Wie liebte sie es, dieses Spiel von Macht und Unterwerfung, von Dominanz und Ausgeliefertsein. Sie liebte es, die Kontrolle abzugeben und nicht zu wissen, was ihr Gegenüber im nächsten Moment vorhatte. Sie versuchte, sich ihren Fesseln zu entwinden, doch Handschellen und Seile ließen ihre laszive Beute nicht entkommen. Die Samthände schienen überall gleichzeitig zu sein. Sie streichelten ihren Nacken, zupften an den Nippeln, glitten beinahe berührungslos über die Innenseite ihrer Schenkel. Durch den dünnen Stoff spürte sie die Fingernägel, die ihren Körper wahnsinnig werden ließen, durch eine Berührung, die eigentlich gar keine war und die sie sich viel brutaler wünschte. Sie warf ihren Kopf zur Seite und versuchte ihrem Gegenüber ihre Scham weiter entgegenzurecken. Ein Finger presste die Strumpfhose auf ihre Klitoris. Abertausende Nervenenden spielten mit einem Mal verrückt und jagten Schauer der Erregung bis in die letzten Winkel ihres Körpers. Eine wohlige Lust machte sich zwischen ihren Beinen breit.
»Schau, schau! Da haben wir ja schon das erste Feuchtbiotop«, hörte sie ein Lachen in der Dunkelheit. Der Handschuh glitt hinab, teilte ihr Schamlippen, begann ihre Nässe zu verreiben, suchte Zugang zu ihrem Inneren. Sie versuchte ihre Beine zusammenzupressen, doch drückte sie sich die Sitzfläche nur noch tiefer ins Fleisch. Wild warf sie den Kopf vor und zurück, um ihrer dominanten Partnerin zu zeigen, sie möge das grausame Spiel beenden und ihr endlich einen saftigen Orgasmus bescheren. Wellen der Lust überliefen sie, Erregung und Anspannung ergriffen Besitz von ihr. Wild zerrten ihre Beine an den Seilen, atemlos stöhnte sie in ihren Knebel. »Fick mich!«, wollte sie schreien, doch zu hören war nur »Mmh mmh!«
Plötzlich ließ sie von ihr ab. Nichts rührte sich mehr, kein Lufthauch, kein Klacken eines Absatzes und kein Leder, das sich an ihrem überhitzten Körper rieb. Hatte sie die Langbeinige verärgert? Ihr Atem hatte sich gerade etwas beruhigt, als sie erneut Blicke auf ihrem Körper spürte. Sanft wurde ihr der linke Schuh abgestreift und eine feuchte Mundhöhle umschloss ihre Zehen. Rau kitzelte eine Zunge über ihre empfindliche Fußsohle, streichelte ihre Zehen, machte sie wahnsinnig.
Sie versuchte, ihren Fuß aus der folternden Umklammerung zu befreien. Sie schrie in ihren Knebel, lachte erstickt, hatte das Gefühl, diese Tortur keinen Augenblick länger mehr ertragen zu können. Die Zunge umschmeichelte ihre Zehen, durchnässte sie, bis der Speichel auf den Boden tropfte. Doch es tropfte nicht nur von ihren Zehen. Sie spürte wie ihre Vagina pulsierte und ihr Unterleib sich verkrampft zusammenzog.
Es war wieder einer dieser nicht enden wollenden Tage in der Praxis gewesen. Das ewige Gejammer der Patienten: »Bitte, Frau Doktor, da, bitte, Frau Doktor, dort. Bitte, die sind alle so gemein zu mir. Ich bin so arm.« Der übliche Mist eben.
Nur wenige Fälle waren wirklich noch in der Lage, ihr Interesse zu wecken. Warum versuchte sie eigentlich, Menschen zu therapieren, deren Verhalten etwas von der sogenannten Norm abwich, wo es doch gerade diese kleinen Abweichungen waren, die soviel geben konnten, soviel Lust bereiten konnten und den Horizont weit nach hinten zu schieben vermochten.
Nur weil manche einen kleinen Knacks in ihrem Inneren vermuteten, kamen sie gleich zur Therapie, weil es ihr Wunsch war, genau so öde und langweilig zu werden wie die restlichen fünfundachtzig Prozent. So ein Schwachsinn. Diese armen Tröpfe, würde Schopenhauer vermutlich sagen. Ein geknebeltes Schmunzeln zeigte sich auf ihren Lippen.
Unvermittelt schnitt ein Geräusch das sie nicht zuordnen konnte stählern durch die Luft. Nur ihr Unterbewusstsein hatte es registriert. Hatte es sich angehört, wie wenn eine Klinge aus einer Scheide gezogen wurde?
Ihr Gegenüber lachte.
Ihr gerade noch vor Lust triefender Körper wurde von Panik erfasst. Geriet das Spiel, so wie sie es sich vorgestellt hatte, außer Kontrolle? Spielte ihre Peinigerin womöglich ein ganz anderes? Vielleicht war diese Patientin, die an diesem Tag erst zum dritten Mal gekommen war, ja doch wegen eines schwerwiegenderen mentalen Defekts gekommen, den sie ihr gegenüber noch nicht angesprochen hatte? Womöglich war sie eine Massenmörderin, die wahllos Therapeutinnen niedermetzelte, um ein bereits lange überfälliges Exempel gegen die überhöhten Stundensätze zu setzten, um die Leichen dann zu zerstückeln und an die Hunde zu verfüttern? Panik, Panik, Panik.
Sie zerrte an den Seilen, wand ihre Gelenke in der stählernen Umklammerung, schrie in den Knebel so laut sie konnte, als sich ein Seil um ihren Hals legte.
»So, meine Liebe«, sagte die Stimme und Denise sah trotz ihrer verbundener Augen ein dämonisches Grinsen.
2
»Hast du schon mal versucht, in einem Bodystocking zu pinkeln?«, fragte Nicola.
»Hm ...«, war vom entfernten Ende der Leitung zu hören.
Immer diese philosophischen Fragen auf nüchternen Magen; und was zur Hölle war ein »Bodystocking«?
»Da du ja an deinem gesamten Körper das Gewebe spürst – außer im Schritt –, denkt dein Körper natürlich, er sei angezogen, und die instinktiven Reflexe eines halbwegs normalen Erwachsenen versuchen so eine Peinlichkeit natürlich zu verhindern. Es ist ein Kampf zwischen Gehirn und Gefühl, wenn du weißt was ich meine.«
Nein, weiß ich nicht. Und was um Himmels willen soll ein halbwegs normaler Erwachsener sein? Gibt’s den überhaupt? Hier? In Europa?
»So hat es mir zumindest mein Model erzählt, als wir die Bondage-Fotos gemacht haben.«
»Ist ja interessant«, bemerkte Birgit gelangweilt. Aber was zum Henker war »Bondage«?
»Ja, stundenlang hab’ ich die Arme gequält, um einen Gesichtsausdruck zu bekommen, der dem einer unterworfenen, gedemütigten und gequälten Frau entspricht. Und gequält hab’ ich sie, so wahr meine Mutter ein Verhältnis mit dem Papst hat. Mit gefesselten Armen und Beinen, in den unterschiedlichsten Positionen, hab’ ich sie unter dem heißen Studiolicht schmoren lassen. Sie erklärte mir, normalerweise mache sie Bondage nur, wenn auch eine Aussicht auf einen anschließenden Höhepunkt bestehe, doch bei meinen beruflichen Shootings geht es nun mal professionell zu – ohne Ausnahme. Nach viereinhalb Stunden knotete ich dann noch ein Schrittseil, das von ihrer Taille über ihre Scham lief, an die am Rücken gefesselten Hände. Da konnte sich die Gute nicht mehr halten. Der Knoten im Seil, der auf ihrer empfindsamsten Stelle lag, war sofort pitschnass. Schließlich begann sie mit ihren Armen zu zerren, damit der Knoten über ihre Klit rieb. Innerhalb kürzester Zeit hatte sich das geile Stück selbst so in Stimmung gebracht, dass sie nur noch stöhnte und bald erschöpft zusammenbrach.«
»Hört sich ja unglaublich an. Hast du davon auch einen Film gemacht?«, fragte Birgit, um Interesse vorzuheucheln.
»Ich bin Fotografin, keine Filmemacherin, aber anschließend hat’s mir Leid getan. Ich hätt’ zumindest meine kleine Videocam mitlaufen lassen können. Na ja, auf jeden Fall hab’ ich, während sie sich selbst einen Orgasmus bescherte, immer mit der Kamera draufgehalten und die Bilder sind einfach traumhaft schön geworden. Sie strahlen so eine Ruhe und Zufriedenheit aus. Sie sieht darauf einfach nur glücklich aus. Gut, meine Idee von Bildern mit gedemütigten Gesichtsausdruck hab’ ich natürlich vergessen können.«
»Du bist ja so arm, wenn ich mal mehr Zeit hab’, werd’ ich dich bedauern«, feixte Birgit.
»Der G-Punkt ist der: Ich hab’ mir schon gedacht, ich könnt’ sie einmal nur privat zu mir einladen und dann könnten wir ein bisschen spielen, so wie sie’s gern tut. Wenn du Lust hast, könntest du ja auch kommen«, grinste Nicola in den Hörer.
»Apropos kommen«, versuchte Birgit das Thema zu wechseln. »Das letzte Mal, als ich kam, war das nicht bei meinem Mann«, bemerkte sie sofort ihren Fauxpas.
»Hey, cool! Lass hören! Hast du’s dir auch selbst besorgt«, schnatterte die Fotografin euphorisch.
»Nein,