Ihr Debüt gaben The Roosters als Pausenfüller im Oxford University Jazz Club und setzten ihre erste Gage in Höhe von fünf Pfund gleich in Getränke um. Ein Gig führte sie bis in das Seebad Brighton, wo sie in Uncle Bonnie’s Chinese Jazz Club auftraten. Eine Gruppe betrunkener französischer Studenten forderte dort mit lautstarken Zwischenrufen immer wieder, die Band solle endlich »Hot Jazz« spielen. Schließlich wurde es dem Sänger Terry Brennan zu bunt: Er sprang mitten in die randalierende Gruppe hinein, was zu einer wüsten Schlägerei führte. Der Auftritt war damit zu Ende. Dabei hatte sich Eric gerade erst die beiden Blues-Originals »I Love The Woman« und »Hideaway« seines neuen Heroes Freddie King eingeübt, des jüngsten Mitglieds der Three Kings of Electric Blues neben B. B. und Albert. Als er zum ersten Mal King hörte, fühlte sich das für Clapton »wie die Begegnung mit einem Außerirdischen« an. Vor allem war er von der Aggressivität, Schärfe und der Kraft in den sparsamen King-Soli beeindruckt.
Unterm Strich probten die Roosters häufiger als sie auftraten. Eric genoss sichtlich die wenigen Gelegenheiten, mit einer Band vor engagiertem Publikum zu spielen. Sein Freund, der Pianist Ben Palmer, war da ganz anderer Ansicht und gestand schließlich seinen Kumpels, wie wenig Spaß ihm die Live-Konzerte eigentlich machten. Er verließ die Band, und auch Erics Gastspiel währte nur sechs Monate: Im August löste sich das Quintett schon wieder auf. Palmer zeigte sich dennoch von Claptons gitarristischen Fähigkeiten tief beeindruckt:
Ich merkte sofort, dass sich Eric in seinen Soli nicht darum kümmerte, wie lange sie dauerten. Er spielte einfach immer weiter, bis man ihn irgendwann stoppen musste. Er besaß ein für sein Alter ganz erstaunliches Gefühl für Dynamik.
Einen Monat nach Auflösung der Roosters hörte McGuiness zufällig in einer Kneipe, dass jemand aus Liverpool, Casey Jones, eine Begleit-Band suche. Jones, der mit bürgerlichem Namen Brian Casser hieß, galt als eine führende Stimme des Merseybeat-Booms der frühen Sechziger und hatte sogar einen Plattenvertrag bei Columbia Records ergattert. Um die Debütsingle »One Way Ticket« / »I’m Gonna Love« von Casey Jones & The Engineers (der Name spielt auf die beliebte Geschichte des amerikanischen Lokführers Casey Jones an) live zu promoten, brauchte er Mitmusiker: Von seinen Engineers waren nur der Drummer Ray Stock und der Bassist Dave McCumiskey übrig geblieben. Als Stock dann eines Abends zufällig Clapton in Soho begegnete und die Bemerkung fallen ließ, Casey Jones suche händeringend zwei Gitarristen, um endlich auf Tour gehen zu können, bekundete Eric sofort sein Interesse – allerdings unter der Bedingung, dass er seinen Ex-Roosters-Kumpel McGuiness mitbringen könnte. Nach einer kurzen Probe wurden beide von Jones engagiert. Doch schnell entpuppte sich das ganze Projekt als großes Missverständnis: Jones war ein Show-Typ, der auf der Bühne gern den Clown gab. Außerdem drehte er seine schrille Stimme immer bis zum Anschlag auf und war nicht gerade intonationssicher. Das Fass zum Überlaufen brachte schließlich ein Konzert in der Kings Hall in Manchester, wo Jones von der Band verlangte, sich mit Papp-Kappen der amerikanischen Südstaaten-Armee zu verkleiden. In einem Albtraum sah sich Eric schon als Kabarett-Nummer verheizt und wandte sich nach nur sieben Monaten von der Band ab. Frustriert kehrte er nach Ripley zurück.
II. Baby What’s Wrong – Zwischen Nachahmung und Neuerfindung
»Wie wichtig wird ein ›heulender Wolf‹, wenn man in einer hässlichen Vorstadt wie Surbiton aufgewachsen ist?« Chris Dreja erinnert sich der geheimnisvollen Aura, die für die britischen Jungs anfangs alle Blues-Musiker umgab. Seltsam klingende Pseudonyme wie ›Howlin’ Wolf‹, ›Lightnin’ Slim‹ oder ›T-Bone Walker‹ befeuerten die Fantasie britischer Blues-Verfechter und halfen ihnen, den grauen Alltag hinter sich zu lassen und sich in eine Welt gefährlicher Versprechen hineinzuträumen. In geduckten Vorortsiedlungen aus rotem Backstein und qualmenden Kaminen im Süden von London, in der Nähe des lärmigen London Airport (später Heathrow), der vielbefahrenen Autobahn A3, wo die Ufer der Themse von Schlammbänken gesäumt sind und die permanent ratternden Züge nach Waterloo Station die Nachtruhe stören: In dieser trostlosen Gegend liegen die Wurzeln der Yardbirds.
Der älteste Yardbird, Keith Relf, wurde 1943 in Richmond, in der Grafschaft Surrey geboren. Auch der zwei Jahre jüngere Chris Dreja wuchs im Südwesten Londons auf. Durch seinen Bruder Stefan lernte er Anthony ›Top‹ Topham kennen. Zusammen verbrachten die beiden Freunde Tage und Nächte damit, sich durch die vielen raren Import-Blues-Platten zu hören, die Mr. Topham Senior zusammengetragen hatte. Vom Studieren bis zum Nachspielen war es nicht weit, und so machten sich die beiden Hobby-Gitarristen auf die Suche nach einem Schlagzeuger und einem Mundharmonika-Spieler. Irgendwann schlug jemand Jim McCarty als Drummer vor, der wiederum mit Paul Samwell-Smith und Keith Relf gut bekannt war, die damals beide im Metropolitan Blues Quartet spielten. Also raufte man sich Mitte 1963 »zu einer All-Electric-Band« zusammen, so Dreja. Ihr Repertoire bestand aus Coverversionen, am wichtigsten vielleicht Howlin’ Wolfs »Smokestack Lightnin’«, eine Hommage an die Kraft der Dampflokomotive. Der Song wurde in Birmingham ebenso verstanden wie in Chicago: ihre Dampfpfeife und ihre mächtigen rotierenden Räder versprachen Bewegung. Schon bald entwickelte sich der Sänger Keith Relf trotz angeborener Asthma-Erkrankung zu einem stilsicheren Mundharmonika-Spieler. Daran änderten auch die mehr als 40 Zigaretten nichts, die er täglich rauchte.
The Yardbirds – Vom Hobby zum Beruf
Richtig in Schwung kam die Band, als im September 1963 der umtriebige Impresario Giorgio Gomelsky auf sie aufmerksam wurde. Der 29-jährige Georgier mit Schweizer Pass war eigentlich als Experimentalfilmer nach London gekommen. Doch seine Leidenschaft für Blues und Jazz hatte ihn schließlich dazu verleitet, ganz in der Nähe der Kingston High School den Crawdaddy Club zu eröffnen. Benannt hatte Gomelsky ihn nach dem Bo-Diddley-Song »Doing The Craw-Daddy«, den die frühen Rolling Stones in ihr Repertoire aufgenommen hatten. Die Stones waren seine erste Hausband in dem angesagten Blues-Treffpunkt. Doch als ihm diese Entdeckung durch eine Intrige des noch unerfahrenen, aber nicht minder skrupellosen Jung-Managers Andrew Loog Oldham durch die Lappen ging – als Gomelsky zur Beerdigung seines Vaters in die Schweiz gereist war, zog Oldham die Stones mit neuem, attraktiveren Vertrag auf seine Seite –, musste Gomelsky sich unverzüglich auf die Suche nach Ersatz machen. Er fand ihn im erweiterten Metropolitan Blues Quintet von Relf & Co.
Wanderarbeiter (Hobos) während der Great Depression auf dem Weg nach Kalifornien
Öffentlichkeitswirksam ersetzte man zunächst den biederen Bandnamen durch den exotischeren Ausdruck The Yardbirds. Der Schriftsteller Jack Kerouac aus der Beat-Generation hatte den Ausdruck für jene Hobos geprägt, die in den USA ihre kostenlosen Mitfahrgelegenheiten auf Güterzügen häufig von ›rail yards‹ aus organisierten. Daneben steht das Wort auch für jene »Knastbrüder«, die am liebsten auf dem Gefängnishof herumhängen. Gute Gründe also für eine von Sehnsucht nach Ursprünglichkeit getriebene britische Band, sich umzutaufen. Doch je mehr sich die anfängliche Hobby-Truppe professionalisierte, umso schwieriger wurde es für ihr erst 15 Jahre altes Gründungsmitglied ›Top‹ Topham. Seine Eltern machten ihm gewaltig Druck, die Band zu verlassen. Als Sohn des renommierten Malers John Topham solle er sich lieber auf seine Ausbildung am Epsom Art College konzentrieren, anstatt sich mit Möchtegern-Blues-Musikern die Nächte um die Ohren zu schlagen.
Als die Band von Tophams Problemen Wind bekam und Relf auf einer Party Eric Clapton über den Weg lief, änderten sich die Dinge schlagartig. Obwohl Clapton nach seinen ernüchternden Erfahrungen mit Casey Jones zunächst zögerte, sich wieder einer Gruppe anzuschließen, nahm er schließlich Relfs Einladung an, bei den Yardbirds einzusteigen.