„Ist er da?“
„Wer?“
„Dieser Schwachkopf!“
„Äh ... bitte?“
„Maximilian Fuchs, natürlich! Wenn ich den Papst sprechen möchte, fahre ich nach Rom.“
„Oh, ja.“ Sie starrte ihn an, ein krampfhaftes Lächeln im Gesicht.
„Drücken Sie den Schalter der Sprechanlage, Leonie. Der rechte ist es. Ja, so ist es richtig. Und jetzt sagen Sie ihm, dass ich ihn sprechen will.“
„Herr Fuchs ... äh, Sie haben Besuch. Herr Krüger ist hier und möchte Sie sprechen.“
„Sagen Sie ihm, er soll warten“, tönte eine barsche Stimme aus dem kleinen schwarzen Kasten.
„Er sagt, Sie sollen warten.“
„Ich konnte es selbst hören, Leonie.“
Felix Krüger ging mit langen Schritten durch den Raum und betrachtete die Fotos, die die Wände zierten. Es waren Bilder von den größten Namen, die die deutsche Filmindustrie je hervorgebracht hatte. Schauspieler, Schauspielerinnen, Autoren, Regisseure - jeder von ihnen eine außergewöhnliche Persönlichkeit. Und jeden einzelnen von ihnen hatte Felix Krüger mit bloßen Händen geschaffen. Er betrachtete ihre Bilder und erinnerte sich, wo er sie gefunden hatte. Diese hier hatte als Bedienung in einem Café gearbeitet. Und der hier war in der Redaktion einer Provinzzeitung verkümmert.
Und da war ja auch Katja Reimann. Felix Krüger hatte sie in einer Bar in Weyhe, einer kleinen Gemeinde im niedersächsischen Landkreis Diepholz, kennengelernt, als er für ein Drehbuch recherchierte. Er hatte sie gesehen, kurz beobachtet und sie sofort mit nach München genommen. Während der beiden nächsten Jahre arbeitete sie sechzehn Stunden am Tag im Studio. Mit der Rolle in der Komödie »Der bewegte Mann« aus dem Jahr 1994 wurde sie zum Star und auch im gleichen Jahr mit dem Bambi als beste Darstellerin ausgezeichnet.
„Um Gottes Willen, Leonie, können Sie nicht aufhören?“
„Womit aufhören, Herr Krüger?“
„Aufhören, solche Angst zu haben!“
„Ja ... äh, ich werde mich einfach beschäftigen, das wird das Beste sein. Ich werde am Computer arbeiten.“
„Nein, zum Teufel, reden Sie mit mir!“
„Jawohl! Sehr gerne. Wie geht es Ihnen, Herr Krüger?“
„Das hatten wir schon!“
„Ach, ja. Ich wollte diesen Job nicht annehmen, wirklich nicht, aber meine beiden Jungs studieren, und ich wollte auch nur noch ein Jahr oder so arbeiten … ich wollte nicht weggehen von Ihnen, aber Sie haben ja nicht einmal ein Büro, und schließlich habe ich dreißig Jahre meines Lebens in diesem Raum hier verbracht und ...“
„Wieviel hat er Ihnen geboten?“
„Es war eine sehr großzügige Summe, soviel kann ich sagen.“
„Sie wissen in diesem Geschäft beinahe so gut Bescheid wie ich, und Fuchs hat keinen blassen Schimmer von dem, was er macht. Und jetzt leitet ein Schwachkopf unser Studio!“
Er lachte und sah sich im Büro um.
„Sagte ich unser? Das ist wohl die Macht der Gewohnheit. Aber Sie haben meine Frage noch immer nicht beantwortet.“
„Welche Frage, Herr Krüger?“
„Warum sind Sie zum Feind übergelaufen? Sie haben sich doch nicht nur verkauft. Wenn Sie Geld brauchten, warum sind Sie nicht zu mir gekommen? Habe ich mich in all den Jahren je in Ihrer Gegenwart ordinär ausgedrückt, oder zugelassen, dass ein anderer das tat?“
„Nein, Herr Krüger.“
„Bin ich Ihnen jemals zu nahegetreten?“
„Nein ... na ja, das eine Mal bei der Berlinale, aber das war mehr aus Mitleid, damit ich mich als Frau bestätigt fühlte.“
„Unsinn, ich hatte Verlangen nach Ihnen in jener Nacht.“
„Sie waren sehr betrunken.“
„Und Sie waren wunderbar. Kommen Sie zu mir zurück, Leonie. Ich eröffne nächste Woche ein eigenes Büro.“
„Das geht nicht, ich habe einen Vertrag.“
„Einen Vertrag? Man macht keinen Vertrag mit einer Sekretärin. Das hat er wahrscheinlich in einem unserer alten, zweitklassigen Filmen gesehen. Reißen Sie das Ding in Fetzen.“
Sie drehte ihm den Rücken zu.
„Ich kann nicht, Herr Krüger. Es ist schrecklich, Ihnen das sagen zu müssen, aber es ist die Wahrheit. Sie sind erledigt. Sie haben die herrlichsten Filme gemacht, die je gedreht wurden, aber das ist Vergangenheit. Oh, ich könnte wieder für Sie arbeiten, wenn ich Sie nicht so verehren würde. Aber zuzusehen, wie Sie in Ihrem Alter noch einmal ganz von vorne anfangen müssen, das könnte ich nicht ertragen. Alle haben mir gesagt, dass es so kommen würde.“
„Schauen Sie mich an, Leonie.“
„Nein“, sagte sie zitternd.
„Na schön. Sie täuschen sich. Ich habe immer noch ein paar gute Filme in petto, aber die emotionale Belastung ist vielleicht zu groß für Sie. Nein, Sie müssen hierbleiben und gut auf sich aufpassen. Ich möchte nicht, dass Ihre Gesundheit leidet. Man sollte wenigstens einen auf seiner Beerdigung haben, der wirklich trauert.“
Er stürmte auf die Tür mit der Aufschrift »Privat« zu.
„Herr Krüger ... nein ... Sie können da nicht hineingehen.“
Felix Krüger zuckte mit den Schultern, öffnete die Tür und ging rasch weiter, auf den riesigen erhöhten Schreibtisch am anderen Ende des Raumes zu.
„Fuchs, du dreckiger Arschficker, wenn du glaubst, du könntest mich den ganzen Tag warten lassen, dann hast du mächtig den Arsch offen!“
Maximilian Fuchs erholte sich rasch genug von dem Schock, den plötzliche Eindringen bei ihm verursacht hatte, um die Hand über die Sprechmuschel des Telefons zu legen, in das er sprach.
„Zum Teufel, Felix“, sagte er in lautem Flüsterton. „Ich spreche mit meiner Mutter.“
„Oh, entschuldige. Komm, gib mir mal den Hörer.“
Er riss ihn Fuchs aus der Hand.
„Guten Tag, Frau Fuchs“, sagte er heiter. „Hier ist Felix Krüger. Die rüde Ausdrucksweise, die Sie eben gehört haben, kam von mir, und ich möchte mich entschuldigen. Ich wusste nicht, dass Sie am Telefon waren, sonst wäre ich vorsichtiger gewesen.“
Es entstand eine Pause.
„Nein, nein, nichts dergleichen, gnädige Frau. Nein, es ist alles in Ordnung. Ich bin nur mal vorbeigekommen, um zu schauen, wie Maximilian mit seinem neuen Job zurechtkommt.“
Wieder eine Pause.
„Ganz richtig, Frau Fuchs, alles ist bestens. Maximilian wird Sie in ein paar Minuten zurückrufen. Auf Wiederhören!“
„Aber ...“ Maximilian Fuchs versuchte, das Telefon zu nehmen, aber Felix hatte schon aufgehängt.
Die gespielte Freundlichkeit von Felix Krüger war verschwunden, als hätte er einen Hahn zugedreht.
„Also, für wen zum Teufel hältst du dich eigentlich, dass du mich da draußen warten lässt wie irgendeinen Scheißschauspieler?“
„Du hast mich auch oft genug warten lassen! Ich bekam immer so feuchte Hände, dass ich ein Handtuch in der Aktenmappe mitnehmen musste.“
Die beiden Männer standen jetzt Auge in Auge.
„Du bist aber nicht ich, das solltest du besser nicht vergessen!“
„Okay,