Zwei Minuten später lenkte eine weitere Lautsprecherdurchsage die Aufmerksamkeit der Reisenden auf sich. »Der Fahrer der ›Scotland Worldwide Logistic‹ wird gebeten, sich unverzüglich im Büro des Cargo-Terminals zu melden.« Auch diese Nachricht wurde noch einmal wiederholt, doch jetzt hörte kaum noch jemand richtig zu.
Cussler lächelte zufrieden. Es geht also los, schmunzelte er in sich hinein. Das ist mein Signal. Der Startschuss für meinen Einsatz. Er wusste, dass die Durchsage fingiert war, denn es gab keine Spedition dieses Namens. Obwohl zur gleichen Zeit ein großer Lieferwagen, mit der Aufschrift ›Scotland Worldwide Logistic – Global Experience‹, über den Zubringer vor dem Flughafen fuhr und den Weg zum Frachthof einschlug, wo man in dessen Büro nichts von dessen Existenz wusste ...
... zumindest noch nicht!
*
Schon wenige Minuten darauf befand sich Cussler im Verwaltungstrakt des Flughafens. Dort betrat er eine der Toiletten und begab sich direkt in eine der Kabinen, aus der er nach exakt einer Minute und fünfzehn Sekunden wieder herauskam – im Arbeitsanzug der Cargo-Mitarbeiter und einem entsprechenden Schutzhelm. Er schaute sich kurz um. Außer ihm befand sich nur noch ein Mann im Waschraum, der aber gerade im Begriff war, hinauszugehen. Die Blicke der beiden Männer trafen sich für Sekundenbruchteile im Spiegel, dann fiel die Tür ins Schloss.
Glenn Cussler schob seinen Koffer in die Kabine zurück und riegelte von außen ab und ein roter Hinweis signalisierte, dass die Kabine besetzt war. Im Hinausgehen grinste er sich aufmunternd im Spiegel zu und warf einen prüfenden Blick auf seine Uhr. Seit der Durchsage waren genau sieben Minuten vergangen. Bis jetzt klappt ja alles wie am Schnürchen. Ein verstecktes Grinsen umspielte seine Mundwinkel. Es hat keine Verzögerung gegeben. Alles genau nach Zeitplan.
*
Als Cussler wieder auf den Gang hinaustrat, kam eine Gruppe aus fünf Piloten auf die Toilette zu. Es sind leider nur vier Kabinen frei. Hoffentlich müsst ihr nicht alle auf einmal, ging es ihm amüsiert durch den Kopf, ehe er in einen Seitengang einbog.
Gleichzeitig mit ihm betrat ein Mann in der Uniform der ›Rapid Flight‹-Fluggesellschaft den Gang. Es war ein schlanker junger Mann mit einem braungebrannten, hageren Gesicht, aus dem die unnatürlich blauen Augen fast wie Scheinwerfer strahlten. Der Mann schob eine Sackkarre mit einem großen Überseekoffer vor sich her. »Ganz schöner Betrieb heute«, bemerkte er freundlich.
Cussler nickte. »Zu Beginn der Ferienzeit ist hier immer die Hölle los.«
Es handelte sich um einen scheinbar belanglosen Wortwechsel, bei dem niemand darauf gekommen wäre, dass die beiden Männer gerade recht spezielle Informationen miteinander ausgetauscht hatten.
Glenn Cussler hatte keine Ahnung, wer dieser junge Bursche war. Er sah ihn zum ersten und wie er vermutete zugleich auch zum letzten Mal in seinem Leben. Auch die anderen Männer, die an diesem Unterfangen beteiligt waren, kannte er nicht. Alles was er wusste war, dass es sich um handverlesene, gute Leute aus ganz Europa handelte, die sich auf dem ›Heathrow Airport‹ in London trafen, um einen generalstabsmäßig geplanten Überfall auf eine aus Brüssel kommenden Stahlkassette mit geschliffenen und rohen Diamanten durchzuführen. Direkt im Anschluss würde jeder wieder dorthin zurückfliegen, woher er gekommen war. Es gab keinerlei Gemeinsamkeiten zwischen ihnen – außer den wenigen Minuten in ihrem Leben, da sie zusammen diesen Überfall begingen.
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Vor dem mehrstöckigen Gebäude des Cargocenters stand ein großer rothaariger Mann mit einem Klemmbrett in der Hand. Er hatte blassgraue Augen, ein breites vorspringendes Kinn und riesige Hände. Er sah aus wie ein Monteur, zumindest ließ seine Kleidung und die überdimensionale, bauchige Tasche darauf schließen. »Ich bin auf der Suche nach einem gewissen Harry Corbett von dem ›Airport Cargo Handling Management‹, Gang 4 im 2. Obergeschoss. Bei dem soll die Klimaanlage den Geist aufgegeben haben.«
Der Angestellte der ›Rapid Flight‹ zuckte die Achseln. »Keine Ahnung, wo der sein könnte. Am besten, Sie fragen mal da vorne im Hauptbüro nach.« Er deutete auf die entsprechende Tür.
»Danke. Das hatte ich auch gerade vor«, erwiderte der Rothaarige, schritt hinüber und klopfte an.
Das war Cusslers Stichwort. »Hier ist heute wohl Tag der offenen Türen, wie?«, grinste er und warf einen Blick auf seine Armbanduhr. »Sie müssen einfach reingehen, sonst stehen Sie morgen noch hier rum!«
Seit der Durchsage waren genau neun Minuten vergangen, als die drei Männer unmittelbar hintereinander das Büro des Cargo-Terminals betraten. Gleich darauf sahen sie sich einer Schlange von acht Personen gegenüber, die sämtlich auf ihre Abfertigung warteten und stellten sich hinten an.
Sofort bückte sich der Monteur, öffnete seine Tasche und wurde von den beiden anderen geschickt vor neugierigen Blicken abgeschirmt. Der Rothaarige huschte zurück, öffnete noch einmal die Tür und hängte draußen ein auffälliges Schild an: ›Closed up to 4 p.m.‹
***
Kapitel 4
Zur gleichen Zeit rekelte sich auf der Terrasse eines Penthouses im Stadtteil ›Bromley‹, in der ›Shire Lane‹, auf Höhe ›High Elms Country Park‹, eine junge Frau nackt in der Sonne. Sie war eine berauschend schöne Frau, die mit einer Figur gesegnet war, die sie neben Penélope Cruz wie Twiggy hätte aussehen lassen. Aber sie verfügte nicht nur über körperliche Vorzüge, sondern war auch bei der Verteilung der geistigen Gaben nicht zu kurz gekommen.
Clairé Beauvais genoss einige ihrer wenigen freien Stunden. Sie wusste nicht, dass ihr Körper in diesem Moment von vier gierig blickenden Augenpaaren quadratmillimeterweise abgetastet wurde – denn wenn, wäre ihr die Lust am Sonnenbaden wahrscheinlich vergangen.
Nichts ahnend cremte sie sich ein. So gewissenhaft, wie sie eigentlich fast alles zu Ende führte, was sie begonnen hatte. Dabei nahm sie etliche verführerische Posen ein, die bei den sie beobachtenden Burschen nicht ohne Wirkung blieben. Zuerst salbte sie ihre schlanken Arme, denen man die Kraft nicht ansah, die in ihnen steckten. Dann kamen ihre wundervollen, festen Brüste mit den kleinen Knospen an die Reihe, ehe ihre Hand weiterglitt, um auch die schmale Taille und den leicht gewölbten Bauch einzureiben.
Als die Fünfundzwanzigjährige mit den französisch-russischen Wurzeln ihren rechten Fuß auf einen Stuhl stellte, um den Oberschenkel einzucremen, konnten die Voyeure auch ihre hübschen hinteren Rundungen bewundern, die sie auf eigenartige Weise hilflos in die Luft streckte. Doch für die vier Burschen sollte es noch weitaus erregender kommen.
Als Clairé eben diese Rundungen und anschließend den makellosen, bereits bronzefarbenen Rücken mit Sonnenöl bestrich, zeichneten sich die steil aufragenden Hügel ihrer Brüste wie Symbole sinnlicher Weiblichkeit vor dem lichtblauen Hintergrund des Himmels ab. Sie nahm den Fuß vom Stuhl und streifte sich ein T-Shirt über.
Das war der Zeitpunkt an dem es die Kerle nicht mehr auf ihrem Lauerposten aushielten, sie sich gegenseitig Mut machten und aus ihrem Versteck herauskrochen.
Clairé hatte sich inzwischen auf einer Liege ausgestreckt, das Gesicht der Sonne zugewandt und ihre Augen geschlossen. Sie bemerkte die ungebetenen Besucher erst, als sie die Sonne verdunkelten. Sie schlug die Augen auf und sah sich den vier halbwüchsigen Burschen gegenüber, deren Augenlider verdächtig flatterten und wusste sofort, dass daran nicht nur das grelle Licht schuld war.
»Die kenne ich«, erklärte ein langaufgeschossener pickliger Kerl, der offensichtlich Sprecher und Anführer der Gang war. »Als ich die zum ersten Mal gesehen habe, ging's mir durch und durch.