Auf ihren Spuren. Sabine von der Wellen. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Sabine von der Wellen
Издательство: Bookwire
Серия: Cecilia Hyde
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783748599173
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ist alles?“ Er scheint wirklich völlig perplex zu sein. „Manoman. Cecilia muss recht haben. Geister leiten uns.“ Seine Worte klingen aufgebracht und wütend und ich erkläre verdrossen: „Nein, das war zumindest nicht Mamas Geist. Sie wollte auf keinen Fall, dass ich davon erfuhr.“

      „Vielleicht doch. Sie war doch der Meinung, dass alles einen Sinn hat und wir von etwas geleitet werden. Hat sie dir je erzählt, dass sie glaubt, wie das mit uns und dem abläuft, was uns in unserem Leben passiert? Sie war da ja ganz speziell. Sie meinte, wir bringen Probleme aus anderen Leben mit in das jetzige und leiden unter ihnen. Sie glaubte deshalb auch, dass es keine Liebe für sie gibt. Sie war davon überzeugt, dass ihr das alles zugemutet wird, weil sie für etwas büßen muss. Ich hoffe, dass sie fertig gebüßt hat.“ Er trinkt sein Glas leer und schüttet sich und mir noch einmal ein. „Und ich glaube jetzt wirklich, sie lenkt uns. Joel, deine Mutter lenkt das alles. Sie war schon immer der Lenker von allem. Und jetzt lenkt sie uns.“ Er lässt sich mit dem Glas in der Hand an die Rückenlehne plumpsen und setzt die Füße über Kreuz auf der Tischplatte ab. „Oh Mann, Cecilia. So warst du und so bist du!“

      Ich will ihm gerade wiedersprechen und ihm von Mamas Brief erzählen, als er ruft: „Und dass du hier bist ist auch kein Zufall. Sie wollte, dass wir aufeinandertreffen. Ich weiß nur noch nicht, warum.“ Er hebt sein Glas in die Luft und prostet irgendwem Unsichtbaren zu. „Auf dich, meine Liebe. Und auf das, was du mit uns vorhast.“

      Ich starre Marco an, der mich plötzlich angrinst. Aber in seinen grünen Augen liegt Frust und Resignation. „Also, so ein Typ bei Lycos steckte dir ihre Seite, du bist über den Tor Browser ins Darknet und hast sie dort gefunden. Unglaublich. Was bist du für ein schlaues Bürschchen!“

      Mir widerstrebt es, die Lorbeeren allein einzuheimsen. Darum raune ich verunsichert, ob ich das sagen soll: „Ich hatte Hilfe. Ein Kumpel von mir …“

      „Was?“ Marco reißt die Füße vom Tisch und starrt mich an. „Was weiß er?“

      „Nichts. Er hat keine Ahnung, dass das Mamas Seite ist. Ich habe es auch nur daran gesehen, dass Jeannie wie Mama aussieht und ihre Kette trägt.“

      „Ihre Kette?“ Marco scheint einen Augenblick zu brauchen, bis er begreift. „Scheiße, die muss weg!“

      Ich weiß nicht, was er meint und greife nach dem Anhänger mit den Ringen um meinem Hals. „Auf keinen Fall. Die gebe ich nicht her!“

      Marco scheint nicht sofort zu begreifen. Dann sieht er, was ich schnell in meinem T-Shirt versenke und schüttelt den Kopf. „Ich muss das von Jeannie nehmen. Keiner darf sie mit dir oder Cecilia in Verbindung bringen.“

      Nun wird mir alles klar. „Du hast die Seite gemacht?“ Ich bin geschockt. Mir wird plötzlich bewusst, Marco weiß alles. Wirklich alles. Er weiß, was meine Mutter mit der Seite bezweckte und was sie damit tat.

      „Ja, ich habe Cecilia geholfen, sie zu erstellen.“

      Ich trinke einen großen Schluck Whiskey und brumme: „Dann weißt du auch, was diese Jeannie bisher für Wünsche erfüllte?“

      Marco scheint zu erstarren. Dann raunt er leise: „Sie hat nicht wahllos alles erfüllt. Das ging auch nicht. Da kam wirklich viel kranker Scheiß rein und nicht für alles waren passende Gegenparts zu finden. Aber es ist schon unglaublich, für was die Leute alles einen Haufen Geld bezahlen. Cecilia erkannte das. Sie war wirklich ein Genie.“

      Ich schlucke schwer. „Hat sie selbst Wünsche erfüllt? Ich meine …“ Weiter komme ich nicht, weil mir meine Stimme versagt.

      Marco sieht mich einen Moment unschlüssig an, bevor er endlich antwortet: „Ja. Ich sagte doch, sie war ein Genie.“

      Ich pfeffere das Glas auf den Tisch, greife Mamas Laptop und meine Tasche und brülle aufgebracht: „Warum hast du das zugelassen?“ Damit laufe ich zur Tür. Ich will weg von diesem Kerl, der meint, meine Mutter geliebt zu haben und doch zuließ, dass sie wer weiß was tat.

      „Joel! Warte!“

      Als ich die Tür erreiche, reißt er mich herum. „Warte! Ich wollte das nicht. Aber sie brauchte das. Ich sagte doch, für sie klappte das mit Familie und ein Mann fürs Leben bei konventionellem Sex nicht. Sie brauchte diese Freiheit. Ich konnte da tun, was ich wollte.“

      Ich starre ihn an.

      „Ich habe alles versucht!“ Marco klingt schrecklich resigniert und ich lasse mich von ihm wieder ins Zimmer ziehen, während er mir niedergeschlagen erklärt: „Ich habe mich auf den ersten Blick in sie verliebt. Damals war ich mit Michelle zusammen. Aber nachdem ich Cecilia kennenlernte, ging sie mir nicht mehr aus dem Kopf. Und sie war so anders. Immer auf der Suche, immer voller Ideen und hinter einem Leben her, dass alles bot. Ich war nur eine ihrer Stationen. Und glaube mir, als ich erfuhr, dass es dich gibt, war ich wirklich platt, weil ein Kind nicht in dieses Leben passte.“

      Ich bin von seiner Erklärung wie erschlagen. Er spricht von Cecilia Hyde, von der ich weiß, dass es sie gibt, aber die einfach in meinem Kopf nicht Fuß fassen will. Und was er über sie und den Umstand sagt, dass es mich gibt, lässt sich meinen Magen zusammenziehen. Es bestätigt, dass sie mich eigentlich als Cecilia Hyde nicht gebrauchen konnte und bestimmt auch nicht wollte. Aber bei mir war sie nicht Cecilia Hyde. Bei mir war sie Cecilia Jekyll. Da war sie die Gute!

      „Wie alt war ich, als du und meine Mutter …?“

      „Zwölf oder dreizehn. Keine Ahnung. So um den Dreh herum. Und sie sagte immer: Das ist meine einzige Liebe. Sie machte gar keinen Hehl daraus, dass sie mich nicht liebte. Sie versprach mir auch nie etwas. Aber sie gab mir viel. Sehr viel. Und ich musste feststellen, dass sie die Gabe hat, in einem die tiefsten Wünsche frei zu kitzeln und dann zeigt sie dir, wie du sie dir erfüllen kannst. Bloß meinen einen Wunsch erfüllte sie mir nie, weil es einfach nicht ihr Wunsch war. Sie war der Meinung, ein Wunsch darf nur erfüllt werden, wenn er sich mit dem Wunsch des Gegenübers deckt. Und das wurde dann auch ihre Erfolgsmasche. Wo kein Kläger, da kein Richter.“

      Ich verstehe nicht, was er meint. Aber ich muss an die Geschichten denken und glaube Zusammenhänge zu erkennen. Wenn jemand jemanden vergewaltigen will, dann suchte meine Mutter jemanden, der vergewaltigt werden wollte.

      Ich erschauere. „Ihr seid krank!“

      Marco lächelt wehmütig und nickt. „Wahrscheinlich. Aber wer ist das nicht. Hat nicht jeder etwas, dass ihn krank aussehen lässt - außer dir vielleicht? Du bist wahrscheinlich völlig unbescholten.“ Den letzten Satz wirft er mir verächtlich entgegen. Aber er schiebt mich zum Sofa zurück, als wäre ihm wichtig, dass ich ihm nicht abhandenkomme. Er zieht mir die Tasche aus dem Arm. „Oder irre ich mich? Joel, erzähl mir doch mal, wie dein erstes Mal ablief. Wenn es nicht die von deiner Mutter gewünschte große Liebe war, was dann?“ Seine grünen Augen mustern mich interessiert und seine dunklen Korkenzieherlocken fallen ihm ins Gesicht, als er sich von dem gegenüberliegenden Sessel zu mir herüberbeugt.

      Ich starre ihn entsetzt an.

      „Sag schon. Wie sieht dein Liebesleben aus. Komm, pack aus. Das sagt viel über einen aus und nachdem du unsere geheime Jeannie geknackt hast, bist du mir das schuldig.“

      Ich greife nervös nach meinem Glas, das aber leer ist.

      Als ich Marco ansehe, sieht er mich verdutzt an. Seine Augen verengen sich zu Schlitzen und sein ganzer Gesichtsausdruck verhärtet sich zu einer entsetzten Maske. „Sag nicht, es gab bisher noch kein Liebesleben?“ Er klingt völlig fassungslos und als wäre das unerklärlich.

      Poor. Was soll ich sagen?

      „Du hast noch nie …?“ Er scheint vollkommen perplex zu sein. „Verdammt Joel. Das gibt es doch gar nicht! Du musst ja schon kurz vor dem Durchglühen sein!“

      Ich bin von seinen Worten wirklich aufgebracht und spüre die Hitze auf meinen Wangen.

      „Du bist doch mittlerweile bestimmt schon siebzehn!“ Marco ist völlig außer sich. „Mein Gott, Jeannie hätte mal die Wünsche ihres Sohnes checken und erfüllen sollen.“ Er greift zur Flasche