4. Schadensersatz bei Lizenzverträgen, denen kein Schutzrecht zugrunde liegt84
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Besteht für den Lizenzgegenstand kein Schutzrecht, so können gegen einen Nachahmer nur ausnahmsweise Schadensersatzansprüche aufgrund unlauteren Wettbewerbs erhoben werden. Hierbei ist darauf hinzuweisen, dass der Nachbau von Gegenständen, die nicht besonders geschützt sind, grundsätzlich zulässig ist. Dies erklärt sich daraus, dass die ganze technische Entwicklung auf dem Erbe der Vergangenheit beruht. Jede Maschine, jede Konstruktion verwendet Ergebnisse, die andere früher erarbeitet haben. Der Nachbau von nicht besonders geschützten Gegenständen ist daher nur dann unzulässig, wenn besondere Umstände die Handlung als unlauter erscheinen lassen.85
Besondere Umstände, aufgrund derer die Nachahmung unzulässig sein kann, können insbesondere das Bestehen einer Verwechslungsgefahr mit dem ursprünglichen Erzeugnis sein, vor allem dann, wenn Täuschungsabsicht, Ausnutzung der Verkehrsgeltung des nachgeahmten Erzeugnisses, Erschleichung von Unterlagen und Kenntnissen bestehen. Im Übrigen darf hierzu auf die Ausführungen über den sog. sklavischen Nachbau in der Literatur verwiesen werden.86
Steht fest, dass eine unlautere Handlung vorliegt, so ist zu prüfen, ob denjenigen, der die Handlung begangen hat, ein Verschulden trifft (§ 9 UWG).
414
Zur Erhebung der Klage ist der verletzte Wettbewerber berechtigt. Dies kann entweder nur der Lizenzgeber oder nur der Lizenznehmer, oder es können auch beide nebeneinander sein.
1 Siehe Benkard, PatG, Rn. 6 zu § 58, und Rn. 2 zu § 139 – jeweils m.w.N.; von Falck, Mitt. 2005, 481 ff.; vgl. die Maßnahmen zur Verbesserung des Sachverständigenwesens im Patentverletzungsprozess: Kooperation zwischen der Patentgerichtsbarkeit und der RWTH Aachen, GRUR 2008, 774 ff.; Schulte, PatG, § 6 Rn. 6 ff.; Schönig, GRUR-Prax 2015, 464; Ohly, GRUR 2016, 1120 ff.; Grunwald, GRUR 2016, 1126 ff.; EuGH, 4.2.2016, GRUR Int. 2016, 350 ff. – Hassan = GRUR 2016, 372 ff. = GRUR-Prax 2016, 79, zum Recht des Lizenznehmers auf Erhebung einer Verletzungsklage trotz fehlender Eintragung der Lizenz in das Gemeinschaftsmarkenregister; ders., 22.6.2016, Mitt. 2016, 560 ff. – Verletzungsklage trotz fehlender Eintragung der Lizenz; Nieder, Mitt. 2017, 145 ff.; Steininger, GRUR 2017, 875 ff.; Lohmann, Mitt. 2019, 64; Liddicoat/de Werra, GRUR Int. 2019, 100 ff. 2 Siehe nur Benkard, wie vor. 3 § 139 Abs. 2 PatG; spektakulär war die Schadensersatzsumme von mehr als 900 Mio. Dollar, die Kodak an Polaroid wegen der Verletzung von 12 Patenten in den USA zahlen musste, Bodewig, GRUR Int. 1991, 170. Diese Summe bezog sich zur Hälfte auf entgangenen Gewinn bzw. fiktive Lizenzgebühren und zu 50 % auf Zinsverluste vor Erlass des Urteils. Abgelehnt wurden Ansprüche auf Ersatz der Anwaltsgebühren und auf Verdreifachung des Schadensersatzes; auch Fn. 2 zu Rn. 101; Kraßer, S. 873 ff.; Heide, CR 2003, 165 ff. zu Softwarepatenten im Verletzungsprozess; zu Patentverletzungsprozessen in Frankreich: Véron, Mitt. 2002, 386 ff.; Lang, Mitt. 2002, 407 ff.; Vièl, Mitt. 2002, 412 ff.; Véron/Roux-Vaillard, Mitt. 2006, 294 ff.; das US-Patentgesetz, 35 U.S. C. § 287, sieht vor, dass derjenige, der in den USA ein durch ein US-Patent geschütztes Produkt in Verkehr bringt, möglichst das Produkt, also nicht nur dessen Verpackung, mit der Patentnummer versehen muss; andernfalls kann der Patentinhaber im Verletzungsfall Anspruch auf Schadensersatz erst ab Klageeinreichung oder dem Zeitpunkt eines konkreten Hinweises des angeblichen Verletzers auf die Verletzung geltend machen. Bei einem entsprechenden Vermerk kann der Patentinhaber dagegen bereits Schadensersatz sechs Jahre vor der Klageeinreichung fordern. Münsterer, Mitt. 2010, 322 ff., 333, mit einem Hinweis auf die durchschnittlichen Kosten eines US-Patentverletzungsverfahrens von 2,5–4 Mio. US $ (in komplizierten Fällen auch deutlich höher); siehe zur Umsetzung der EU-Durchsetzungsrichtlinie 2004/48/EG in deutsches Recht den Überblick v. 29.8.2008 im BMJ-Newsletter, www.bmj.de, der beim BMJ, [email protected], unentgeltlich abonniert werden kann; vgl. Levko, 2006 Patent and Trademark Damages Study, www.pwc.com, und Levko/Torres, les Nouvelles 2008, 158 ff., als sehr instruktive Hilfe der PricewaterhouseCoopers für die Entscheidung, ob (z.B. wegen der Erfolgsquoten/Höhe des Schadensersatzes/Verfahrensdauer) und wenn, bei welchen US-Gerichten Patentverletzungs-/Nichtigkeitsklagen anhängig gemacht werden sollten. Reitboeck, GRUR Int. 2013, 419 ff.; siehe auch Walz, GRUR Int. 2016, 513 ff.; International Patent Enforcement, les Nouvelles, December 2018, 281 ff., eine Übersicht zu den Vollstreckungsmöglichkeiten bei Patentverletzungen in den wichtigsten Industriestaaten. 4 Benkard, PatG, Rn. 17, 58 zu § 139. 5 GRUR 1933, 441. 6 RG, 28.5.1932, RGZ 136, 320. 7 Vgl. Osterloh, GRUR 1985, 707, zur verneinten Frage, ob die Nichtigkeit eines einfachen Lizenzvertrages zur Folge hat, dass der Lizenznehmer rückwirkend als Patentverletzer anzusehen ist und somit der Patentinhaber gemäß § 139 PatG vorgehen kann. 8 GRUR 1933, 613, und Benkard, PatG, Rn. 17, 58 zu § 139. 9 Vgl. nur Benkard, PatG, Rn. 17, 58 zu § 139. 10 Vgl. nur den Überblick bei Benkard, PatG, Rn. 57 ff. zu § 139. 11 Vgl. z.B. Benkard, PatG, Rn. 61 ff. zu § 139, mit einem Überblick bzgl. der Rechtsprechung des BGH. 12 § 139 Abs. 2 PatG, s. zur BGH-Rechtsprechung Teplitzky, GRUR 2003, 272 ff., 276 m.w.N., GRUR 2007, 177 ff., 179 ff.; Menninger/Nägele, WPR 2007, 912 ff.; zu Ansprüchen des Schutzinhabers gegen den Verletzer neben denen des Lizenznehmers BGH, 20.5.2008, GRUR 2008, 896 ff. – Tintenpatrone = GRUR Int. 2008, 960 ff. = WRP 2009, 996 ff.; Tilmann, GRUR 2008, 312 ff.; BlackBerry, A Teaching Case for WIPO, October 2008, www.ipria.org; Kämper, GRUR Int. 2008, 539 ff.; vgl. die Übersicht von Bornkamm, GRUR 2009, XIII; Tetzner, Der Verletzerzuschlag bei der Lizenzanalogie, GRUR 2009, 6 ff.; Kiani/Springorum/Schmitz, Mitt. 2009, 273 ff., 2010, 6 ff. und 2010, 341 ff.; Stjerna, Zum Wechsel der Schadensberechnungsmethode – Anmerkung zu BGH, Mitt. 2007, 554 – Zerkleinerungsvorrichtung, Mitt. 2009, 489 ff.; Nieder, Mitt. 2009, 540 ff.; Stieper, WRP 2010, 624 ff.; Mellulis, GRUR Int. 2008, 679 ff.; zum Urheberrecht: v. Ungern-Sternberg, GRUR 2008, 291 ff., und ders. für die Jahre 2008 und 2009, GRUR 2010, 386 ff.; zur Berechnung von Schadensersatz in der Absatzkette BGH, 26.3.2009, GRUR 2009, 660 ff. = CR 2009, 447 ff.; BGH, 14.5.2009, I ZR 98/06 – Tripp-Trapp-Stuhl, BGHZ 181, 98 = GRUR 2009, 856 = ZUM-RD 2009, 577 ff. = CR 2009, 702 ff. m. Anm. Klawitter = WRP 2009, 1129; Arnold/Slopek, NJW 2009, 3649; v. Saint André/Körber, Mitt. 2009, 474 ff.; BGH, 14.5.2009, I ZR 99/06, ZUM-RD 2009, 587 ff. – Tripp-Trapp-Stuhl = BeckRs 2010, 21 138; LG München I, 18.2.2010, ZUM-RD 2010, 371 ff. und Bergmann, GRUR 2010, 874 ff.; OLG Brandenburg, 15.5.2009, GRUR-RR 2009, 413 ff. – MFM-Bildhonorartabellen; LG Köln, 23.9.2009, ZUM 2010, 369 ff. – Schadensersatz im Wege der Lizenzanalogie wegen unberechtigter Verwendung von Filmbeschreibungen; zum Arbeitnehmererfinderrecht z.B. BGH, 4.12.2007, WRP 2008, 807 ff. – Rampiril = Mitt. 2008, 282 ff. = GRUR 2008, 606 ff., BGH, 18.5.2010, WRP 2010,