Im Südwestfälischen Studieninstitut für kommunale Verwaltung in Hagen unterrichtet Andreas Wagener seit 2003 nebenamtlich verschiedene Fächer der öffentlichen Finanzwirtschaft, schwerpunktmäßig „kommunales Finanzmanagement“ und „kommunale Abgaben“ in den Verwaltungslehrgängen I und II sowie im Zertifikatslehrgang „Bilanzbuchhalter kommunal“ des Institutes der Rechnungsprüfer und Rechnungsprüferinnen in Deutschland e. V. (IDR).
VORWORT
Das kommunale Abgabenrecht ist vielschichtig und komplex. Die Bedeutung für die kommunale Finanzwirtschaft ist erheblich, da die Aufgabenerfüllung zu einem maßgeblichen Teil aus öffentlich-rechtlichen Abgaben finanziert wird.
Mithilfe dieses Buches soll ein Überblick über die verschiedenen Abgabearten, aber auch über sonstige gemeindliche Einnahmen gegeben werden. Neben den verfassungsrechtlichen Grundlagen und dem Abgabenverwaltungsrecht sollen schwerpunktmäßig kommunale Steuern, Gebühren und Beiträge betrachtet und erläutert werden. Das Kapitel zum Finanzausgleich und zu den Finanzbeziehungen zwischen dem Bund, den Ländern und den Gemeinden ergänzt den abgabenrechtlichen Teil um weitere wichtige Einnahmequellen.
Das Buch richtet sich hauptsächlich an Teilnehmende an Verwaltungslehrgängen in den Studieninstituten in Nordrhein-Westfalen. Es ist aber ebenso für interessierte Praktiker/
-innen in der öffentlichen Verwaltung oder Studierende an Fachhochschulen für öffentliche Verwaltung geeignet, um sich einen guten Überblick über die kommunale „Finanzlandschaft“ zu verschaffen.
Die zweite Auflage berücksichtigt u. a. die Neuregelung des Finanzausgleichs und die aktuelle Rechtslage in Bezug auf die Grundsteuer.
Der Autor dankt dem Südwestfälischen Studieninstitut für kommunale Verwaltung in Hagen und dem Maximilian Verlag in Hamburg für die Unterstützung.
Wetter (Ruhr), im Januar 2021
Andreas Wagener
1Einordnung der Gemeindefinanzen in die Staatsverfassung
1.1STAATLICHE UND GEMEINDLICHE AUFGABENFINANZIERUNG
Öffentliche Aufgaben sind vielschichtig und einem stetigen Wandel unterworfen. Die öffentliche Hand1 übernimmt zahlreiche Aufgaben, die auf dem Gedanken der Daseinsvorsorge, also der „grundlegenden Versorgung der Bevölkerung mit wesentlichen Gütern und Dienstleistungen durch den Staat und/oder von der öffentlichen Hand geförderten Organisationen“2, basiert.
In der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg bestand z. B. eine vordringliche öffentliche Aufgabe in der Wiederherstellung der öffentlichen Infrastruktur oder in der Versorgung der Bevölkerung mit Wohnraum. Aus dem Grundgedanken des Sozialstaatsprinzips entstand ein Sozialhilferecht, das sich aus der ursprünglichen „Armenfürsorge“ zu einem Recht auf menschenwürdige Existenzsicherung und Teilhabe am gesellschaftlichen Leben entwickelte. Ebenso wurde z. B. das Jugendwohlfahrtsgesetz durch ein Kinder- und Jugendhilfegesetz ersetzt und fortentwickelt. In den letzten Jahrzehnten entstanden vielfach und vermehrt Hallenbäder (und sogenannte „Spaßbäder“), Sportstätten, Musikschulen oder Volkshochschulen. Die „klassischen“ Kindergärten wurden zu Kindertagesstätten ausgebaut, auch um Kinder unter drei Jahren zu betreuen. Die Anforderungen an die umweltgerechte Abwasserbeseitigung nahmen ebenso zu wie das Bedürfnis nach Kultur oder Freizeitgestaltung vor Ort.
Was sind also „öffentliche Aufgaben“ im Allgemeinen? Kennzeichnend für alle öffentlichen Aufgaben ist, dass sie entweder
•durch Bundes- oder Landesrecht vorgeschrieben sind oder
•durch den Rat in Form von Satzungen oder einfachen Beschlüssen verbindlich festgelegt werden.
Die Finanzierung der zur Aufgabenerfüllung erforderlichen Ausgaben3 erfolgt durch verschiedene Einnahmen. Diese Einnahmen sollen die Ausgaben decken (Bedarfsdeckungsprinzip).
Wie erfolgt also die staatliche und gemeindliche Aufgabenfinanzierung?
Art. 104 a GG regelt die Aufgaben- und Lastenverteilung zwischen dem Bund und den Ländern. Hier heißt es auszugsweise:
Art. 104 a GG (Ausgabenverteilung; Finanzhilfen):
(1)Der Bund und die Länder tragen gesondert die Ausgaben, die sich aus der Wahrnehmung ihrer Aufgaben ergeben, soweit das Grundgesetz nichts anderes bestimmt.
(2)Handeln die Länder im Auftrage des Bundes, trägt der Bund die sich daraus ergebenden Ausgaben.
(3)Bundesgesetze, die Geldleistungen gewähren und von den Ländern ausgeführt werden, können bestimmen, dass die Geldleistungen ganz oder zum Teil vom Bund getragen werden. Bestimmt das Gesetz, dass der Bund die Hälfte der Ausgaben oder mehr trägt, wird es im Auftrage des Bundes durchgeführt. Bestimmt das Gesetz, dass die Länder ein Viertel der Ausgaben oder mehr tragen, so bedarf es der Zustimmung des Bundesrats.
(...)
Die Aufgabenfinanzierung erfolgt zu einem hohen Anteil durch Steuern. Diese stellen Zwangsabgaben dar, die als Geldleistungen ohne direkte Gegenleistungen durch einen öffentlich-rechtlichen Hoheitsträger erhoben werden (vgl. Definition der Steuer in § 3 Abs. 1 AO).
Entscheidende Bedeutung kommt verfassungsrechtlich dem Art. 106 GG zu, der die Verteilung des Steueraufkommens und des Ertrages der Finanzmonopole beinhaltet. Hier wird unterschieden zwischen Steuern, die nur einer staatlichen Ebene (Bund, Länder, Gemeinden) zusteht („Trennsystem“), und Steuern, die auf mehrere Ebenen verteilt werden (Gemeinschaftsteuern, „Verbundsystem“).
Zu den bundeseigenen Steuern (Abs. 1) gehören:
•die Zölle (= Steuern, die der Staat für die Wareneinfuhr aus dem Ausland erhebt). Sie werden über die Bundeskasse an die EU weitergeleitet;
•die Finanzmonopol(e): nur noch das Branntweinmonopol; die Einnahmeerzielung erfolgte ursprünglich im Wesentlichen durch eine Lizenzvergabe („Brennrecht“) an produzierende Unternehmen. Seit vielen Jahren wurde nur noch Agraralkoholseitens des Staates übernommen und vermarktet und wurde daher seitens der EU als Subvention kritisiert. Das Branntweinmonopol wurde Ende 2017 abgeschafft;
•die Verbrauchsteuern, soweit sie nicht anderen Gebietskörperschaften zustehen oder Gemeinschaftsteuern sind; Verbrauchsteuern setzen beim Übergang verbrauchbarer Güter an den Verbraucher an; bundeseigen sind u. a.: Mineralölsteuer, Tabaksteuer, Kaffeesteuer, Schaumweinsteuer, Stromsteuer;
•die Verkehrsteuern, soweit sie nicht den Ländern zustehen oder Gemeinschaftsteuern sind; Verkehrsteuern knüpfen an Vorgänge des Rechtsverkehrs (Rechtsgeschäfte) an. Bundeseigene Verkehrsteuern sind: die Versicherungsteuer; die Kapitalverkehrsteuern (Börsenumsatzsteuer, Wechselsteuer und Gesellschaftsteuer durch das Finanzmarktförderungsgesetz 1990 abgeschafft); zu den Verkehrsteuern gehören seit dem 01.07.2009 auch die Kraftfahrzeugsteuer und sonstige auf motorisierte Verkehrsmittel bezogene Steuern. Die Zuordnung zu den Verkehrsteuern ist mit Blick auf die ursprüngliche Definition (s. o.) umstritten. Sinnvoller wäre die Klassifizierung als Aufwandsteuer, da der Steuergegenstand – das Halten eines Kraftfahrzeuges – an die Einkommensverwendung anknüpft;
•die Vermögens- und Ausgleichsabgaben zur Durchführung des Lastenausgleichs; der Bund trägt gem. Art. 120 GG die Kriegsfolgelasten.
•die Ergänzungsabgabe zur Einkommen- und Körperschaftsteuer; aus konjunktur- bzw. umverteilungspolitischer Sicht eingeführter Zuschlag („Solidaritätszuschlag“); ab 01.01.1995 7,5 %, ab 01.01.1998 5,5 % der jeweiligen Bemessungsgrundlage;
•die Abgaben im Rahmen der europäischen