden. Einer von ihnen schwebte eher, als dass er stand.
“Es sind Götter”, sagte Luun. “Sehr alte Götter. In deiner Welt hat man sich abgewöhnt, sie anzubeten. Dort ist zurzeit der Glaube an einen namenlosen, unsichtbaren Gott vorherrschend. Aber so etwas kann sich schnell ändern, wie die Erfahrung zeigt.” Der Reihe nach stellte Luun die vier Götter vor. Die Namen kamen Gorian bekannt vor, obwohl er nicht hätte sagen können, woher er diese Namen kannte. Vielleicht war er ihnen tatsächlich im Reich des Geistes begegnet. Aber die Erinnerungen an dieses magische Reich war ohnehin so gut wie verblasst. So, wie ein Traum, an den man sich schon kurz nach dem Erwachen nur noch nebelhaft zu erinnern vermochte. “Die Götter können ihre Freude über dein Erscheinen vielleicht nicht in aller Angemessenheit zeigen”, meinte Luun mit einem spöttischen Unterton. “Und gewiss bereitet es ihrem göttlichen Stolz ein paar Probleme, dass sie von deiner Hilfe abhängig sind.”
“Pah!”, machte Arodnap und donnerte seine Obsidiankeule auf den Boden.
Spinnenartig sich fortsetzende Blitze krochen über den Boden und näherten sich Gorian.
Dieser fühlte die Bedrohung durch die Kräfte, die Arodnap freigesetzt hatte.
Gorin stieß einen