Kettenwerk. Georgian J. Peters. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Georgian J. Peters
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783991075400
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hinter der nächsten Biegung ab.

      Dann war es still.

      Georgie war schon wieder zwischen den Gleisen, als sich die Erstarrung der Jungs allmählich löste. Er suchte das Geldstück. Schnell hatte er Glück. Er fand es auf einer Bohle, etwa zwei Meter weiter. „Hah!“, stieß er begeistert aus. „Es hat geklappt!“

      Triumphierend hielt er es hoch. „Seht her! Na los, kommt schon … Platt wie ’ne Briefmarke! Ist das nich’ scharf!“

      Nur zögerlich kamen sie näher, staksten den Steinwall hinauf. Holmi staunte nicht schlecht. „Das gibt’s doch nicht … Das Ding ist ja ganz lang geworden.“

      „Jetzt noch hier oben ein Loch durchbohren und das ist ’n super Anhänger.“

      „Das sieht ja echt stark aus“, entschied Ulli. „Hey, können wir nich’ noch’ne Weile hier bleiben und warten, bis die Nächste kommt? Dann mach’ ich mir auch so ’n Ding.“

      Er holte ein Fünfzigpfennigstück aus der Jacke: „Aber ich will einen Silbernen haben.“

      „Ich auch … ich hab’ zwei Groschen“, Tommi wühlte bereits in den Hosentaschen.

      Das Geldstück sah wirklich genial aus; es war mehrmals von den gewaltigen Eisenrädern überrollt worden. Durch die Reibungshitze zu einem ovalen Gebilde verformt, hatte es sich selbst kunstvoll in die Länge gezogen.

      „Hast du das schon öfter gemacht?“, fragte Matjes und spähte dabei besorgt hinüber zum Bahnhof.

      Tommi hakte sofort nach: „Ja, Mann, wie viele hast du denn schon?“

      „Nicht so viele“, antwortete Georgie gedankenversunken, dabei drehte er sich Holmi zu. Er gab ihn das Metallstück mit den Worten: „Aber ’ne Kette musst du dir selber besorgen.“

      „Oh, echt? Danke, Mann.“ Er hielt begeistert das Geldstück in die Höhe, wobei seine Augen zu funkeln begannen.

      Unterdessen entschied Georgie, nicht die nächste Bahn abzuwarten, da sie ein anderes Ziel hatten. Fast mürrisch drängte er: „Los, los … Wir dürfen keine Zeit verlieren … Die nächste Bahn kommt gleich aus der anderen Richtung.“ Dabei zeigte er auf all die Gleise vor ihnen: „Auf irgendwelchen Schienen hier!“

      „Och, Mann!“, gängelte ihn Ulli.

      „Quatsch nich’ … Steig’ lieber über die Stromschiene, aber ich sag’ Euch … seid vorsichtig.“

      Deutlich zeigte er auf den höhergelegenen Strang, ungefähr in Schienbeinhöhe, der mit einer stabilen Plastikschutzschicht versehen war. „Auf gar keinen Fall dürft Ihr sie berühren … Ist das klar?“

      Ohne sich der Gefahr wirklich bewusst zu sein, folgten sie ihm. Steine knirschten, was wie ein Dutzend galoppierende Pferde auf Kopfsteinpflaster klang.

      Je dichter sie der Mauer kamen, desto schwärzer und nebliger legte sich die milde Abendluft über sie.

      Als letzter setzte sich Tommi in Bewegung. Er sprang, stolperte und rannte den anderen hinterher. Und er war es auch, der mit dem Fuß eine der Stromschienen berührte; laut schrie er auf, verlor das Gleichgewicht dabei, fuchtelte mit den Armen, strauchelte und fiel rücklings gegen die Stromschiene.

      Abrupt drehten sich alle um. Wie aus einer Kehle schrien sie: „Tommiii … niiicht! Du darfst nicht …!“ Sofort war Georgie bei ihm, aber es war bereits zu spät. Gerade verwandelte sich das Summen in ein boshaftes Zischen.

      Noch ein angsterfüllter Aufschrei, dann sackte Tommi kraftlos zusammen. Sein massiger Körper kippte über die Stromschiene und zurück auf die andere Seite.

      Hart schlug er auf die Steine, während seine Beine noch über der Stromschiene baumelten. So blieb er liegen.

      „Oh, mein Gott! Komm’ schon, Tommi … Steh auf!“, schrie Holmi hysterisch und schlug die Hände über den Kopf. Auch Kahli blieb hilflos stehen. Matjes war sprachlos, lief jedoch ein paar Schritte zurück, um vor einer anderen Stromschiene stehenzubleiben.

      Immer wieder rief er nur Tommis Namen, während Georgie versuchte, seinen dicken Freund von der Stromschiene zu heben. Auch Ulli hatte die Situation sofort erfasst und kam zu Hilfe.

      Regungslos lag Tommi auf den Bohlen, doch Georgie bemerkte erleichtert, das Tommi noch atmete.

      „Da kann eigentlich nichts passiert sein“, keuchte Ulli, „Er hat die Gleise nicht berührt … Sieh’ doch!“ Er sah zu Georgie rüber: „Versteh’ doch … Er hat nur die beschissene Stromschiene berührt … und“, lachte Ulli hysterisch, „und … sich wohl grad ’n bisschen schlafen gelegt.“

      „Was soll das heißen, Mann?“, schrie Georgie. „Er atmet wirklich?“

      „Ja, klar! Er kann keinen Schlag bekommen haben, Mann!“, Ulli sprang über die Stromschiene und Georgie half, Tommis Beine hochzuheben.

      „Hee, Tommi“, sagte Georgie beinahe singend. „Mach’ keinen Ärger jetzt“, während er ihm mit der flachen Hand die Wangen tätschelte. „Wach wieder auf … Hey!“

      „Da ist schon nix passiert … Der ist wirklich nur bewusstlos“, diagnostizierte Ulli und mit einer tieferen Stimme fügte er hinzu: „Warte, der Wecker klingelt gleich.“

      „Trotzdem! Vielleicht hat er sich aber verletzt … Tommi, wach’ auf, Mann!“ Er versetzte ihm links und rechts leichte Ohrfeigen, doch Tommi blieb wie tot auf den Steinen liegen. Es war nicht die Bewusstlosigkeit, die Georgie beunruhigte, es war das Asthma, das Tommi in prekären Situationen überfallen konnte. Auch Ulli war ehrlich besorgt um seinen Freund, doch zeigte er das nicht so offen. Er sagte jetzt aber mit einem ernsten Unterton: „Das mit den Stromschienen hättest du vorhin nicht so sagen sollen … von wegen Aufpassen und so … die sind doch bestens isoliert.

      Keiner wird so blöd sein und sich auf eine Schiene stellen und dann versuchen, unter die Abdeckung der Stromschiene zu fassen … Wir jedenfalls nich’, Mann.“

      Jetzt gab er Tommi mit der flachen Hand einen mittelschweren Schlag auf die Wange: „Tommi, du Fettmolch … Wach’ auf … Wir wollen weiter!“ Keine Regung.

      Noch immer hielt er die Augen geschlossen, aber unter den Augenlidern zuckte und flackerte es jetzt stark.

      „Hee, was ist los? Sollen wir helfen?“, rief Holmi besorgt, der mit Matjes und Kahli ratlos in der Dunkelheit stand.

      „Lebt er noch?“, schickte Kahli unsicher hinterher.

      „Nein, bleibt Ihr da … Alles okay mit ihm … Er ist nur ohnmächtig“, rief Georgie energisch und ebenso energisch schlug er Tommi ins Gesicht, dass sein Kopf wie ein angebundener Gummiball hin- und her rollte, dabei schrie er ihn an: „Hee, Tommiiii …

      Wach’ endlich auf!“

      Der Schlag half.

      Die Augen sprangen auf und drehten sich. Ruckartig beugte sich Ulli zu ihm hinunter und hielt seinen Kopf in beiden Händen. Tommi winkelte die Beine an, zog sie zu sich hoch, dabei stöhnte er: „Aaooh … puuh.“ Er schüttelte den Kopf. „Was soll das? … Warum schlägst du mich? Du Arsch!“

      „Na, das ist ja ’ne tolle Begrüßung!“, entgegnete Ulli.

      „Begrüßung? Wieso … was … was war denn los?“, staunte er jetzt, wobei er ein wenig hochkam und sich umsah. „Warum lieg’ ich hier?“ Automatisch fasste er an seine Mütze, die noch immer fest auf seinem Kopf saß, dann erkannte er Georgie neben sich: „Was ist denn passiert?“ Mit großer Mühe richtete er sich auf und stützte sich ab.

      „Mann, du bist gestürzt“, antwortete Ulli beruhigt. „Wir dachten schon, du bist verreckt!“

      „Du warst ’ne ganze Weile weggetreten“, lenkte Georgie ein. Er stand auf, um den anderen ein Zeichen zu geben. Ulli half Tommi hoch, der noch wankte. Er stöhnte, als er aufrecht stand, fast zweifelnd sah er an sich herab, fasste sich an die Brust,