I. Deutschland1
1. Franchiseregeln
a) Rechtsgrundlagen
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In Deutschland gibt es kein spezielles Franchisegesetz oder eigenständige franchisenehmerschützende Regulierungen. Vielmehr finden die Regelungen des allgemeinen Zivil-, Handels-, Gesellschafts-, Wettbewerbs-, Kartell-, Verbraucherschutz- sowie des Arbeits- und Sozialversicherungsrechts auf Franchiseverhältnisse Anwendung. Ergänzt werden sie durch die Grundsatzentscheidungen des Bundesgerichtshofs (BGH), welche insbesondere die hier interessierenden Informations- und Aufklärungspflichten des Franchise-Gebers inhaltlich ausgestaltet haben. Daneben ist außerdem der Deutsche Franchiseverband fortwährend darum bemüht, durch Kodizes, Leitlinien und Empfehlungen das Franchiseverhältnis zu definieren sowie seine Inhalte zu präzisieren.
b) Rechtshistorie
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Das Franchising hat in Deutschland als Vertriebsform in den 80er Jahre an Bedeutung gewonnen und einen regelrechten Boom nach der Wiedervereinigung und der danach einsetzenden Existenzgründungswelle erfahren.2 Diese Entwicklung hat sich zwar Mitte der 90er Jahre etwas abgeschwächt, dennoch entwickelte sich das Franchising als Vertriebsform kontinuierlich fort. Während in 1995 noch 530 Franchisesysteme mit 22.000 Franchise-Nehmern einen Gesamtumsatz von DM 24 Mrd. erarbeiteten, waren in 2017 insgesamt 972 Systeme mit 123.549 Franchise-Nehmern und 706.739 Beschäftigten in der Franchise-Wirtschaft tätig, die einen Umsatz von EUR 112,2 Mrd. erwirtschafteten.3 Dabei ist augenfällig, dass Franchiseverträge von Existenzgründern bevorzugt werden, die den Schritt in die Selbstständigkeit mit einem am Markt erprobten Franchisesystem wagen wollen.
c) Franchisevertrag
aa) Definition des Franchisevertrags
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Da das Franchising gesetzlich nicht geregelt ist, sucht man auch die Definition des Franchising vergeblich. Das Franchising wird in Deutschland nach dem Ehrenkodex des Deutschen Franchiseverbandes und in Anlehnung an Art. 1 Ziff. 3 der bis zum 31.12.1999 geltenden EU-Gruppenfreistellungsverordnung für Franchise-Vereinbarung4 wie folgt definiert:
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„Franchising ist ein Vertriebssystem, durch das Waren und/oder Dienstleistungen und/oder Technologien vermarktet werden. Es gründet sich auf eine enge und fortlaufende Zusammenarbeit rechtlich und finanziell selbstständiger und unabhängiger Unternehmen, den Franchise-Geber und seine Franchise-Nehmer. Der Franchise-Geber gewährt seinen Franchise-Nehmern das Recht und legt ihnen gleichzeitig die Verpflichtung auf, ein Geschäft entsprechend seinem Konzept zu betreiben. Dieses Recht berechtigt und verpflichtet den Franchise-Nehmer, gegen ein direktes oder indirektes Entgelt im Rahmen und für die Dauer eines schriftlichen, zu diesem Zweck zwischen den Parteien abgeschlossenen Franchisevertrags per laufender technischer und betriebswirtschaftlicher Unterstützung durch den Franchise-Geber den Systemnamen und/oder das Warenzeichen und/oder die Dienstleistungsmarke und/oder andere gewerbliche Schutz- oder Urheberrechte sowie das Know-how, die wirtschaftlichen und technischen Methoden und das Geschäftsordnungssystem des Franchise-Gebers zu nutzen.“ Ist der Franchisevertrag so vor allem durch die Überlassungs- und Dienstleistung des Franchise-Gebers geprägt, tritt in der Definition des Franchising, die der Deutsche Franchiseverband gibt, darüber hinaus die vom Franchise-Nehmer erwartete Dienstleistung hervor.5 Er soll nicht nur das Recht, sondern auch die Pflicht haben, ein Geschäft nach dem vom Franchise-Geber bereitgestellten Konzept zu betreiben, und dabei in dessen Weisungs- und Kontrollsystem einbezogen sein.6
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Diese Begriffsfestlegung wird allgemein bei der Beschreibung eines Franchisevertragsverhältnisses zugrunde gelegt; auch die Rechtsprechung7 orientiert sich an dieser Definition.
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Bei dem Vertrag zwischen einem Franchise-Geber und einem Franchise-Nehmer handelt es sich um einen privatautonom auszugestaltenden Typenkombinationsvertrag, welcher als Dauerschuldverhältnis regelmäßig Elemente aus Kauf-, Miet-, Pacht-, Geschäftsbesorgungs-, Gesellschafts- und Lizenzvertrag enthält. Nur ausnahmsweise ist er als Arbeitsvertrag zu qualifizieren, nämlich dann, wenn der Franchise-Nehmer nicht selbstständig im Sinne von § 84 Abs. 1 S. 2 HGB ist, sondern in Inhalt, Zeit und Ort seiner Tätigkeit fremdbestimmt.8 Ferner hat der BGH mit Beschluss vom 24.2.20089 festgestellt, dass regelmäßig ein Unternehmer- (§ 14 BGB) und nicht ein Verbraucherhandeln (§ 13 BGB) vorliegt, wenn der Vertrag im Zuge einer gewerblichen oder selbstständigen beruflichen Tätigkeit abgeschlossen wird.
bb) Vertragsschluss und -inhalt
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Angesichts der nur grob umrissenen Konturen und des nur abstrakten Inhalts des Franchise-Begriffs sowie der Tatsache, dass es keinen allgemein gültigen Franchise-Mustervertrag gibt, werden die Inhalte des Franchisevertrages zwischen den Vertragspartnern privatautonom ausgehandelt und festgelegt. Dabei verwundert es nicht, dass die Ausgestaltung der Vertriebsbeziehung zwischenzeitlich eher einem „Anweisungsvertrieb“ mit der vom Franchise-Geber erwünscht existentiellen Abhängigkeit des Franchise-Nehmers ähnelte, als einem Vertragsverhältnis auf Augenhöhe.
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Den Grund für diese zunächst negative Entwicklung erkannte man Mitte der 90er Jahre in der vor Vertragsschluss bestehenden typischen Informationsasymmetrie zwischen dem Franchise-Geber und dem Franchise-Nehmer, die sich zumeist zulasten des Franchise-Nehmers auswirkte. Insofern wurde es als wesentlich erachtet, diese Informationsasymmetrie in Bezug auf wesentliche Aspekte des Franchiseverhältnisses abzubauen und für eine vorvertragliche gegenseitige Information und Aufklärung zu sorgen. Hierdurch sollte der Franchise-Nehmer in die Lage versetzt werden, eine reflektierte Entscheidung zum Vertragsschluss unter Berücksichtigung der abschätzbaren Folgen zu treffen.
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Schon früh verlangten daher der Ehrenkodex des Europäischen Franchiseverbandes (European Code of Ethics of Franchising) bzw. der des Deutschen Franchiseverbandes von einem Franchise-Geber, dass der Franchise-Nehmer vor Vertragsschluss vollständig aufgeklärt wird. Hinzu traten die selbstverpflichtenden Richtlinien des Deutschen Franchiseverbandes zur vorvertraglichen Aufklärung, die zumindest für die Mitglieder des Deutschen Franchiseverbandes auch selbstverpflichtend wirkten.
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Parallel hierzu ergab sich auch die erste Rechtsprechung zum vorvertraglichen Umgang bei Anbahnung eines Franchisevertrages. Hier hat insbesondere das seither regelmäßig zitierte Urteil des OLG München vom 16.9.199310 besondere Bedeutung erlangt, welches bestimmte, dass der Franchise-Geber den Franchise-Nehmer richtig und vollständig mit Aufnahme der Vertragsverhandlungen und vor Abschluss des Vertrages über die Rentabilität des Systems vollständig, wahrheitsgemäß und unmissverständlich zu unterrichten habe11 und sich der Franchise-Geber nach §§ 311 Abs. 2 Nr. 1, 241 Abs. 2, 280 Abs. 1 BGB (früher: culpa in contrahendo) schadensersatzpflichtig mache, wenn er gegen diese Aufklärungsverpflichtung verstoße. Ferner, dass der Franchise-Geber, der wegen der vorvertraglichen Aufklärungspflichtverletzung schadensersatzpflichtig werde, dem Franchise-Nehmer nicht entgegenhalten könne, dass dieser leichtfertig auf die Anpreisungen des Franchise-Gebers vertraut habe.
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Dies