»Du kannst mich gerne auslachen, aber das Zeug stinkt wie die Pest«, fluchte Neve mit unbekannter Nasenstimme. Sam presste ihre Lippen aufeinander, nur damit sich Neve nicht allzu verspottet fühlte. Allerdings konnte sie ein kurzes prusten beim besten Willen nicht unterdrücken.
Mit zusammengekniffenen Augen blickte Neve sie noch einmal an, bis sie zur Armatur zurückging. Sie fuchtelte einige Zeit vor sich hin, schnappte mit weggedrehtem Kopf immer wieder nach Luft, bis sie fast salutierend vor ihrer Frau stand.
»Bewaffnet und bereit, Ma'am«, verkündete sie mit ihrer Nasenstimme stolz. Sam schmunzelte, griff ihr in die Bluse und zog sie in das Schafzimmer zurück.
»Komm Schatz, mach mir ein Kind«, lachte sie schalkhaft und sarkastisch. Sie nahm Neve die Wäscheklammer ab, schmiss sie achtlos zur Seite und zog sie näher zu sich, nur um ihre Lippen voll und ganz für sich in Besitz zu nehmen.
»Oh, ich werde es dir so richtig besorgen, Baby«, murmelte Neve mit gespielt männlicher Stimme. Beiden entfuhr gleichzeitig ein Lachen, bis sie sich auf das Bett fallen ließen und ihren ersten Versuch von zwei starteten.
***
»Oh Gott, Neve«, schreit Sam mit einem Mal unfassbar ängstlich. Nur mit einem einzigen schnellen Blick nach oben, reicht Neve Laura, Sams Hand. Diese übernimmt hastig und kniet sich am Becken hinter ihre Freundin. Beschützend hält sie sie, während Neve vorsichtig hinter Sam wegrutscht.
Die Hebamme eilt um das Becken herum. Zitternd und mit dieser Situation plötzlich völlig überfordert, kniet sich Neve zwischen Sams Beine.
Schreiend wirft Sam den Kopf auf den Rand zurück. Behutsam streichelt Laura sie, hält ihre Hand aber noch immer fest, die ihr bei dieser Kraftanstrengung fast die Knochen bricht.
Nur nebenbei bemerkt Neve, dass Laura ihrer Freundin irgendwelche Worte zuflüstert. Sie kann zwar keines davon verstehen, weiß aber, dass sie Sam beruhigen. Denn ihre Frau wechselt von einem Schrei, zu einem Brummen. Mit aller Kraft die sie besitzt, presst sie die Lippen aufeinander und die Augen zusammen. Aus dem Schreien ist ein kontrolliert schnelles atmen geworden. Wie ein Hund nach einer ausgiebigen Fahrradtour, hechelt Sam und klammert sich an Lauras Hand.
»Du machst das super«, lobt ihre Freundin sie. Als wenn sie die Worte kaum verstehen würde, schüttelt Sam den Kopf. Sie reißt ihn nach vorne, schaut ihre Frau an und beginnt wieder zu schreien.
Mit den Worten der Hebamme »Das Baby kommt«, wirft Sam den Kopf wieder zurück. Ihr ganzer Körper spannt sich bis in die letzte Faser an, als sie das erste Mal zu pressen beginnt.
Wenn Neve glaubte bisher jeden Schmerzensschrei ihrer Frau gehört zu haben, dann war es nichts gegen das, was ihre Ohren in diesem Augenblick zu hören bekommen. Sie überkommt eine Gänsehaut, wird sich aber schlagartig wieder bewusst, in welcher Verantwortung sie sich im Augenblick befindet.
Sam entspannt sich für einen kurzen Moment, nur um gleich darauf erneut vor Schmerzen zu schreien.
»Ruhig weiter atmen«, rät ihr die Hebamme, was Sam aber kaum wahrnimmt. Sie krallt sich weiter in Lauras Hand und lässt es sich nicht nehmen, ein lautes »Fuck« zu schreien.
Laura streicht ihr behutsam über den Kopf und haucht ihr während der weiteren Zeit immer wieder beruhigende Küsse auf das Haar. Sie blickt zu Neve vor, die zwischen Sams Beinen kniet und den Blick starr auf deren Schritt gerichtet hat.
Als sich deren Augen nach einer gefühlten Ewigkeit und unendlichen Schmerzen für ihre Frau weiten und sie irgendwie geschockt nach Luft schnappt, flüstert Laura Sam beruhigend »Weiter pressen« zu. Aber wieder schüttelt ihre Freundin den Kopf. Sie ist kaum noch bei Verstand. Benommen agiert sie nur noch und hört auf ihren Körper. Er sagt ihr, was sie zutun hat.
Von daher reißt sie erst wenige Sekunden nach Lauras Aussage den Kopf wieder vor. Ihre Augen halten sich an Neve fest, die wie hypnotisiert zu ihr hinunterblickt. Ihre Hände schwimmen zitternd aber aufmerksam vor Sam. Nur kurz hebt sie den Blick. Sie sieht ihre Frau voller Konzentration und mit hochrotem Kopf pressen und gleichzeitig den Schmerz ertragen. Sie selbst durfte dieses Gefühl mit Precious leider nie erfahren und ist für einen kurzen Augenblick tatsächlich neidisch auf Sam.
Diesen wichtigen und herzerfüllenden Schritt nun aber mit ihr teilen zu dürfen, reißt sie wieder in ihre Aufgabe zurück.
Zitternd aber zaghaft legt sie ihre Hände unter das Köpfchen des Babys. Sie bekommt kaum mit, dass ihr die Hebamme behilflich ist und unter Wasser die ersten Reste der Fruchtblase vom Köpfchen streicht.
Fassungslos und von diesem kleinen Wunder überwältigt, starrt sie zu diesem winzigen Wesen hinunter, dass sich noch nicht ganz zeigen mag.
Erst als Sam für ein paar Sekunden den Kopf wieder zurücklegt, Luft holt und sich ein letztes Mal anspannt, scheint sich das Baby den restlichen Werdegang überlegt zu haben.
Mit einem lauten Aufschrei, gibt Sam ihrem Kind einen letzten kleinen Stups, bis sich der Zwerg sanft von Neves Händen in einer einzigen fließenden Bewegung vollständig auffangen lässt.
So wie die Hebamme ihr das in mehreren Gesprächen zuvor genau erklärt hat, hebt Neve den Zwerg schnell aber zugleich vorsichtig aus dem Wasser und legt ihn Sam auf die Brust.
Ihre Frau braucht noch ein paar Sekunden, bis sie wieder bei klarem Verstand ist. Laura drückt ihr unaufhaltsam schluchzende Küsse auf die Haare, bis sie ihre Hand loslässt.
Kraftlos hebt Sam den Kopf und blickt zu diesem winzigen nackten Bündel auf ihrer Brust. Von den Schmerzen zwar noch benommen, aber mit dem Wissen, dass dieser Schritt nun vollendet ist, nimmt sie die Hände vor und legt sie vorsichtig um den kleinen Hosenscheißer. Schluchzend und weinend, streicht sie dem Zwerg über den faltigen und blassen Körper. Kaum beginnt das Baby zu schreien, fängt sie zu lachen an.
Erschöpft lässt sie für einen kurzen Moment den Kopf nach hinten fallen, blickt dann aber wieder nach vorne. Sie erfasst ihre Frau, die noch immer vor ihr kniet. Mit großen Augen und nassen Wangen starrt sie schon fast apathisch auf dieses neue Leben, bis Sam eine Hand zu ihr ausstreckt. Wortlos nimmt Neve diese und rutscht an ihre Seite. Ihre Ohren nehmen das Schreien des Babys wahr. Ihre Hand nimmt Sams sanfte Hand wahr und dennoch kommt ihr dieser Moment so unglaublich surreal vor. Sie kann das alles gar nicht so schnell verarbeiten, wie das nun gelaufen ist.
Stunden warteten alle auf diesen Augenblick und dann ging alles so schnell, dass Neve am liebsten noch einmal zurückspulen möchte, um das alles erneut zu erleben.
Erst als Sams Hand über ihre Wange streicht, kommt sie wieder zu sich. Benommen schaut sie ihre Frau an. Trotz der Erschöpfung, leuchten deren Augen voller Freude. Sie nimmt Neves Hand und führt sie vorsichtig zu dem kleinen Zwerg. Kaum spürt sie dessen Haut, laufen ihr noch mehr Tränen geräuschlos über die Wangen. Sie spürt den Hosenscheißer atmen, hört ihn schreien und könnte in diesem Augenblick selbst vor Freude schreien.
Sam holt sich erneut ihre Aufmerksamkeit, als sie ihre eigene Hand auf Neves legt. Kaum berühren sie beide den Zwerg, schauen sie sich an und wissen was sie wollen.
Neugierig blicken zwei Augenpaare an diesem winzigen Körper entlang, bis Sam die erste ist, die zu lächeln beginnt.
»Hallo Jean«, begrüßt sie weinend die kleine Maus auf dieser Welt.
Sam legt den Kopf zurück und sucht ihre Tochter. Zwischen all den Erwachsenen, kann sie sie dann ausfindig machen und lächelt sie voller Stolz an.
»Du hast eine Schwester«, verkündet sie erschöpft. Anstatt laut aufzuschreien, kniet sich Precious neben ihrer Mutter an das Becken. Faszinierend blickt sie auf das kleine Wesen. Erst durch das schwache Nicken, zeigt sie somit, dass sie die Aussage ihrer Mutter verstanden hat. Ihre braunen Augen tasten den kleinen schreienden Körper ab.
»Sie sieht komisch aus.« Neve schiebt einen Arm in Sams Nacken um sie zu stützen und streicht Precious mit der anderen Hand über den Kopf.
»Das ist ganz normal. Das wird schon.« Sam kann spüren, wie anstrengend diese