CONTENT ohne EIGENTUM. Michael Wache. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Michael Wache
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783844261189
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Beispiel einer institutionalisierten Interaktion zwischen Eigentümern und Nichteigentümern ist der Verkauf/Kauf von Gütern als Waren. Warenbesitzer (Verkäufer) und Käufer interagieren hier in Doppelrollen als Eigentümer und Nichteigentümer von Gütern. Der Warenbesitzer ist Eigentümer eines Gebrauchsguts und (noch) Nichteigentümer des monetären Guts (Geld), das er für die Ware haben möchte. Der Käufer ist (noch) Nichteigentümer der Ware und Eigentümer des Geldes, mit dem er die Ware bezahlen kann. Vergleichsbasis beider Güter ist ihr ökonomischer Wert. Durch den Verkaufsakt tauschen beide Akteure ihre Rollen in den Eigentumsbeziehungen. Handelt es sich bei der Ware um ein dingliches Gebrauchsgut, so ist der Käufer nach dem Tausch dauerhaft Eigentümer des Gebrauchsguts und Nicht(mehr)eigentümer des Gelds, das er für das Gut bezahlt hat. Der Verkäufer ist dann Eigentümer des Gelds, das er für sein Gebrauchsgut bekommen hat, aber nicht (mehr) Eigentümer dieses Guts. Bei einer Dienstleistung, erwirbt der Käufer kein dauerhaftes Eigentumsrecht, sondern nur ein zeitlich befristetes Nutzungsrecht an diesem Gut – nämlich das Recht, die betreffende Dienstleistung in Anspruch zu nehmen. Der Verkäufer (= Erbringer) der Dienstleistung bleibt Eigentümer der Ressourcen (Arbeitskraft und/oder stoffliche Güter), mittels derer die Dienstleistung erbracht wird, und ist Eigentümer des Gelds, das er vom Kunden für seine Ware (Dienstleistung) bekommen hat.

      Anmerkung

      Bezüglich der Eigentumsbeziehungen von Dienstleistungen vertrete ich eine grundsätzlich andere Auffassung als Jeremy Rifkin in seinem Buch

The Age of Access.

      Rifkin verengt Eigentumsbeziehungen auf dingliche Güter. Seine These, dass „Eigentumsbeziehungen verschwinden“, basiert auf zwei Annahmen. Annahme 1: Herstellung, Verkauf, Erwerb und Nutzung stofflicher (dinglicher) Güter waren für die moderne Phase des Kapitalismus prägend. Dagegen sind in der postmodernen Phase des Kapitalismus, in der wir uns heute befinden, Dienstleistungen der Dreh- und Angelpunkt für Unternehmen und Privatkonsumenten. Annahme 2: Dienstleistungen sind keine Eigentumsgüter, weil der Käufer einer Dienstleistung nur einen Anspruch für eine zeitlich befristete Nutzung von Dingen und Leistungen erwirbt. Aus diesen Annahmen zieht Rifkin den Schluss, dass Eigentumsbeziehungen im fortgeschrittenen Entwicklungsstadium des Kapitalismus verschwinden. Diese Herleitung ist aus zwei Gründen nicht tragfähig: Zum einen vollzieht sich die Ablösung der Nutzung stofflicher Güter durch Dienstleistungen bei Weitem nicht in dem Umfang und mit der Geschwindigkeit, wie Rifkin das annahm. Gewiss ist die Ersetzung stofflicher Gebrauchsgüter durch Dienstleistungen ein Trend, für den es viele Beispiele gibt und der auch weiter fortschreiten wird. Gerade die Kommunikationskultur der Onlinewelt bietet viele neue Möglichkeiten und Motivationen für Sharing-Geschäftsmodelle und Collaborative Consumption (vgl.

Gansky 2010: The Mesh. Why the future of Business Is Sharing,
Botsman/Rogers 2010: What’s Mine Is Yours: The Rise of Collaborative Consumption).

      Doch diese Entwicklung hat Grenzen. Es gibt viele stoffliche Güter, deren Gebrauchswerte nicht durch Dienstleistungen substituierbar sind, und sehr viele Menschen, die gerne Dinge besitzen. Rifkins These vom Verschwinden des Eigentums trägt aber vor allem deshalb nicht, weil seine Annahme, dass Dienstleistungen kein Eigentum sind, an der Realität der Marktwirtschaft vorbeigeht. Dienstleistungen, die als Waren auf Märkten gehandelt werden, basieren immer auf Beziehungen zwischen Eigentümern und Nichteigentümern. Wenn Dienstleistungen angeboten, verkauft, gekauft und konsumiert werden, erwirbt der Käufer/Kunde zwar kein dauerhaftes Eigentumsrecht an einem stofflichen Gut, aber das Verhältnis und Verhalten zwischen den Marktteilnehmern ist strukturell eine Beziehung zwischen Eigentümern und Nichteigentümern. Diese Eigentumsbeziehung hat nur eine andere Gestalt als bei stofflichen Gütern. Im Übrigen sind Dienstleistungen die wichtigste und häufigste Warenart im kapitalistischen Wirtschaftssystem. Gemeint ist die Ware „Arbeitskraft“. Arbeitsleistungen, für die ein Unternehmer (Arbeitgeber) seine Angestellten oder Freiberufler bezahlt, sind Dienstleistungen, die diese Personen für den Unternehmer erbringen. Das Besondere dieser produktiven Dienstleistungen – im Unterschied zu konsumtiven Dienstleistungen, die Privatpersonen kaufen und in Anspruch nehmen – besteht darin, dass sie Teil eines ökonomischen Wertschöpfungsprozesses sind, der vom Unternehmer organisiert und finanziert wird. Durch die Bezahlung der Arbeits-/Dienstleistungen, erwirbt der Unternehmer das Eigentumsrecht an dem ökonomischen Beitrag, den die Arbeitenden (= Dienstleister) bei der ökonomischen Wertschöpfung leisten. Bei der Inanspruchnahme wertschöpfender Dienstleistungen erwirbt der Käufer also, ebenso wie der Käufer eines stofflichen Guts, das Eigentumsrecht an der von ihm bezahlten Ware. Ich werde nachher zeigen, dass diese Eigentumsrechte an wertschöpfenden Arbeitsleistungen eine wichtige Rolle im Zusammenhang mit dem dritten Grundgesetz des Eigentums spielen.

      Eigentumsbeziehungen sind Machtverhältnisse, bei denen zwei Machtbeziehungen ineinandergreifen: die (Subjekt-Objekt-)Macht des Eigentümers über das betreffende Gut und das (Subjekt-Subjekt-)Machtverhältnis zwischen dem Eigentümer und den Nichteigentümern. Der Eigentümer hat die Macht, exklusiv über sein Eigentumsgut zu verfügen. Komplementär gibt es eine Machtbeziehung, die gewährleistet, dass die Nichteigentümer dieses Monopolrecht der Eigentümer respektieren. Garant dieser Macht sind die Akteure, die im jeweiligen Sozialsystem das Gewaltmonopol haben und damit für Recht und Ordnung sorgen. In archaischen Gesellschaften waren das die Stammes-, und Dorfältesten, später Fürsten, Könige und Kaiser, in staatlich organisierten Gesellschaften sind das die Institutionen der Gesetzgebung (Legislative), Rechtsprechung (Judikative) und Rechtdurchsetzung (Exekutive).

      Exkurs: Privateigentum und Gemein(schafts)eigentum

      Privateigentum und Gemein(schafts)eigentum haben strukturell das gleiche soziale Beziehungsgefüge. „Das Unterscheidungskriterium zwischen Privat- und Gemeineigentum ist die Exklusivität bzw. die Reichweite der jeweiligen Verfügungsrechte, der Unterschied ist also graduell.“ (

Helfrich/Heinrich-Böll-Stiftung 2009, S. 94, vgl. dort auch S. 258)

      Alle Formen des archaischen (z. B. Horden, Stämme, Familien- und Dorfgemeinschaften) und neuzeitlichen (z. B. Wohnungseigentumsgemeinschaften) Gemein(schafts)eigentums regeln die Nutzung knapper Güter und inkludieren den Ausschluss von Verfügungsgewalt über das jeweilige Gut. Besonderheit des Gemeinschaftseigentums ist es, dass es bei dieser Eigentumsbeziehung zwei Ausschlussbeziehungen gibt: eine im Binnen- und eine im Außenverhältnis. Eigentümer von Gemeinschaftseigentum sind die Mitglieder der jeweiligen Gemeinschaft in ihrer Rolle als Interessenträger der Gemeinschaft. Nichteigentümer im Außenverhältnis sind alle Personen, die nicht Mitglieder der jeweiligen Gemeinschaft sind. Nichteigentümer im Binnenverhältnis sind dieselben Mitglieder der jeweiligen Gemeinschaft als Träger ihrer Privatinteressen. Dieselben Personen sind sowohl Eigentümer als auch Nichteigentümer. Diese Doppelrolle birgt natürlich immanent einen Quell von Interessenkonflikten in sich.

      Ein Beispiel: In einer Kleingartensiedlung gibt es ein Grundstück, das Gemeinschaftseigentum aller Kleingartenbesitzer der Siedlung ist. Nichteigentümer dieses Grundstücks im Außenverhältnis sind alle Personen, die nicht Mitglied dieser Kleingartensiedlung sind. Auf dieser Parzelle gibt es einen Kinderspielplatz, einen Grillplatz und eine Baracke mit einem möb­lierten Raum, Küche und WC. Alle Gartenbesitzer sind zu gleichen Teilen Miteigentümer dieser Anlage. Sie tragen zu gleichen Teilen Verantwortung und Kosten für ihren Betrieb und haben gleiche Rechte (Verfügungsgewalt) für die Nutzung – z. B. als Location für größere Feiern. Die Verfügungsgewalt aller Miteigentümer beschränkt sich jedoch auf