Oma war (k)eine Heilige, nicht nur Opa wusste das.. Josefine du Soulier. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Josefine du Soulier
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783847692492
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Cousins, wir anderen nickten. So war es abgemacht. Viele der Dorfbewohner drückten uns am Friedhof nur stumm die Hand, häufig mit einer Träne in den Augen warfen sie eine Blume auf den Sarg und gingen dann weiter, um ,wie es üblich war, am Eingang zu warten, damit man gemeinsam zum Totenschmaus ginge. Das verwunderte uns nicht- was uns verwunderte war, wie viele Menschen von irgendwoher angereist waren, um Oma auf ihrem letzten Weg zu begleiten. Ein bekannter Industrieller wurde mit einem grossen Protzwagen herangefahren, wie wir später erfuhren war er schon bei Opas Beerdigung da gewesen. Elegant, in Begleitung seiner ebenso eleganten Ehefrau Nadja, drückte er mir die Hand, und erklärte: "Ihre Frau Großmutter hat mir ein Leben lang imponiert." Seine Frau lächelte: "Sie war eine wunderbare Frau, die genau wusste, was sie NICHT wollte. Wir haben während unseres Studiums zusammengewohnt, und sind immer in Kontakt gewesen. Ihre Haltung hat mir sehr geholfen in meinem Leben. Wir werden ihr nur die letzte Ehre erweisen, dann müssen wir auch schon wieder fort, wir haben sie sozusagen auf dem Weg zum Flugzeug eingeschoben." Sie machte eine kleine Kunstpause "Daher möchte ich Ihnen nur kurz noch etwas sagen. Sie wissen sicher schon meine Liebe, dass sie ihr sehr ähnlich sehen, ich wünsche Ihnen, dass sie genau so klug sind wie sie war." Ihr Mann hatte schweigsam neben ihr gestanden. Jetzt öffnete auch er den Mund " Wahrhaftig, sie war klug, und konnte planen." Ein Lächeln ging über sein Gesicht "Auch wenn ich sie damals am liebsten erschlagen hätte, schon nach kurzer Zeit wurde mir klar, wie lebensklug sie schon in jungen Jahren war." Er stand ganz vorne neben unserer Familie, warf als einer der ersten einen Rose auf Omas Grab, gefolgt von seiner Ehefrau Nadja, die ein stilles Gebet am Grab hielt. Danach verbeugte er sich leicht in unsere Richtung, lüftete seinen eleganten Hut ein wenig und beide verschwanden wieder aus unserem Leben. Der alte Peter Hansen, der aus der Dorfschreinerei eine Möbelfabrik aufgebaut hatte, kondolierte mit belegter Stimme: "Sie war schon als junges Mädchen so unkompliziert und geradeheraus, ohne dabei die anderen zu verletzen, und sie wusste immer was sie wollte." Seine Frau, Anna Maria genannt Annemie, war Omas beste Freundin gewesen. "Seit dem Kindergarten", hatten beide immer wieder betont. "Wenn sie nicht gewesen wäre, mein Vater hätte niemals erlaubt, dass Peter mich heiratet, sondern ihn aus dem Haus geworfen." Behauptete Tante Annemie, wie wir die Frau nannten. Auch die beiden aus Kalabrien angereisten Isabella, genannt Bella, und Giovanni, genannt "Giro" Mora hatten nur die freundlichsten Worte für Oma "Damals, als ich als junge frischverheiratete Frau hierherkam, war sie die beste Freundin meiner Schwägerin. Sie bot mir schon am ersten Tage ihre Freundschaft an, war immer an meiner Seite. Sie gab Giro Bescheid, als wäre sie meine Schwester, wenn wir einmal Streit hatten." Jetzt fing sie an zu weinen, dann umarmte sie mich." Sie war wie eine Schwester und du bist ihr Enkelkind- Du bist für mich wie meine Enkelkinder!" Noch eine heftige Umarmung, dann führte ihrMann sie fort. Die Ehefrau unseres ehemaligen Dorfarztes, der auch Frauenarzt war, wurde von einer Betreuerin aus dem Stift für wohlhabende ältere Menschen hergebracht, in dem sie seit dem Tode ihres Mannes lebte. Sie sass schon im Rollstuhl, aber bestand darauf mit auf den Friedhof zu gehen. "Deine Oma- ich erinnere mich noch, wie ich sie das erste Mal sah. Sie saß sehr ernsthaft in einem Zimmer der Praxis meines damaligen Verlobten in der Stadt. Sie erledigte ihre Hausaufgaben, solange sie auf Christof wartete, bis er fertig war mit seinen Schreibarbeiten. Und sie hat mir einfach eine große Angst genommen, damals. Auf jeden Fall sah sie mich ganz erstaunt an, erklärte dann sehr ernsthaft, dass im Dorf keinem, nicht einmal dem Hirschwirt, der sonst alles wusste, zu diesem Zeitpunkt bekannt war, dass wir verlobt waren. Weil doch der Christof ein so ernsthafter junger Mann ist der nichts als seinen Beruf im Kopf hat. Später dann hat sie mir in einer Ehekrise mit einem einfachen Rat meine Ehe gerettet." Ihre Schwägerin, auch eine gute Freundin von Oma, drückte mir besonders lange die Hand. Von klein auf nannten wir sie Tante Bärbel. Sie war mit dem Apotheker im Nachbarort verheiratet, aber Onkel Julius ihr Mann war schon lange verstorben." Deine Oma, Sie war immer die einzige hier, die sich nicht am Klatsch beteiligte. Man konnte ihr alles anvertrauen, und sie war absolut diskret-in allem." sie lächelte ein wenig." Man hätte meinen können, sie hätte die Diskretion erfunden- so diskret handhabte sie alles, was Diskretion benötigte. Das obwohl, oder gerade weil, sie eine so fröhlich-heiteres, ruhiges Wesen hatte." Die Mutter des Schuldirektors der Ortsschule unseres Nachbarortes hatte auch ein nettes Wort für Oma: "Ich habe sie zwar erst kennen gelernt, als sie gerade die Abiturfeier hinter sich hatte, und das morgens um drei - aber es war imponierend wie sie eine Krise gemeistert hat. Mein Mann war ihr Lehrer am Gymnasium und er hatte sie nach Hause bringen wollen, aber war immer wieder während der Fahrt eingeschlafen. Da hatte sie die Initiative ergriffen, ihn auf den Rücksitz verfrachtet und war im Schritt -Tempo zu uns gefahren. Hat mir meinen Mann übergeben, und ich habe sie dann nach Hause gebracht." Viele andere kamen von auswärts, der Eine oder Andere den sie auf ihren Reisen kennen gelernt hatte, ja selbst ein Lehrer aus dem hohen Norden aus Hamburg nahm sich die Zeit. Er hatte seine Enkelkinder in Frankreich besucht, wohin seine französische Ehefrau nach der Scheidung zurückgezogen war. Er kannte Oma ebenso wie unseren Opa aus der gemeinsamen Studienzeit, und bedauerte unendlich, dass er sich nicht früher einmal Zeit genommen hatte unsere Großeltern zu besuchen. "Ihre Frau Großmutter war eine wunderbare Frau, charaktervoll, nicht nachtragend, erfreulich unkompliziert. Wie positiv sie war hatte ich erst verstanden, als meine Ehe scheiterte." er seufzte, wie mir schien in etwas melancholischer Stimmung. Ein sehr junger Mann, ein Arzt aus irgendeinem Kurort, drückte uns die Hand. Er kam nicht zur Totenfeier, aber er erklärte, sein Onkel habe Oma und Opa während seiner Studienzeit gekannt, und die Bekanntschaft erneuert. " Er ist auch vor kurzem verstorben, aber ich bin sicher er hätte gewollt, dass ich ihn zu dieser Beerdigung begleite- so habe ich es eben für ihn getan." So war die Totenfeier genau das was wir benötigten, um unsere Trauer zu ertragen. Bei dieser Feier hatte ich die Idee, alle zu bitten, wenn es etwas gäbe, das sie gerne aus Omas Haushalt behalten würden, sollten sie kommen bevor die Abfall-Container da waren, und sich heraussuchen, was sie noch wollten. Die ganze folgende Woche war ich damit beschäftigt, Frauen zu empfangen, die alles durchsuchten, um Erinnerungsstücke zu finden. Die einen nahmen ein Foto aus Omas Alben, die anderen eine Tasse. Bella Mora kam in Begleitung ihres Enkels. Er sah sich interessiert um, dann fragte er: "Ja, hilft ihr Mann Ihnen denn nicht? Dies ist doch keine Arbeit, die eine Frau alleine machen sollte:" "Oh, die Arbeit ist nicht schwer, die Möbel bleiben in dem Haus, und die anderen Sachen werden entsorgt." Auf Bellas fragenden Blick hin sah ich mich fast gezwungen weiter auszuführen "Außerdem habe ich keinen Mann. Ich bin ungebunden und frei. Schließlich stricke ich noch an meiner Karriere, was bedeutet, dass ich häufig irgendwo im Rest der Welt für ein paar Tage meinem Job nachgehe, und zu Hause einfach nur mein Leben will." "Ganz wie ihre Nona", erklärte Bella zufrieden, "die wusste auch genau was sie wollte." Sie nahm einen bunten Teller mit, von der Sorte " Souvenir aus dem Mittelmeerraum ", den man sowohl als Obstteller, als auch als Wandteller nutzen konnte." Ich habe ihn meiner lieben Josi mitgebracht, als ich das erste Mal wieder in Italien Urlaub machte. Erst als ihre eigenen Kinder anfingen im Haus herumzutoben, hatte sie ihn abgehängt, damit er nicht von der Wand fällt, wenn die Kinder sich einmal unvorsichtig bewegen. Aber immer, wenn ich zu ihr zum Kaffee kam, hat sie den Kuchen auf diesem Teller serviert." Wieder schluchzte sie." Sie war einfach eine wirkliche Freundin." Danach war ich eine gute Woche damit beschäftigt, die Reste von Omas Leben zu entsorgen. 6 Container hatte ich gefüllt. Endlich war ich auch damit fertig. Das Haus würde von 2 Frauen aus dem Dorf gründlich gereinigt, und ich freute mich darauf endlich wieder in meinem eigenen Appartement zu schlafen. Freute mich darauf, mich in die Badewanne zu legen. Zuletzt ging ich noch einmal durch das ganze Haus bis ins Dachgeschoss, das so seltsam leer war ohne Omas Utensilien. Obwohl die Möbel in Omas persönlichem Zimmer noch dastanden: die Couch in der Ecke, der alte Schreibtisch und die Nähmaschine unter dem Fenster. Die große hölzerne Kiste auf die Oma in jungen Jahren "Meine Tagebücher" geschrieben hatte, war bei den Dingen die ich auf den Rücksitz meines Autos geladen hatte. Oma persönliches Reich war jetzt nur noch eine Ansammlung von Möbeln, ohne die Ausstrahlung die es für mich besessen hatte. Als Oma noch lebte war sie immer in meinem Gefühl neben mir. Selbst wenn ich alleine am Schreibtisch sass und Oma unten in der Küche werkelte. Ich wollte das Zimmer verlassen, kam nur zufällig mit dem Fuß auf den Tritt zwischen den beiden Türbalken. Dieses schmale Bodenbrett, das den Türrahmen unten stabilisierte, wackelte ein wenig, rutschte zur Seite. Eigentlich wollte ich das Brett nur wieder zurechtrücken, als ich ein Stück blinkendes Metall sah. Ich dachte, das wäre vielleicht ein Schmuckstück, das Oma einmal vor Zeiten verloren hatte: Ein Ring, ein Ohrring oder Ähnliches, deshalb versuchte ich den Tür-Tritt