bb) Strafrechtliche Sanktionen
57
Neben den zivilrechtlichen Möglichkeiten ordnet Art. R 330-2 Code de Commerce bei Verstößen gegen die Informationspflicht aus Art. R 330-1 Code de Commerce strafrechtliche Sanktionen an. Dabei ist die Höhe der Strafe davon abhängig, ob der Franchise-Geber als Ersttäter (Bußgeld bis zu 1.500 EUR) oder Wiederholungstäter (Bußgeld bis zu 3.000 EUR) handelt (vgl. Art. 131-13 Code Pénal). Außerdem ist es nicht ausgeschlossen, dass der Franchise-Geber im Wiederholungsfall aus dem Straftatbestand des Betrugs (Art. R 313-1 Code Pénal) sanktioniert wird, weil seine Handlung jetzt als vorsätzliche Zuwiderhandlung gewertet wird. Außerdem ließe sich das Vorgehen als „irreführende Werbung“ einstufen, welche ebenfalls Bußgelder nach sich zöge.58
h) Beteiligung von Dritten
58
Eine Beteiligung von Dritten ist in Frankreich nicht vorgesehen.
3. Rechtswissenschaftliche Analyse
a) Gesetzeszweck
59
Zweck des Gesetzes war es, der Öffentlichkeit das Vertrauen in die Franchisesysteme zu erhalten, die Interessen aller Franchise-Geber und aller betroffenen Unternehmen zu schützen und die künftigen Franchise-Nehmer – als die vermeintlich schwächere Partei – bei ihrer Entscheidungsfindung durch den vorvertraglichen Informationsmechanismus zu unterstützen. Dieses Ziel, welches das Loi Doubin selbst aufführt, wurde allerdings nur teilweise erreicht. Die Absicht, ein Gleichgewicht der Kräfte zu schaffen, wurde durch neue Probleme überschattet. So leiden nach allgemeinem Dafürhalten59 die Regelungen zur Informations- und Aufklärungspflicht unter Ungenauigkeiten oder unglücklichen Formulierungen, die ihrerseits zahlreiche neue Rechtsstreitigkeiten begründeten60 und damit das „Mehr“ an Aufklärung auf der anderen Seite wieder konterkarieren.
60
Einige Bestimmungen über die Informationsinhalte werden allgemein als verständlich angesehen. Andere wiederum bringen hinsichtlich ihrer Interpretation Schwierigkeiten für die Parteien mit sich und haben in der Vergangenheit sogar schwerwiegende Probleme aufgeworfen. So blieb z.B. unklar, was unter den für ein Warenzeichen „spezifischen Informationen“, die der Händler vorzunehmen hat, zu verstehen ist. Ferner war ungeklärt, wie sich das Erfordernis, Informationen über „den generellen und örtlichen Marktzustand für die Produkte oder Dienstleistungen, die Vertragsgegenstand sind, und die Entwicklungsaussichten für diesen Markt“ zur Verfügung zu stellen, inhaltlich ausgestaltet. Missverständlich ist insoweit, was der Gesetzgeber mit dieser Umschreibung überhaupt vom Franchise-Geber einfordert. Ob damit z.B. eine allgemeine oder eine lokale Marktstudie gemeint ist und welchen Gehalt und Umfang sie letztlich haben muss. Schon diese wenigen Beispiele61 veranschaulichen bereits, dass die Rechtsprechung in unzähligen Urteilen in den letzten Jahren aufgefordert war, die Inhalte der gesetzlich verankerten Informations- und Aufklärungspflichten im Interesse der Vertragsparteien zu konkretisieren. Dabei ist ferner feststellbar, dass sich die Anzahl der Urteile der obersten Gerichte in den vergangenen Jahren durchaus gleichmäßig verteilt, also kontinuierlich Fragen auftauchen, die einer gerichtlichen Klärung zugeführt werden müssen.
b) Rechtsprechungsanalyse
61
Zur Beurteilung der französischen Vorschriften zum Franchise-Recht kann eine detaillierte Analyse der hierzu ergangenen Rechtsprechung hilfreich sein.62 Dabei soll sich die Darstellung an den Informations- und Aufklärungspflichten aus Art. R 330-1 Code de Commerce anlehnen, weil die Rechtsstreitigkeiten zumeist daran anknüpfen.63
aa) Analyse der Rechtsstreitigkeiten
(1) Umfang der Aufklärung bei Vorkenntnissen des Franchise-Nehmers
62
Die französischen Gerichte mussten sich bereits vor Inkrafttreten des Loi Doubin (und auch danach) damit befassen, ob Vorkenntnisse des potenziellen Franchise-Nehmers den Umfang der vorvertraglichen Aufklärung beeinflussen können. Die französischen Gerichte gehen davon aus, dass sich Vorkenntnisse des Franchise-Nehmers auf den Umfang der Aufklärungspflichten auswirken können und folglich eine Täuschung bei entsprechenden Vorkenntnissen des Franchise-Nehmers (z.B. wegen besonderer Berufskenntnisse) nicht mehr zwingend angenommen werden kann.64 Dies gilt selbst dann, wenn Mitarbeiter des potenziellen Franchise-Nehmers über besondere Kenntnisse verfügen; sie werden dem Franchise-Nehmer ggf. zugerechnet.65 Bei Nichtvorliegen der Täuschung ist eine Nichtigerklärung des Franchisevertrags aufgrund mangelnder Aufklärung zu einem späteren Zeitpunkt ausgeschlossen.
63
Dass diese Rechtsprechung eine gewisse Kontinuität besitzt, zeigen auch sechs Urteile, die der Cour de Cassation am 5.1.2016 fällte.66 Danach befreit die gute Kenntnis des örtlichen Marktes seitens des Franchise-Nehmers den Franchise-Geber zunächst nicht von seiner Verpflichtung zur Aufklärung, insbesondere wenn er als Einziger Informationen hinsichtlich der Ertrags- und Wettbewerbsfähigkeit seines Konzeptes und seiner Produkte auf dem örtlichen Markt besitzt. Die zugrunde liegenden Sachverhalte sind relativ ähnlich: Ehemalige Franchise-Nehmer forderten vom Franchise-Geber Schadensersatz. Sie machten eine Verletzung der Verpflichtung zur Übergabe von Informationen zur örtlichen Marktsituation geltend oder hoben die Mangelhaftigkeit dieser Informationsübergabe (wenig Details, veraltete Angaben, keine Entwicklungsperspektiven) hervor. In allen sechs Fällen hatten die mit der Sache befassten Richter die Klagen der Franchise-Nehmer verworfen. Dies wurde am 19.2.2014 vom Cour d’appell Paris bestätigt. Die Richter waren der Ansicht, dass die Kenntnisse der Franchise-Nehmer bezüglich der örtlichen Marktsituation „ausreichend“ waren, insbesondere in Anbetracht ihrer beruflichen Laufbahn. Daraus folgerten sie, dass das Ausbleiben oder die mangelhafte Beschreibung der örtlichen Marktsituation für die Franchise-Nehmer nicht entscheidend gewesen sein konnte. Der Cour de Cassation ist mit dieser Ansicht nicht einverstanden und erklärt, dass nichts vermuten lasse, dass die Erfahrung der Franchise-Nehmer genüge, um die örtliche Marktsituation einzuschätzen oder um zu beurteilen, ob dieser Markt imstande war, eine neue, Kredit und Versicherung kombinierende Tätigkeit zu integrieren, die auch noch aus einem völlig neuen Konzept entstanden war. Den Richtern war hier insbesondere unklar, „inwiefern die im alleinigen Sektor der Versicherungen gesammelte Erfahrung des Franchise-Nehmers hätte ausreichen sollen, um die örtliche Marktsituation eines innovativen Konzeptes, das Kredit und Versicherung kombiniert, beurteilen zu können“. Auch wenn der Gerichtshof die Vorkenntnisse der Franchise-Nehmer nicht für gegeben erachtet, erinnert er doch daran, dass die Folgen einer Verletzung der vorvertraglichen Informationspflicht sich auch nach dem jeweiligen Profil des Franchise-Nehmers unterscheiden können.
(2) Nichtigkeit aufgrund der Unvollständigkeit des Informationsdokuments (DDI)
64
Entsprechen die übergebenen Informationen nicht den Vorgaben der gesetzlichen Bestimmungen über den Inhalt des DDI, so kann – wie bereits aufgezeigt wurde67 – der Vertrag für nichtig erklärt werden. Dabei besitzen die abgeforderten Informationen scheinbar nicht dieselbe Gewichtung.68 Während einige Informationen im Gesamtkontext verzichtbar zu sein scheinen, rechtfertigen andere stets die Nichtigerklärung. Letzteres gilt insbesondere für die Nichtmitteilung der Informationen über den Systemumfang,69 die Entwicklung und Rentabilität des Franchisesystems70 sowie den Gebietsumfang/-schutz. Begründet wird dies seitens der Gerichte damit, dass diese Angaben die Entscheidungsfindung des Franchise-Nehmers gravierend beeinflussen.
(3) Informationen zum Franchise-Geber
65