Mördertränen: Thriller. Alfred Bekker. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Alfred Bekker
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783742733153
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mit dem Chili ein Stück von sich weg und nahm einen tiefen Schluck Mineralwasser. Ich hatte wenig Mitleid mit ihm. Schließlich hatte ich ihn gewarnt. Das Chili bei „Tapas Mexicanas“ war wirklich extrem scharf.

      „Meinst du, wir sollten mal bei seinem Laden vorbeischauen, ob alles in Ordnung ist?“, fragte er.

      „Damit würden wir ihn kompromittieren.“

      „Ich mache mir Sorgen um ihn. Wenn wir unauffällig bleiben, könnten wir doch mal bei ihm vorbeischauen.“

      „Ich weiß nicht, ob das wirklich eine gute Idee ist.“

      „Echeveria könnte in Schwierigkeiten sein.“

      „Na gut.“

      Wir standen auf und verließen das „Tapas Mexicanas“. Unser Dodge stand nur wenige Meter entfernt. Wir stiegen ein und fuhren noch einen Umweg, der sich aufgrund der Einbahnstraßen leider nicht vermeiden ließ, etwa eine Viertelstunde später an Norman Echeverias Friseurgeschäft vorbei – so langsam wie möglich, ohne dabei besonders aufzufallen.

      Der Laden war geschlossen. Und zwar offenbar dauerhaft. Die Tür war mit Holzplatten vernagelt, die Fenster blickdicht verhängt und es hing ein Schild mit der Aufschrift „For Sale“ davor.

      „Halt mal hier irgendwo an und lass mich raus!“, forderte Jaden. „Dann fahre einmal um den Block und hol mich wieder ab.“

      „Aber...“

      „Das stinkt doch zum Himmel!“

      „Echeveria hat sich ja nicht ausdrücklich mit uns verabredet!“

      „Aber dieser Mann führt ein Leben wie ein Uhrwerk! Und jetzt so etwas!“

      „Vielleicht will er einfach seinen Lebensabend irgendwo anders genießen, als in Spanish Harlem. Da muss er uns ja nicht unbedingt vorher einweihen, oder?“

      „Mir gefällt das trotzdem nicht!“

      Ich ließ Jaden am Straßenrand aussteigen und fuhr dann weiter. Während ich eine Runde um den Block drehte, erreichte mich über Handy ein Anruf unseres Field Office, den ich über die Freisprechanlage entgegennahm.

      Am Apparat war Mr John D. Kellerman, unser Chef.

      „Barry, ich nehme an, Ihr Treffen mit Norman Echeveria ist bereits beendet.“

      „Es hat nicht stattgefunden, weil er nicht aufgetaucht ist“, erwiderte ich. „Sein Laden steht überraschenderweise zum Verkauf. Unser Informant scheint in seiner Lebensplanung eine sehr plötzliche Veränderung vorgenommen zu haben.“

      „Oh“, entfuhr es unserem Chef. Weitergehend dokumentierte er diese Neuigkeit nicht. Sie war ein einzelnes Puzzleteil in unseren Ermittlungen gegen die Mara Salvatrucha, wie die vollständige Bezeichnung der Mara 13 eigentlich lautete. Wie dieses Puzzleteil einzuordnen war, musste sich erst noch erweisen.

      „Ich nehme aber an, dass Sie immer noch in Spanish Harlem sind“, sagte Mr Kellerman dann, nach kurzer Pause. Ich konnte durch die Freisprechanlage hören, wie Mr Kellerman in seinem Büro von jemandem angesprochen wurde und erkannte die Stimme von Helen, seiner Sekretärin.

      „Wir sind immer noch in Spanish Harlem“, bestätigte ich.

      „Ganz in Ihrer Nähe hat es einen Mordanschlag gegeben. Ein Mara 13-Mann wurde bei seinem Tätowierer erschossen. Die Kollegen der City Police sind bereits dort.“

      „Schon unterwegs!“, versprach ich.

      Dann bekam ich eine Nachricht auf meinem Zweithandy.

      Eine Nachricht von Valentina.

      >Ich hoffe, die Sache geht voran<, stand da.

      6

      Mein Kollege Jaden Hecker sah sich unterdessen bei dem Friseursalon von Norman Echeveria um. Seltsam war, dass auf dem „For Sale“-Schild kein Hinweis zu sehen war, an wen man sich denn wenden konnte, wenn man tatsächlich an dem Laden interessiert war. Nicht einmal eine Telefonnummer war angegeben.

      Dann ging Jaden in die Türnische. Dafür, dass die Tür mit Holz vernagelt war, konnte es eigentlich nur eine vernünftige Erklärung geben: Die Tür ließ sich nicht mehr schließen. Vielleicht deswegen, weil es einen Einbruch gegeben hatte. Jedenfalls war es unmöglich, einen Blick ins Innere zu werfen. Weder durch die Ritzen zwischen den einzelnen Holzplatten noch durch die engen Schlitze zwischen den Vorhängen war das möglich.

      Eine ältere Frau mit einer Einkaufstasche blieb stehen. Sie war klein und zierlich. Das Haar war – passend zu ihrem dunklen Teint – sicherlich einmal blauschwarz gewesen, doch jetzt war es grau durchwirkt. Sie war schätzungsweise zwischen Mitte sechzig und Mitte siebzig und starrte Jaden mit großen Augen an, als hätte sie einen Geist vor sich.

      Jaden deutete auf Echeverias Laden.

      „Wissen Sie seit wann hier geschlossen ist?“, fragte er.

      „No comprendo, senor!“

      Jaden war sich ziemlich sicher, dass die Frau aus der näheren Umgebung stammte, und dass sie Norman Echeverias Friseursalon eigentlich kennen müsste. Vermutlich war sie sogar mit ihm persönlich bekannt.

      „Mister Norman Echeveria – wo?“, fragte Jaden.

      „No se habla inglés!“, behauptete die Frau.

      Jadens Blick fiel auf eine zusammengerollte Zeitschrift, die aus ihrer Tasche herausragte. Es war deutlich erkennbar, dass die Überschriften in englischer Sprache verfasst waren. Die Frau hatte einfach Angst, mit jemandem zu sprechen. Sie sah zur Seite. Ein Mann, Ende zwanzig näherte sich. Er hatte die Ärmel seines Kapuzenshirts hochgeschoben. 'MS-13' hatte er sich in verschnörkelten Fraktur-Lettern tätowieren lassen. Auf dem anderen Arm stand die Aufschlüsselung dieser Abkürzung in kleineren Buchstaben: 'Mara Salvatrucha 13'.

      „Problemas?“, fragte der Tätowierte.

      „Nada“, murmelte die Frau und nutzte die Gelegenheit, sich davon zu machen.

      Der Tätowierte kam auf Jaden zu. Er verschränkte dabei die gut trainierten Arme vor der Brust. Drei Tränen gab es auf seiner linke Wange – fein säuberlich in schwarz auftätowiert. Das Innere war mit blutroter Farbe ausgefüllt.

      „Verlaufen?“, fragte er dann.

      Jaden nahm seinen Dienstausweis hervor. „Anscheinend bin ich hier genau richtig“, antwortete er.

      Der Tätowierte zuckte unwillkürlich zusammen. Er schien zu erwägen, einfach wegzulaufen. Die Anspannung seiner Muskulatur war deutlich zu sehen. Für den Bruchteil eines Augenblicks schien nur noch nicht entschieden zu sein, ob er Jaden vorher noch einen Faustschlag versetzen wollte. Aber dann besann er sich eines Besseren.

      Er atmete tief durch und verzog das Gesicht, so als wollte er damit sagen: Was habt ihr hier schon zu suchen? Dies ist unser Gebiet.

      „Hier war bis vor kurzem ein Friseursalon“, sagte Jaden.

      Der junge Mann zuckte die Schultern. „Die Zeiten ändern sich und die Straße auch.“

      „Ich dachte, Sie hätten vielleicht was davon gehört an wen man sich wenden kann, wenn man den Laden kaufen