Das Vermächtnis aus der Vergangenheit. Sabine von der Wellen. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Sabine von der Wellen
Издательство: Bookwire
Серия: Die Sucht
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783750223608
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nicht gelesen?“ Er klingt wütend.

      „Nein, ich habe gerade erst das Handy aus der Tasche geholt, weil Marcel mir geschrieben hat.“

      „Ach, den hörst du?“, brummt Erik ungehalten.

      „Das war Zufall, weil ich meine Kopfhörer kurz abgesetzt habe.“

      Erik fragt leiser und sich scheinbar zur Ruhe zwingend: „Kopfhörer?“

      „Ja, damit ich niemanden mitten in der Nacht mit meiner Musik störe.“ Ich wundere mich, dass ich schon wieder so mitteilsam bin. Erik schaltet bei mir scheinbar irgendeinen Knopf an und ich funktioniere, wie er das will.

      „Wen kannst du stören? Wohnt noch jemand da, wo du bist?“ Er klingt ein wenig lauernd, obwohl er sich mittlerweile um eine neutrale Stimmlage bemüht.

      „Nein, aber ich habe Nachbarn und weiß nicht, wie hellhörig das hier ist.“

      „Sagst du mir wenigstens den Ort, in dem du jetzt wohnst?“ Er klingt ein wenig ungehalten, obwohl er auch das zu kaschieren versucht. Scheinbar hat Ellen ihm schon gesagt, dass ich keinem meine neue Adresse geben werde.

      Irgendwie drängt es mich, Erik herauszufordern. „Willst du gar nicht die Adresse haben?“, frage ich sarkastisch.

      „Doch! Aber ich weiß, du gibst sie mir nicht. Du hast sogar Ellen nicht sagen wollen, wo du jetzt abgeblieben bist. Worauf habe ich da zu hoffen?“

      Ich schlucke. So kenne ich Erik nicht. Wo ist seine fordernde Art hin?

      „Stimmt!“, murmele ich mit weicher Stimme. Erik so zu hören, macht mich ganz fertig. „Ich kann dir das nicht sagen. Das ist mein Panikraum. Aber ich habe keine so coole Tür. Meine hättest du sofort auf und mein Schutz wäre dahin“, raune ich leise.

      „Warum brauchst du einen Schutz vor mir?“, fragt er und auch seine Stimme nimmt einen weicheren Unterton an.

      Wir sind da, wo ich auf keinen Fall hinwollte.

      „Bitte Erik, lass uns nicht von uns reden.“

      „Warum nicht? Das ist mein Lieblingsthema.“

      „Aber nicht meins. Ich habe alles in den letzten zwei Tagen verloren und will mich einfach nur erholen und allein durchs Leben schlagen. Das geht nur, wenn du mich in Ruhe lässt.“

      „Was ist denn passiert?“, fragt er sanft.

      „Auch darüber möchte ich nicht gerne sprechen.“

      „Bitte, ich möchte es aber wissen. Wie soll ich sonst einschätzen können, ob ich dich wirklich in Ruhe lassen muss.“

      Ich seufze auf. „Es ist so viel in letzter Zeit passiert. Ich glaubte wirklich mal, Marcel ist alles für mich. Aber er kann nicht so viel Bedeutung haben, wenn ich mir nicht mal verkneifen kann, mit anderen ins Bett zu gehen“, zische ich den letzten Satz wütend und frage mich unweigerlich, warum bei mir immer alles so konfus läuft und in einem Chaos endet?

      „Anderen?“, fragt Erik verunsichert.

      „Ja“, brumme ich, unangenehm überrascht darüber, dass er so gut zuhört.

      „Ich war nicht der Einzige?“ Er klingt tatsächlich aufgebracht und gekränkt.

      „Doch! Schon! Zumindest während ich mit Marcel zusammen war.“

      „Okaayyy!“, raunt er und scheint erst Mal seine aufkommenden Gedanken parieren zu müssen. Dann murrt er und klingt dabei doch ziemlich fassungslos: „Das klären wir ein anderes Mal. Warum hast du also Marcel wirklich verlassen? Bestimmt nicht, weil du die Finger nicht von anderen lassen konntest.“

      Ich überlege, was ich ihm noch sagen soll. Möchte ich, dass er weiß, wie Marcel tickt?

      „Weißt du, ich hatte schon einmal mit ihm Schluss gemacht, weil ich mir sicher war, dass er eine andere hat. Aber das war da nicht so. Die hatte alles drangesetzt, es so aussehen zu lassen und er war so doof, sich auf ihre Spielchen einzulassen und schnallte gar nicht, dass das alles nur inszeniert war, um uns zu trennen. Und genauso blöd ist er immer noch. Da schreibt ihm irgend so eine Tussi und er springt gleich drauf an. Er muss doch mittlerweile wissen, dass der Schuss nur nach hinten losgehen kann“, murmele ich resigniert.

      „Ihm hat eine geschrieben und du machst Schluss?“ Erik klingt wirklich überrascht.

      Ich fühle mich genötigt, das zu erklären, als mein Handy brummt. Es ist eine SMS. Die muss warten.

      „Er ist gleich drauf angesprungen und wollte sich mit ihr treffen“, raune ich aufgebracht.

      „Okay, verstehe! Wollte er sich mit ihr treffen oder hat er sich mit ihr getroffen?“

      Ich bin etwas verwirrt, dass Erik das hinterfragt. In meiner Vorstellung gab es bisher nur die eine Variante.

      „Keine Ahnung. Das erfahre ich dann wohl morgen. Falls er mir die Wahrheit sagt.“

      „Du triffst ihn morgen?“

      „Ja, er will mit mir reden.“

      „Und dann kommt ihr wieder zusammen, oder was?“, brummt Erik mürrisch.

      „Wohl nicht. Ich habe das gleiche Problem wie beim letzten Mal und diesmal gibt es kein zurück“, antworte ich ihm niedergeschlagen.

      Erik sagt erst nichts. Dann fragt er lauernd: „Was für ein Problem?“

      Ich schlucke. Das ist nicht gerade eins meiner Lieblingsthemen. Aber es tut gut, nun doch alles rauszulassen, auch wenn Erik nicht gerade mein Lieblingstherapeut ist. Aber er ist immerhin der Verursacher meines Elends.

      „Ich kann nicht mit ihm neu anfangen, ohne ihm zu sagen, dass ich mit einem anderen geschlafen habe.“

      „Stimmt, Ellen erwähnte mal, dass euer letzter Neuanfang dadurch Startschwierigkeiten hatte.“

      „Und da konnte ich ihm wenigstens sagen, dass alles nur, nachdem wir Schluss gemacht hatten, war. Diesmal muss ich ihm sagen, dass ich ihn auch noch während unserer Beziehung betrogen habe. Und das geht gar nicht“, murre ich, auf ihn anspielend.

      Einige Zeit ist die Leitung wie tot, dann höre ich Erik murmeln: „Nach dem Schluss … auch noch während der Beziehung?“ Seine Worte kommen langsam durch das Handy gekrabbelt, als müsse Erik jedes einzeln überdenken. „Du bist seit zwei Tagen mit ihm auseinander und es hört sich alles so an, als bin ich das während der Beziehung, … und das „nach dem Schluss“ ist wer?“

      Ich bin entsetzt, dass er das so genau interpretiert.

      „Ist doch egal“, sage ich verlegen und schwenke schnell um, erneut völlig damit überfordert, dass er jedes meiner Worte auf die Goldwaage legt. „Ich habe mich nur dumm ausgedrückt.“

      Mir wird bewusst, dass ich mich da gerade in Schwierigkeiten bugsiere, die ich nicht einschätzen kann und ich will das Gespräch lieber schnell beenden. Ich fühle mich dem nicht gewachsen und etwas in mir will nicht, dass Erik über mich und das, was ich mit Tim getan habe, Bescheid weiß. Ich schäme mich plötzlich dafür.

      „Warum glaube ich dir das nicht?“, raunt er mit auflodernder Wut in der Stimme, die mich noch mehr erschreckt. „Wenn ich dir doch wenigstens in die Augen sehen könnte. Dann wüsste ich sofort was los ist.“

      Ich schlucke und brumme aufgebracht: „Genau deshalb sollst du mich in Ruhe lassen. Ich will einfach von keinem Kerl mehr herumkommandiert werden und tun und lassen dürfen, was ich will, und dass keiner mehr in meinem Leben herumpfuscht. Vielleicht stehe ich auch auf One-Night-Stands? Zwei-drei Stunden jemanden in mein Leben lassen und fertig“, fauche ich wütend, weil ich erkennen muss, dass er mich scheinbar mühelos durchschauen kann, als wäre ich aus Glas.

      Erik sagt nichts. Das ist sein Spruch.

      Da ich gerade in Fahrt bin und mir etwas Wichtiges einfällt, das den Wunsch noch unterstreicht, dass mir keiner mehr in meinem Leben herumstochern