Die Zimmer waren schick, modern und neu. Die grau-beige marmoriert gestrichenen Betonböden und Betonwände wirkten zwar sehr kühl, aber mir gefiel dieser puristische Stil. „Okay, ich nehme es.“ Gemeinsam gingen wir wieder die Treppe hinauf ins Hotel. „Frühstücken können Sie ja weiterhin hier“, sagte Elisabetta. „Das ist aber nett“, meinte ich erstaunt. Wir setzten uns wieder. Ich nahm meinen alten Platz am Frühstückstisch ein. Elisabetta fragte mich: „Noch einen Kaffee?“ „Ja, gern. Der schmeckt unwahrscheinlich gut hier. Dieses Aroma. Welche Marke ist das?“ „Lavazza“, meinte sie und zeigte mir die Kapsel. Massimo setzte sich auf die Couch, die rechts hinter mir stand. Wir erzählten über Berlin, Palermo, Zürich. Ich versuchte, meine Italienischkenntnisse anzuwenden und sprach sehr langsam, was aus meiner eigenen Erfahrung heraus für andere nervend sein musste. „Ich wollte eigentlich eine Rundfahrt machen“, lächelte ich ihn, mich zu ihm umdrehend, an. Massimo fragte, ob ich von dem Attentat auf die Richter Giovanni Falcone und Paolo Borsellino gehört hätte. „Ja, ich habe in Vorbereitung auf meine Reise nach Sizilien diverse Bücher über die Mafia gelesen“, meinte ich. „Wenn Sie Lust haben, können Sie heute mit mir kommen“, sagte Massimo, „um achtzehn Uhr ist eine Gedenkfeier anlässlich des einundzwanzigsten Todestages, vor dem Haus von Falcone.“ Ich erwiderte: „Ja, gern.“ „Ich hole Sie hier um siebzehn Uhr mit der Vespa ab.“ „Mit der Vespa? Oh, das finde ich toll. Ja, gern“, sagte ich auf Deutsch. Um Missverständnissen vorzubeugen, fragte ich ihn nochmals, wo und wann wir uns treffen. „Schreiben Sie es bitte hier auf!“ Ich drehte mich zu ihm und reichte ihm einen Restaurantflyer und meinen Kugelschreiber, mit dem er die Uhrzeit und seinen Vornamen aufschrieb. Diesen Flyer hob ich mir Jahre auf. Voller Freude erhob ich mich vom Frühstückstisch und verabschiedete mich. Wir strahlten uns alle an. Wieder bummelte ich durch die Altstadt.
Abends wartete ich in der Lobby. Er kam pünktlich zur Verabredung. Wir nahmen den Lift und fuhren runter. Seine rote Vespa hatte er vor der Einfahrt geparkt. In der Hand hielt er zwei Helme, von denen er mir einen reichte: „Der ist hier Pflicht", sagte er und half mir, den Helm zuzumachen. Während er vor meinem Gesicht herumfummelte, lächelte ich ihn vor Freude an. Ich hatte meine knallengen hellen Jeans an, die meine langen schlanken Beine, gemessen bis zur Hüfte hundertzehn Zentimeter, betonten. Viele Jahre hatte ich nicht mehr auf einer Vespa gesessen. Ich stieg auf. Wo und wie sollte ich mich festhalten? dachte ich. Ich guckte, wie es die anderen machten und hielt mich am Griff hinter mir fest. Auch wenn ich es nicht wollte, ließ es sich nicht vermeiden, dass ich ab und zu mit meinem Busen gegen seinen Rücken stieß. Es gefiel mir sehr, wie er sich mit all den anderen Mopedfahrern durch den dichten Berufsverkehr schlängelte. Zahlreiche Leute strömten zu dieser Demo. Massimo suchte in der Nähe einen Parkplatz. Er nahm meinen Helm an sich und drängelte sich durch die Massen. Ständig sah er sich um, ob ich auch noch hinter ihm war. Ab und zu telefonierte er mit seiner Partnerin. Wir wollten uns an einer bestimmten Stelle mit ihr und seinen Freunden treffen. Gedrängel, Gedrängel. „Wo seid ihr?“, fragte er am Telefon. Nach einer Weile trafen wir seine Freunde und ich stellte mich ihnen vor. Kurz darauf stieß auch seine Partnerin zu uns. Ich musterte sie: Kurze Beine, dunkle kurze Haare, ganz das Gegenteil von mir. Nichts Besonderes. Er begrüßte sie ohne Kuss, ohne Berührung. „Hi“, sagte er zu ihr. Ich begrüßte sie mit meinem festen Händedruck. Dann hörten wir der Kundgebung zu. Etwas abseitsstehend betrachtete ich ab und zu seine Freunde und fühlte, wie auch sie mich fixierten. Zahlreiche Jugendliche hielten Transparente hoch, auf denen stand: Nieder mit der Mafia! Nach der Kundgebung verabschiedete ich mich von allen mit einem Kopfnicken und lief Massimo nach. Ich hatte überhaupt keine Ahnung, wo ich war. Es war mein zweiter Nachmittag in Palermo. Er brachte mich zur Pension zurück, denn er wollte sich mit seinen Freunden zum Essen treffen. Nachdem ich abgestiegen war, gab ich ihm den Helm und bedankte mich herzlich: „Bis morgen.“ „Ciao, bis morgen.“ Ich sah ihm lächelnd nach.
Den Abend über schlenderte ich durch Geschäfte, kaufte mir ein Paar schicke Sandalen und ging anschließend in ein, mir von Adolfo empfohlenes, Restaurant. Ich setzte mich draußen an einen der fünf Tische und kam mit einem australischen Touristen am Nebentisch ins Gespräch. Wir verabredeten uns zu einem Treffen für den nächsten Tag. Das Menü schmeckte gut. Der junge Kellner, ganz in schwarz gekleidet, war sehr um mich bemüht. Zufrieden machte ich mich auf den Heimweg.
Am nächsten Morgen zog ich mir Sportsachen an, denn ich wollte auf die berühmten historischen Märkte Capo und Ballaro, die mir die beiden Herren empfohlen hatten. Als Massimo ins Hotel kam, saß ich noch am Frühstückstisch. Wieder setzte er sich auf die Couch, die hinter meinem Rücken stand und ich fühlte, wie er mich von der Seite musterte. Meine langen Beine