Larry war klar, was getan werden musste: Den Terroristen das Leben schwerer machen, indem man die unzähligen nationalen Datenbanken in einer einzigen Datenbank zusammenfasste, die eine Liste der Namen von Personen beinhaltete, die eine Gefahr für die nationale Sicherheit darstellten. Neben dieser einen übergreifenden Datenbank mit einer Überwachungsliste für Terroristen müssten die Dienste des Landes das Fälschen von Ausweisen, Führerscheinen, Pilotenscheinen und Pässen deutlich erschweren. In einem im »Wall Street Journal« veröffentlichten Kommentar forderte Larry die Einrichtung einer zentralen Datenbank – anstatt 50 verschiedener – mit Zugang für alle Dienste und bessere Ausweise. »Wir sollten uns unsere bestehenden Ausweise genau ansehen und sie fälschungssicherer gestalten«, schrieb er, »nachdem wir das getan haben, sollten wir eine zentrale Datenbank einrichten, mit deren Hilfe wir die Spuren von Ausländern verfolgen können, die in dieses Land kommen.« Er sagte, es sei an der Zeit, die Datenbanken der Regierung wie etwa die der Sozialversicherungsbehörde und der Strafverfolgungsbehörden in einer nationalen Zentraldatenbank zusammenzuführen. Diese würde von der Regierung verwaltet und betrieben werden.
Oracle würde die Software dafür bereitstellen. Kostenlos.
Noch nie hatte Larry so viel zu tun gehabt. Zusätzlich zu den Bemühungen um die Stärkung des nationalen Sicherheitssystems stand er auch vor der Herausforderung, Oracle zu sanieren. Wie viele andere Großunternehmen hatte auch Oracle infolge der Terror anschläge einen gewaltigen finanziellen Schlag erlitten. Als die Börsen am 17. September nach ihrer längsten Schließung seit der Weltwirtschaftskrise wieder geöffnet wurden, war der Dow-Jones-Aktienindex um 684 Punkte gesunken – es war der größte Punktverlust seiner Geschichte. Die Oracle-Aktien waren ebenso betroffen wie der gesamte Technologiesektor. Ihr Börsenwert lag nun bei zehn US-Dollar im Vergleich zum Vorjahreswert von 38 Dollar. Oracles Vierteljahresbericht, der vor Wiedereröffnung der Börsen veröffentlicht worden war, las sich kurz und bündig: Im ersten Vierteljahr konnte ein Nettogewinn von 511 Millionen Dollar bei einem Umsatz von 2,2 Milliarden Dollar erzielt werden. Der Gewinn pro Aktie war im Vergleich zu acht Cent im ersten Vierteljahr 2000 auf neun Cent angestiegen.
Das Unternehmens-Statement zu den Gewinnen lautete: »Infolge der Terroristenangriffe gegen die Vereinigten Staaten von Amerika veröffentlicht die Oracle Corporation ihre Q1-Vierteljahresbilanz ohne Kommentar und Einzelheiten. Sieben Oracle-Mitarbeiter werden im World Trade Center vermisst, einer starb auf dem United-Flug Nummer 93. Unsere Herzen und Gedanken sind bei den Familien, die ihre Angehörigen verloren haben. Wir beten dafür, dass noch weitere Überlebende gefunden werden. Wir konzentrieren unsere Anstrengungen und Energie nun darauf, den staatlichen Organen wie der Sozialhilfebehörde, dem Verwaltungsgericht, den Geheimdiensten und dem Militär im Umgang mit diesem nationalen Notfall zu helfen. Unsere Leute, unsere Computer und unsere Einrichtungen erhalten neue Aufgaben und werden die Behörden dabei unterstützen, ihren durch die Angriffe unterbrochenen Betrieb wieder aufzunehmen.«
Larry flog zu Meetings mit den wichtigsten Sicherheitsleuten des Landes nach Washington, traf dort unter anderem den FBI-Chef Robert Mueller, den CIA-Leiter George Tenet und auch die kalifornische Senatorin Dianne Feinstein, stellvertretende Leiterin des Geheimdienstausschusses. Zuerst galt es, die steinalten Computersysteme des FBI zu modernisieren, die im Vergleich zu der modernen Oracle-Technologie der CIA ziemlich blass aussahen. Larry stellte in jedem Gespräch und in jedem Interview immer wieder klar, dass er nicht die Neuerfindung der nationalen Personalausweise forderte. Aber er schlug vor, auch bereits ausgestellten Ausweisen biometrische Daten hinzuzufügen und die bislang getrennten Datenbanksysteme von CIA, FBI, INS und IRS zu einer DatenbankÜberwachungsliste zusammenzuführen.
Nachdem er eines Nachts von einer Reise in die Hauptstadt zurückgekehrt war, griff Larry auf der Suche nach Zerstreuung nach seiner Gitarre. Das Spielen entspannte ihn nicht. Es lenkte ihn ab. Ihm gefiel das Üben und die damit verbundene Herausforderung, besser zu werden. Er hatte in den Anfängen zunächst Folk-Musik gespielt und dabei gedacht, dass die Gitarre sicher die Mädels beeindrucken würde. Doch dann hatte er sich auch mit Bach und Mozart beschäftigt und dabei Mozart als sehr viel schwieriger empfunden. Er las auch wieder mit Heißhunger. Unter den Büchern auf seinem Nachttisch fanden sich Titel wie »Fate is the Hunter: A Pilot’s Memoir« von Ernest K. Gann, »The Jordan Rules« von Sam Smith und William Manchesters mehrere Ausgaben umfassende Biografie von Winston Churchill. Nach dem 11. September dachte Larry öfter darüber nach, wie es gewesen sein musste, im England der frühen 1940er-Jahre gelebt zu haben, in denen der unsichere Ausgang des Zweiten Weltkriegs Beziehungen zwischen Menschen größeres Gewicht verliehen und den Alltag kostbarer erscheinen lassen hatte.
Seine Prioritäten waren klar – der America’s Cup musste vorerst aufs Abstellgleis geschoben werden. Es gab auch weniger Zeit für einige andere neue Spielzeuge, die schon seit geraumer Zeit in Arbeit waren: ein 35-Millionen-US-Dollar-Düsenjet und eine 456 Fuß lange Yacht mit der Länge von eineinhalb Football-Feldern. Die neue Yacht namens RISING SUN würde fünf Decks haben, ein Fitnessstudio, Spa, Sauna, Weinkeller, Privatkino und einen Basketballplatz. In der Zwischenzeit wurde sein neues Anwesen in Woodside entworfen und bebaut, das bis zur Fertigstellung etwa 100 Millionen US-Dollar kosten würde. Obwohl Larry nicht die Absicht hatte, diese Projekte in irgendeiner Weise zurückzufahren, nahm er sich doch vor, weniger Zeit mit Spielereien zu verbringen, die im Licht der jüngsten Ereignisse frivol erschienen. Dinge wie die Familienferien auf den Britischen Jungferninseln, wo er so gern surfte, würden warten müssen.
In den Wochen nach dem 11. September sprach Larry immer wieder auch mit Bill Erkelens. Oracle Racings Trainingslager war nach den Angriffen für zwei Tage geschlossen worden. Das Team bereitete sich auf den Umzug in sein dauerhaftes Quartier in Auckland vor, und Erkelens war frustriert darüber, dass Larry, der seine Steuermann-Ambitionen deutlich gemacht hatte, bislang nur ein einziges Mal ins Trainingslager nach Ventura gekommen war. Die Flugzeit vom Airport San Carlos, wo einige von Larrys Flugzeugen standen, betrug nach Ventura nur eine Stunde. Angesichts dessen fragte Erkelens sich, wie er Larry jemals zum sehr viel weiteren Weg nach Neuseeland bewegen könnte. Als das Syndikat gegründet worden war, sollte Larry die Rolle des CEO übernehmen, Erkelens die des leitenden Geschäftsführers. Zurzeit aber erledigte Erkelens beide Jobs, weil Larry einfach nicht vor Ort war. Es war klar, dass er seine Gedanken woanders hatte. Die Ereignisse des 11. September hatten Larry einen neuen Feind beschert. Einen, der nicht an Regatten teilnahm.
Um immer auf der sicheren Seite zu sein, konnte Larry einfach nicht mit dem Arbeiten aufhören, wenn er sich auch nur im Entferntesten dem Risiko eines Misserfolgs ausgesetzt sah. Wie die meisten Überflieger war er dabei weniger von der Aussicht auf Erfolg als vielmehr von der Angst vor dem Versagen getrieben. Er hatte Oracle nicht aufgebaut, um reicher als Bill Gates zu werden. Stattdessen ging es immer darum, dass Oracle Microsoft besiegte. Er war Teil des Oracle-Teams und wollte, dass sein Team jeden Rivalen schlug.
Zu den Dingen, die Larry nach dem 11. September wichtiger wurden, so sagte er zu Erkelens, zählte eine bestimmte Nummer für seine zweite America’s-Cup-Yacht. Die erste war ihnen mit »USA-71« bereits zugeteilt worden.
»Wir müssen sicherstellen, dass wir die 76 für das zweite Boot bekommen«, sagte Larry, »ich will, dass es die USA-76 wird.« Bootsnummern werden üblicherweise in numerischer Reihenfolge vergeben, doch es war einem Team möglich, sich in Zusammenarbeit mit dem Vermesser um eine bevorzugte Nummer zu bemühen.
Larry sagte auch, dass er die amerikanische Flagge auf sämtliche Crew-Bekleidung aufbringen wolle.
»Dürfen wir das denn?«, fragte Erkelens.
»Natürlich