4.3Was geschieht während der Meditation?
4.4Wie ich dem Leidvollen in der Meditation begegne, damit Wandlung geschehen kann
4.6Was den Heilungsweg blockieren kann
IV.Was die kontemplative Lebensweise stärkt
Vorwort
Heute wird das Leben immer schneller und wir leben immer hektischer. Die Kirche steht vor der Aufgabe, die Menschen in ihrer Sehnsucht ernst zu nehmen und heilsame Wege aufzuzeigen, wie sie in der Zerrissenheit der äußeren Welt zu sich selbst und zu ihrem Schöpfer finden können.
Der kontemplative Weg kann uns immer wieder zu unserer Mitte führen, wo Einfachheit wohnt, wo Friede herrscht und die Liebe entspringt. Er ist ein Verwandlungsweg, der den Menschen zu seiner eigenen Tiefe führt. Es geht um die Begegnung mit sich selbst und die Begegnung mit dem Geheimnis, dass Gott den Menschen liebt, so wie er ist.
Karin Seethaler beschreibt diesen schlichten Weg der Kontemplation in einer leicht verständlichen Sprache. Die Missverständnisse, die auftreten können, werden beleuchtet und die segensreichen Auswirkungen veranschaulicht. Sie führt sehr passend viele Weisheiten von großen Menschen der Weltliteratur an. Es ist ein empfehlenswertes Buch für Menschen, die den kontemplativen Weg gehen, und für jene, die auf der Suche sind.
Franz Jalics
Annäherung an das Thema
Uns traf mehr als ein gewöhnlicher Verlust: „Wir verloren unseren Weg.“
(T. S. Eliot)
Dieser Satz berührt mich auf eigentümliche Weise. Wahrscheinlich weil er meine Erfahrung auf der Suche nach dem richtigen Weg so schlicht und doch so treffend zum Ausdruck bringt. Mit dem Verlust des Weges meine ich hier keinen äußeren, sichtbaren Weg, sondern vielmehr den inneren Weg. Viele Jahre ging ich mit einer inneren Orientierungslosigkeit durchs Leben, auch wenn äußerlich alles in Ordnung zu sein schien. Trotz meiner Bemühungen, im Glauben Halt zu finden, war ich von einer inneren Unrast getrieben. Widersprüchliche und schwankende Gefühle machten mir zu schaffen. Es fehlte mir der innere Kompass, der mir zu zeigen vermochte, wie ich den Schwierigkeiten des Lebens begegnen könnte. Mein guter Wille sowie meine guten Vorsätze, christlich zu leben, wurden durch Konflikte und Schwierigkeiten am Arbeitsplatz, in der Familie oder im Freundeskreis schnell erschüttert und brachten den Boden unter meinen Füßen immer wieder ins Wanken. Da ich davon ausging, dass religiöse Gefühle der Gradmesser eines lebendigen Glaubens seien, überkamen mich Glaubenszweifel und eine gewisse Resignation, als mich z. B. religiöse Texte nicht mehr wirklich berührten. Ich schlitterte in eine Glaubenskrise.
Die Wende kam mit meinen ersten kontemplativen Exerzitien. Hier lernte ich die christliche Meditation kennen, die mich durch ihre Einfachheit und Unmittelbarkeit faszinierte. Ganz herzlich möchte ich an dieser Stelle Pater Franz Jalics SJ dafür danken, dass er mir diesen inneren Weg gezeigt und mich auf ihm begleitet hat. Inzwischen sind mehr als 25 Jahre vergangen und seit vielen Jahren begleite ich nun selbst Menschen auf dem kontemplativen Weg. Es gibt meinem Leben einen tiefen Sinn, die Gebetsweise, die mir im eigenen Leben Halt und Orientierung ist, weiterzugeben und dabei immer wieder neu zu erfahren, wie Gott in der Stille heilend wirkt.
Viele Menschen sind heute auf der Suche nach spirituellen Erfahrungen. Jedoch sind es nicht mehr Traditionen und Belehrungen, die die Menschen an eine Religion binden, sondern persönliche Erfahrungen, die überzeugen. Der große Theologe Karl Rahner gab folgende Prognose für die Christen ab: „Der Fromme von morgen wird ein Mystiker sein, einer, der etwas erfahren hat, oder er wird nicht mehr sein.“ Um Erfahrungen machen zu können, die überzeugen, braucht es eine Orientierung – das Aufzeigen eines konkreten Weges, der heute im Alltag der Menschen zeitgemäß gelebt werden kann. Kirchennahe wie Kirchenferne suchen diese Anleitungen oft in den östlichen Religionen. Der Schatz der kontemplativen Tradition des Christentums bleibt hingegen oft unerkannt. Mit diesem Buch möchte ich ihn und seine in ihm liegende heilende Kraft ans Licht heben.
In meinen Ausführungen werde ich zunächst auf Begrifflichkeiten eingehen, die Ursprünge der christlichen Meditationsweise aufzeigen und schließlich auf die konkrete Meditationspraxis eingehen. Unser Lebensgefühl ist heute oftmals von der Tendenz geprägt, möglichst schnell und zügig voranzukommen. In den Meditationskursen mache ich die Erfahrung, dass sich dieses Bestreben auch in der Meditation zeigt. Hier kann und muss der Mensch jedoch nichts beschleunigen. Im Gegenteil, überspringt man hier kleine, aber wesentliche Schritte, um möglichst schnell zum „Eigentlichen“ zu kommen, gerät der meditative Weg ins Stocken. Es ist mir deshalb ein Anliegen, in kleinen konkreten Schritten zu beschreiben, wie man in die Grundhaltungen der Kontemplation hineinfinden kann. Mit diesen eingenommenen Haltungen öffnet sich der Mensch für die Kraft der Kontemplation. Die heilenden Auswirkungen beschreibe ich abschließend zu jedem Kapitel. Die Grundhaltungen sind jedoch nicht isoliert voneinander zu sehen. Sie bauen aufeinander auf, greifen ineinander über und ergänzen sich.
In der Begleitung vieler Menschen bin ich aber auch hellhörig für verdeckte Schwierigkeiten geworden, die die Kraft der Meditation blockieren können. Was in der Stille geschieht und wie sich der Mensch innerlich während der Meditation verhält, ist äußerlich nicht ersichtlich. Die Gefahr ist gegeben, dass man sich während der Meditation im Gestrüpp von Gedanken, Vorstellungen und inneren Bildern verliert und dass man letztlich nur um sich selbst kreist. Die beschriebenen Missverständnisse mögen dazu beitragen, diese Stolpersteine auf dem meditativen Weg zu erkennen, sie zu umgehen und so zu einer klaren Orientierung zu finden. Abschließend gebe ich Hinweise, was für die kontemplative Lebensweise stärkend wirkt.
1.Begrifflichkeiten
1.1Kontemplation
Kontemplation ist ja nichts anderes als ein geheimes, friedliches und liebendes Einströmen Gottes.
(Johannes vom Kreuz)
Kontemplation ist die Bezeichnung für den christlichmystischen Weg. Unter Mystik ist die angestrebte Vereinigung mit dem göttlichen Sein („unio mystica“) gemeint, die sich auf diesem Weg nicht über verstandesmäßige Erkenntnisse, sondern über innere Erfahrungen und das unmittelbare Erleben erschließt. Kontemplation wird als ein Geschenk Gottes betrachtet, über das der Mensch weder bestimmen noch verfügen kann. In einer Haltung des Geschehen-Lassens und des Auf-sich-wirken-Lassens nimmt er auf, was ist, und lässt dabei Wille, Verstand und Gefühl zur Ruhe