Schöne Ungeheuer. Wilfried Steiner. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Wilfried Steiner
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783701362929
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      Wilfried Steiner

      SCHÖNE UNGEHEUER

      Roman

      OTTO MÜLLER VERLAG

      Die Drucklegung dieses Buches wurde gefördert vom Land Oberösterreich sowie von Stadt und Land Salzburg.

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       www.omvs.at

      ISBN 978-3-7013-1292-4

      eISBN 978-3-7013-6292-9

      © 2022 OTTO MÜLLER VERLAG SALZBURG-WIEN

      Alle Rechte vorbehalten

      Satz: Media Design: Rizner.at

      Druck und Bindung: Finidr s.r.o., Český Tĕšín

      Covergestaltung: Leopold Fellinger

      Covermotiv (Detektor CMS des Large Hadron Collider am CERN):

      Wilfried Steiner

      Das Firmament klafft entzwei, glühendes Rot sickert durch den Spalt. Ein hohes Pfeifen erfüllt die Luft, für menschliche Ohren kaum zu ertragen. Schlagartig wird es so heiß, dass manche Hirten sich die Kleider vom Leib reißen, weil sie denken, sie würden brennen. Eine von überirdischen Scheinwerfern erhellte Nacht, eine Flut aus lodernder Atmosphäre. Zwischen den versengten Fußsohlen schwappt die Hölle herauf.

      Inhalt

       ERSTER TEIL: HIMMEL IN FLAMMEN

       EINS

       ZWEI

       DREI

       VIER

       FÜNF

       SECHS

       SIEBEN

       ACHT

       NEUN

       ZEHN

       ZWEITER TEIL: DIE WELTMASCHINE

       EINS

       ZWEI

       DREI

       VIER

       FÜNF

       SECHS

       SIEBEN

       DRITTER TEIL: DAS GESCHÖPF

       EINS

       ZWEI

       DREI

       VIER

       FÜNF

       SECHS

       VIERTER TEIL: WÖLFE IM GOTTESDIENST

       EINS

       ZWEI

       DREI

       VIER

       FÜNF

ERSTER TEIL

      EINS

      Ich war noch niemals in Sibirien.

      Nun kann sich diese Gegend, was ihre Attraktivität betrifft, natürlich nicht mit New York messen, und die meisten Menschen, die das Land noch nie betreten haben, werden es auch nicht besonders vermissen.

      Doch in meinem Fall ist das anders.

      Jemand, der sich seit Jahren, wenn nicht Jahrzehnten, mit einem Ereignis an einem bestimmten Ort beschäftigt, sogar das Ziel (oder den Traum) hat, darüber ein Buch zu verfassen, sollte doch alles daransetzen, diesen Ort aufzusuchen. Noch dazu, wenn es ein Werk werden soll, das wissenschaftlichen Kriterien standhält. Dann müsste doch die Recherche an der Stätte des Geschehenen unverzichtbar sein, nein, mehr als das, der Verfasser müsste einen unstillbaren Drang verspüren, dorthin zu reisen.

      Aber nein.

      Nicht nur, dass mich schon der Gedanke an die tagelange Anreise zurückschrecken lässt, ganz zu schweigen von der Vorstellung, allein durch die menschenleere Tundra zu streifen – ich habe auch gleich eine schöne Rationalisierung parat: Es ist äußerst unwahrscheinlich, dass ausgerechnet ich dort etwas Neues herausfinden würde, nach all den professionellen Expeditionen der Vergangenheit. Das entbehrt nicht einer gewissen Logik. Doch dann höre ich meine innere Gegenstimme, und sie verkündet, dass mein geplantes Werk automatisch wertlos wäre, wenn ihm nicht bisher unbekannte, am Schauplatz entdeckte Erkenntnisse zugrunde lägen.

      Keine Reise, kein Buch. Die Lähmung ist vollkommen. Und dennoch sammle ich weiter Informationen, die Ordner türmen sich in jeder Ecke meines Arbeitszimmers, keine noch so abseitige Nachricht über mein Thema, die nicht fein säuberlich abgeheftet und zusätzlich in einer von Hunderten Word-Dateien gespeichert wäre.

      An Zeit mangelt es mir nicht. Ich arbeite beim Beobachter, einer mittelgroßen Wiener Zeitung, die jeden Tag aufs Neue an ihrem Anspruch scheitert, der österreichische Guardian zu werden. Dort hat man mir mit den Jahren eine gewisse Narrenfreiheit zugestanden. Mein Beruf wird mit einem von jenen zusammengesetzten Begriffen bezeichnet, deren erster Teil Erwartungen weckt, die der zweite nicht erfüllen kann. Wissenschaftsjournalist. Großer Auftakt, enttäuschender Abgang. Wie Theaterkritiker. Literaturredakteur. Oder Musiklehrerin. „Wenigstens“, pflegte Helga zu sagen, „kein Oxymoron wie katholische