"Sie scheinen keine sehr hohe Meinung von dem zu haben, was Sie da tun", stellte ich fest.
Jackson zuckte die Achseln. "Künstlerisch anspruchsvoll sind die Bestienkiller-Filme jedenfalls nicht. Aber wenn man das Glück hat, bei einem dieser Streifen Regie führen zu dürfen, ist das wie ein Gewinn in der Lotterie. Diese Filme sind alle gleich. John Mariano säubert als 'Der Bestienkiller' ein zukünftiges New York von einer großen Anzahl von Fieslingen, die keine hohe Lebenserwartung haben, sobald Mariano mit seinem Flammenwerfer auftaucht."
"Dauert es noch lange?", meldete sich die Blondine etwas maulend zu Wort. Sie hatte die Arme vor den Brüsten verschränkt und zog einen Schmollmund.
"Das hängt nicht von mir ab", knurrte Jackson. Sein Blick auf die Uhr sprach Bände. Er wollte uns so schnell wie möglich wieder loswerden.
Ich trat an den gelben Porsche heran, dessen Verdeck nach hinten geklappt war. Ich stützte mich auf die Oberkante der Tür und warf einen Blick auf die Blonde.
"Mein Name ist Trevellian. Und wer sind Sie?"
"Rita Garland", murmelte sie.
"Waren Sie auch am Set, als der Mord geschah?"
"Ja. Aber alles, was es dazu zu sagen gibt, habe ich bereits Ihren Kollegen von der City Police zu Protokoll gegeben. Mein Gott, als Mariano plötzlich zu Boden stürzte, und wir alle nach und nach begriffen, dass irgend etwas nicht stimmen konnte, gab es fast so etwas wie eine Panik. Die meisten haben erst einmal zugesehen, dass sie in Sicherheit kamen... Wenn jemand einen Mann wie John Mariano in aller Öffentlichkeit erschießt, dann muss es sich um einen Wahnsinnigen handeln... Irgend ein Irrer, der auf diese Weise in die Medien will." Rita atmete tief durch. Sie drückte die Faust zwischen ihre sich deutlich durch den enganliegenden Pullover heraushebenden Brüste und schluckte.
"Wir dachten alle, dass der Irre nochmal schießt und ein Massaker anrichtet", ergänzte Jackson.
"Ich verstehe..."
"Ich hoffe nur, dass ich wenigstens bald das Geld für die geleisteten Drehtage bekomme", knurrte Jackson.
"Wieso haben Sie da Sorge?", fragte Milo.
"Weil seine Witwe Haare auf den Zähnen hat. Sie ist Marianos dritte Frau, und ich vermute, es wird ein Riesengerangel um das Erbe geben. Schließlich gibt es auch Kinder aus den ersten beiden Verbindungen." Er machte eine wegwerfende Geste. "Aber das muss ja nicht Ihre Sorge sein."
"Kommen Sie", sagte ich. "Zeigen Sie uns genau, wie es passiert ist."
*
Wir gingen zwischen den Gebäudezeilen entlang. In Wirklichkeit sah die Szenerie in dem Filmausschnitt ganz anders aus. Der Eindruck war durch die Auswahl des Bildausschnitts so manipuliert worden, dass der Eindruck einer kilometerweiten Ruinenlandschaft entstand.
Eine weiße Markierung zeigte an, wo John Mariano gestorben war.
"Ich stand dort drüben, neben dem Kameramann", erklärte Jackson. "Rita war auch in meiner Nähe. Sie hatte dafür zu sorgen, dass Änderungen sofort ins Skript eingetragen wurden."
Ich deutete auf das fünfstöckige Flachdach-Gebäude.
"Von dort oben wurde geschossen... Haben Sie dort nichts bemerkt?"
"Der Schuss schien aus dem Nichts zu kommen. Wenn Sie sagen, dass es von dort oben gekommen ist, muss ich Ihnen das glauben. Gesehen habe ich dort nichts. Aber um ehrlich zu sein, habe ich auch nicht darauf geachtet. Es war ein einziges Chaos. Die Explosionen, der Nebel aus der Nebelmaschine, das zum Teil panisch reagierende Team..." Er sah mich an. Seine Augenbrauen bildeten eine Schlangenlinie.
"Sagen Sie, warum interessiert sich eigentlich der FBI für den Fall? So wie ich das sehe, handelt es sich um einen ganz gewöhnlichen Mord..."
"Das wird sich noch herausstellen", sagte ich.
"Das beantwortet nicht meine Frage. Trauen die hohen Tiere dem Police Department nicht zu, die Sache aufzuklären?"
"Jackson ist Bürger Kaliforniens", sagte ich ausweichend. "Und da er in New York State ermordet wurde..."
"Klingt für mich wie an den Haaren herbeigezogen", sagte Jackson. Mir gefiel es nicht, wie er das Frage-und Antwortspiel einfach umdrehte. Aber Jackson war es gewohnt, eine hundert-Personen-Filmcrew herumzukommandieren. An Selbstbewusstsein mangelte es ihm ganz gewiss nicht.
Ich lächelte dünn.
"Dann sagen Sie mir doch eine Version, die weniger an den Haaren herbeigezogen klingt!"
Er kratzte sich am Kinn.
"Nun, es gab doch da immer ein paar unbestätigte Gerüchte über Mariano..."
"Ach, ja?"
Ich wollte ihn aus der Reserve locken.
"Er soll Verbindung zur Mafia gehabt haben. Ermitteln Sie deshalb?"
"Wissen Sie etwas darüber?"
"Nur das, was man so hört. Aber um das beurteilen zu können, kenne ich ihn nun wirklich nicht gut genug. Bislang hatte ich ohnehin den Verdacht, dass es sich bei diesen Gerüchten um einen PR-Gag seines Managers handelt, um Mariano noch ein bisschen interessanter zu machen. Aber wenn der FBI sich für Mariano interessiert..."
Seitlich nahm ich eine Bewegung war. In einer der durch die Detonation ausgebrannten und von einem Rand aus schwarzem Ruß umgebenen Fensteröffnungen sah ich für den Bruchteil eines Augenblicks eine Gestalt.
"Was ist los, Jesse?", fragte Milo.
"Wir werden beobachtet..."
Mein Griff ging reflexartig zur Pistole vom Typ Sig Sauer P226, die ich im Gürtelhalfter stecken hatte. Ich fasste die Waffe mit beiden Händen.
"Bleiben Sie zurück!", sagte ich an Frank Jackson und sein Script Girl gewandt.
Natürlich konnte es Zufall sein, dass sich jetzt dort jemand herumtrieb. Und vielleicht war die Erklärung dafür auch ganz harmlos. Aber irgendwie glaubte ich nicht so recht daran.
*
Teil 2
Als ich das Gebäude erreichte und den Blick schweifen ließ, konnte ich nirgends etwas Verdächtiges sehen. Keine Bewegung, kein Laut, nichts.
Milo hielt sich ein ganzes Stück hinter mir und sorgte für meine Rückendeckung. Sicherheit ist das höchste Gebot in der Polizeiarbeit.
"Hallo! Ist da wer?", rief ich. Meine Worte verhallten zwischen den ausgebrannten und durch die Detonationen sichtlich mitgenommenen Ruinen. Ganze Mauerstücke waren herausgebrochen und auf die Straße gesackt. "Hier spricht Agent Trevellian vom FBI! Kommen Sie heraus!""
Wieder keine Antwort.
Die Tür hatte jemand ausgehängt. Der Eingang war offen. Ich tastete mich vorsichtig hinein. Milo folgte mir. Man konnte nur raten, wofür dieses Gebäude mal benutzt worden war. Der Raum, der sich vor meinen Augen erstreckte war groß und kahl.
Sicherlich zweihundert Quadratmeter. Vielleicht ein Großraumbüro. Die Reste von Teppichboden sprachen jedenfalls dafür, dass es sich nicht um einen ehemaligen Lagerraum handelte.
Auf der linken Seite bewegte sich etwas Dunkles.
Ich wirbelte herum.
Eine fette Ratte huschte über den Boden, blieb einen Augenblick lang stehen, hob den Kopf und blickte in unsere Richtung. Dann huschte sie davon.
Ich deutete zur Türöffnung, die aus diesem Raum herausführte. Dahinter wurde eine Art Flur sichtbar.
Vorsichtig durchquerten wir den Raum und tasteten uns dann zum Flur vor. Nirgends war etwas zu sehen oder zu hören.
Und auch von uns sagte keiner ein Wort.
Der Flur war lang und endete