Wie aus weiter Ferne hörte Swiwa die blubbernden Geräusche die das Kind von sich gab, das wie besessen an ihm riss und ihm seine Eingeweide aus dem Körper brach. Dann hörte er nichts mehr. Für lange Zeit hörte er nichts mehr.
Luther tanzt
Generationen waren so dahingegangen. Bald erinnerte im Brückenland nichts mehr an den alten Zauberer, als verblasste Wandteppiche und greise Männer, die die alten Legenden erzählten, auch wenn niemand ihnen noch zuhören wollte.
So waren Könige gekommen und Könige gegangen. Und nun war es eben Luther, der regierte. Tagsüber. Und nachts? Da träumte er. Und immer suchte ihn genau dieser alte Zauberer auf. Der letzte er alten Zauberer. An den Morgen danach wusste Luther um die Macht, die ihn erwählt hatte. Und dann tauchten die Rabenbrüder auf. In der Nacht, wenn sie zu ihm durch sein Fenster geflogen kamen und sich nur ihm zu erkennen gaben, war er ein Gott! Der schwarzäugige Rabe sagte ihm genau, was er tun sollte. Der Grauäugige zeigte ihm den Weg und er beschritt ihn gerne.
Auch als sie den fremden Krieger ankündigten, fühlte es sich richtig an. Sein Name war Lasqua und die Raben erklärten Luther, dass er eine große Rolle im unendlichen Spiel spielen würde. Freudig gab Luther ihm Obdach und behandelte seinen Gast und die Männer die er mitbrachte fürstlich. Bald danach erfüllten sich Luthers Träume. Er würde den Tag nie vergessen, an dem Lasqua ihm den alten Zauberer überließ. Aus der fabelhaften Figur die ihm im Traum erschienen war, wurde eine leibhaftige Macht, die sich seinen Wünschen beugte. Lasqua lächelte, als er die Gier erkannte, die den König ergriff. Luther war durchdrungen von seiner Macht, wenn er dem alten Zauberer befahl, ihm zu Willen zu sein! Der Arwadok hatte Recht behalten: Es reichte ein einziger fauliger Apfel um den ganzen Korb zu verderben!
Der Andere
2 Falk
Es war kaum zu glauben, aber Falk hatte in der Welt der Menschen Frieden gefunden. Es war ihm nicht leichtgefallen und es hatte Kraft gekostet, doch nun war er hier und er kam zur Ruhe.
Wann immer sich die Kräfteverhältnisse in Draggheda verschoben, beeinflusste es ihn. Da war der seltsame Kraftverlust von Farq und die Konsequenzen für seine Krieger. Auch das Erstarken des Arwadoks hatte Auswirkungen auf Falk. Es dauerte eine ganze Zeit lang, bis diese Schwingungen die von so weit entfernt auf ihn wirkten, ihn nicht jedes Mal zum Handeln reizten. Er zog sich aus den belebten Gebieten zurück und nach einigen einsamen Monaten in der Wildnis der Berge ließ der Drang ständig um sich zu schlagen, nach. Er hatte viel gesehen, war durch viele Staaten gereist und nun zog es ihn zurück ins Leben. Ihm fehlte Gesellschaft. Vorsichtig näherte er sich den bewohnten Gebieten. Je näher er den großen Städten kam, desto schlimmer wurde der Gestank, desto ärmer wurde die Luft. Also zog er weiter und als der Motor seines Motorrades in einer Kleinstadt mitten in Montana plötzlich anfing zu stottern und schließlich ausfiel, entschied er sich, ein paar Tage zu verweilen. Er suchte eine Werkstatt, gab das Motorrad ab und machte sich zu Fuß auf den Weg.
Das Kaff war nicht allzu groß. Doch es gab einen Stadtkern und an einem so milden Abend wie heute spielte sich dort das Leben ab. Mehrere Restaurants waren um einen schönen Marktplatz angesiedelt. Vor den meisten standen Tische und Stühle und es gab kaum freie Tische.
Falk suchte sich einen dieser Tische aus und sah sich um. Es war ihm völlig gleich, wo er saß. Er hatte nicht vor etwas zu essen, denn egal wo er war, egal wie schön der Ort auch sein mochte, das Essen war einfach überall grauenhaft. Als die Bedienung kam, bestellte er freundlich ein Bier und lehnte sich entspannt zurück. Der Ort wirkte fast schon pittoresk. Überall waren Blumenkästen mit blühenden Pflanzen bestückt. Ein Brunnen mit einem netten Wasserspiel war mitten auf dem Marktplatz aufgebaut. Einige Händler räumten noch ihre Waren ein. Es schien Markttag gewesen zu sein.
Für einen Augenblick ließ er all das auf sich wirken. Das Gemurmel der Menschen um ihn herum war wie das Rauschen von Wellen am Strand. Er nahm es wahr, doch er hörte nicht hin.
Jedenfalls nicht, bis sich einzelne Wörter in seinem Verstand formten. Anfangs noch setzte er sie nicht in einen Zusammenhang und ließ sie einfach kommen. Doch mit jedem Wort wurde die Stimme klarer.Es war eine Frauenstimme und sie sprach die Worte nicht, sie dachte sie.
»... wie er wohl beim Kacken aussieht?«, eine Pause »... wenn er nur endlich still sein ...«, dann laut »HMM - AHA? Das ist interessant ...« Es folgte ein Gedankenfetzen »... was tue ich hier? HIMMEL! Warum hilft mir denn keiner?«
Und laut ausgesprochen »Wirklich? So einfach haben Sie ...« Falk grinste. Es war eine hohe Stimme, die sie unterbrach. Er grinste, weil der Mann sprach, während sie dachte »... das kann der doch nicht ernst meinen. Wie kann er glauben, dass ihm das jemand abnimmt ...«
»... und dann habe ich auf den Tisch gehauen!«, fistelte die männliche Stimme »So nicht - hab ich gesagt ...«, während die Frau dachte »... ob ich mildernde Umstände bekomme wenn ich ihm jetzt einfach die Gabel in den Hals ...«
Dann, in ihren Mordgedanken unterbrochen »Ja, wie ...? Nein, nein, habe ich noch nie ...«
Mit einem Lächeln nahm Falk wahr, dass sie anfing, sich zu ärgern »... warum antworte ich eigentlich? Es interessiert ihn nicht im Geringsten!«, eine kurze Pause, sie kicherte still »... er sieht aus wie ein ... verdammt! An was für ein Tier erinnert er mich bloß?«
Es machte Spaß, ihr zuzuhören »Wie bitte?«
Der Mann hatte sie etwas gefragt und sie hatte es nicht mitbekommen »Hmmm?«, fragte sie erneut und wieder näselte der Typ etwas. Falk hörte nicht mal hin, er wartete einfach nur auf ihren nächsten Gedanken und schloss die Augen »... ich muss völlig untervögelt sein, wenn ich meinen Samstag Abend hier mit so einem Idioten verbringe ...« Falk verschluckte sich, als sie den Gedanken weiterspann »467 Tage ohne Sex! Was macht das aus einem Menschen? Herrgott! Dafür MUSS es mildernde Umstände geben!« Jetzt lachte er laut auf und als sich die Leute an seinem Nachbartisch verwundert nach ihm umsahen, riss er sich zusammen. Er trank sein Glas aus und dann drehte er sich um, um die Frau zu betrachten, deren Gedanken ihm so viel Spaß machten.
Falk ließ seinen Blick durch den Raum wandern. Das Restaurant war voll besetzt, doch das Pärchen war leicht auszumachen und seine Augen blieben zuerst an dem Mann hängen. Das Tier, an das er sie erinnerte, war ein Maulwurf und für das arme Tier war das eine Beleidigung.
Falk wusste, dass er das Gesicht zu der näselnden Stimme war, ohne dass er einen weiteren Ton hören musste. Er musterte den teuren Anzug, die blinkende goldene Uhr, die Brille mit dem Goldrand und den Gläsern, die wie Lupen wirkten. Er hatte ein spitzes Gesicht und kniff die Augen zusammen. Falk dachte an ihren ersten Gedankenfetzen und stellte ihn sich ebenfalls beim Kacken vor. Wieder drehten sich einige Köpfe nach ihm um, als er auflachte. Sein Blick hielt an dem Mann fest. Er genoss den Moment, bevor er sich zu ihr drehte. Einige Sekunden lang betrachtete er die Frau die dort saß ohne Regung. Sie war irgendetwas ab vierzig aufwärts. Sie war ungeschminkt, ihre Haare waren nicht gefärbt. Ihre Kleidung war geschmackvoll, aber nicht auffällig. Sie trug keinen Nagellack, keinen Schmuck und im Vergleich zu den Frauen, die ihm sonst auffielen, war sie zu dürr. Doch hier und jetzt gefiel ihm was er sah! Sie wirkte echt und das zog ihn an. Ohne sich dessen bewusst zu sein, stand er auf und betrat das Restaurant. Von dem Moment an, als er eintrat, sah er sie an und nahm den Blick nicht mehr von ihr. Er tat einen Schritt auf sie zu und blieb dann einfach stehen. Er sah sie an und freute sich, als sie unter seinem Blick anfing zu schwitzen.
Sie sah bezaubernd aus, als sie mit roten Backen den Blick abwandte und verzweifelt versuchte, sich auf die Worte des Maulwurfes zu konzentrieren. Es brachte sie aus der Fassung, als Falk einen weiteren Schritt auf sie zu trat. »Steht einfach da und stiert mich an?«, flüsterte ihr Verstand.