Malleus Proletarum - Der Proletenhammer. Marcello Dallapiccola. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Marcello Dallapiccola
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783844250473
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da kurbelte der Prag-Luis auch schon sein Seitenfenster herunter. „Beweg deinen Arsch hierher, aber sofort, verdammt nochmal! Und spuck augenblicklich den verdammten Kaugummi aus!”, schnauzte er sie an. Das Weib zuckte nicht mal mit einer Wimper und machte auch keinerlei Anstalten, den Schritt zu beschleunigen; sie senkte lediglich den Kopf ein wenig zur Seite und ließ geräuschlos den Kaugummi aus dem Mund fallen.

      „Nun komm schon oder soll ich aussteigen und dir Beine machen!?!” Es klang wie ein Befehl, nicht wie eine Frage, schien aber zu wirken. Das Mädchen trippelte ein klein wenig schneller. Sie beförderte eine beträchtliche Menge Bargeld aus dem Inneren ihres Mantels hervor, das sie artig dem Luis übergab.

      „Irgendwelche Vorkommnisse?”, fragte er mürrisch, während er die zerknautschten Scheine glatt strich und zu zählen begann.

      „Nix”, sagte die Dürre.

      Der Luis war mit Zählen fertig und fuchtelte dem Mädchen mit dem Bargeld-Bündel vor der Nase herum. „Die Bella hat fünf Scheine mehr gemacht als du, was soll das? Du liegst unter dem Schnitt, verdammt! Hast noch fünf Stunden Zeit bis Schichtende, mach vorwärts, dass du das hereinbringst!”, herrschte er die Schnepfe an. „Und schau mich an, wenn ich mit dir rede!”

      Die Alte vollführte einen Augenaufschlag, der irgendwo zwischen gelangweilt und genervt lag, und erwiderte Luis' Blick: „Keine Panik, Luis. Meine Kundschaft kommt erst noch.”

      „Dann ist ja gut“, schnaubte der Luis. „Und jetzt verschwinde, hopp, an die Arbeit mit dir!”

      Er scheuchte sie mit wedelnden Handbewegungen hinfort. Frasther grinste und schüttelte den Kopf. Respekt hatte die jedenfalls nicht viel vor dem Luis, dachte er sich. Minuten später waren sie wieder auf Prag-Luis' Kontrollroute unterwegs; der Luis schien jedoch einen kleinen Abstecher einzulegen, denn er bog von der Hauptstraße ab und parkte den Benz vor dem 'Beisl'.

      Das 'Beisl' war eigentlich ein Privathaus, wurde jedoch von der ortsansässigen Halbwelt als Rückzugspunkt genutzt. Bewirtschaftet wurde das 'Beisl' von Herrbert, einem ziemlich in die Jahre gekommenen Ex-Preisboxer und Ex-Zuhälter, der aussah wie die heruntergewirtschaftete Version eines Giftgasangriffe befehlenden Brigadegenerals aus dem Ersten Weltkrieg.

      Es gab Getränke fast zum Selbstkostenpreis, einen Billard- und vier Kartentische und wenn man Hunger bekam, schob der Herrbert einem auch eine Pizza oder ein Baguette in die Mikrowelle. Es wurde in moderatem Rahmen gezockt, Geschäfte wurden angebahnt und abgewickelt und es störte sich auch niemand daran, wenn man das eine oder oder andere illegale Substänzlein konsumierte, solange nichts aus dem Rahmen fiel. Es gab drei Hinterzimmer – zwei für Damenbesuch und eines für ganz spezielle Geschäfte. Für den Fall, dass sich irgendwer nicht zu benehmen wusste, gab es neben Herrbert – den man trotz seines Alters nicht unterschätzen sollte – auch noch den bulligen Glatzkopf Prackob, der stets den ganzen Abend reglos am Fleck hockte, grimmig dreinschaute und kaum ein Wort sagte. Eintritt selbstverständlich nur nach erfolgter Gesichtskontrolle.

      Außer Herrbert und Prackob waren lediglich drei Knastrologen* anwesend, die an einem der Kartentische saßen und rauchend sowie biersaufend eine Motocross-Übertragung im Fernsehen verfolgten.

      „Holla, der Hauinger als Schatten vom Luis unterwegs”, grüßte Herrbert grinsend. „Wenn da mal nix im Busch ist.“

      Frasther nickte zufrieden. Der Herrbert wusste also etwas, sonst würde er nicht so daherlabern.

      Prackob saß an seinem Platz und starrte grimmig ins Leere – er schien nicht mal zu bemerken, als sich Frasther und der Prag-Luis durch sein Blickfeld hindurch bewegten.

      Sie nahmen am Tresen Platz; Frasther bestellte ein Bier, der Luis einen doppelten Weiß-Süß*, zwei Magenbitter sowie zwei dreifache Whiskey für sich und nochmal drei Schnäpse extra, zum Anstoßen.

      „Hast' was Gröberes vor heute, oder was?”, fragte Frasther, amüsiert über diese Großbestellung.

      „Erstens hab' ich einen Durscht wie ein Viech und zweitens muss ich meine Nerven unter Kontrolle bringen”, antwortete der Prag-Luis. Dann wühlte er seine Geldbörse hervor, holte einen Fux* für Herrbert hervor und ein paar Scheine, die er Frasther rüberschob. „Hier schon mal eine Anzahlung, für heute und für morgen.“

      Dann nestelte er weiter in seinem Jackett herum und beförderte einige Utensilien zutage, die Frasther nur vom Wegschauen kannte. In Windeseile schaufelte er ein weißes Pulver vor sich auf den Tisch, zerdrückte und zerhäckselte das Zeugs mit einer Kreditkarte, zog ein Spürchen damit und rollte sich genüsslich einen Geldschein zusammen.

      Frasther verzog angeekelt das Gesicht und fragte zweifelnd: „Und das Zeug soll deine Nerven unter Kontrolle bringen?“

      Herrbert war inzwischen mit einem Tablett voller Getränke heranspaziert: „Da hat halt jeder so seine eigenen Methoden“, meinte er.

      Wieso machst denn das nicht mit ‘nem großen Schein, wär das nicht stilvoller als mit ‘nem läppischen Fünfer?”, erkundigte sich Frasther; in den Filmen zogen sich die Kokser ihren Mist immer mit Tausendern in die Nase.

      „'n Schein ist zu groß, da bleibt zuviel Zeugs drin hängen”, belehrte ihn der Luis, schob sich den zusammengerollten Fünfer in ein Nasenloch und rüsselte das weiße Spürchen mit einem pfeifenden Sauggeräusch weg. Danach legte er den Kopf in den Nacken, schnupfte und grunzte und zog sich die Nase hoch, als ob er eine Erkältung hätte.

      „Als ob dein Herz nicht eh schon genug zu pumpen hätte. Gesund kann das nicht sein”, moralisierte Frasther, dem Drogen immer schon suspekt gewesen waren.

      „Was heißt hier gesund? Erstens bist du nicht mein Arzt und zweitens hab' ich ganz andere Sorgen im Moment…“

      Er griff nach dem Magenbitter und prostete Frasther zu. Herrbert hatte sich ebenfalls ein Bier gezapft und stieß mit den beiden an.

      „Ah, tut das gut, so ein Kräutertrankerl! Da wird einem doch glatt warm ums Herz!”, philosophierte der Prag-Luis, nachdem er seinen Kräuterschnaps hinuntergestürzt hatte. Langsam stahl sich ein seliges Grinsen in sein schwabbeliges Gesicht.

      „Was hast' denn für Sorgen, Luis? War die Karre nicht versichert?“, fragte Herrbert und kam damit zur Sache. Es hätte Frasther auch gewundert, wenn der Beisl-Wirt noch nichts von ihrer Verschrottungsaktion gehört hätte.

      „Ich hatte keine Zeit, mit den Typen zu reden, deshalb weiß ich jetzt nicht, was für ein Rattenschwanz da noch dranhängt. Man weiß nicht mal, wer die Kerle sind und wo sie ihr Hauptquartier aufgeschlagen haben. Das macht's natürlich schwierig, mit denen zu verhandeln“, setzte der Luis den Wirt über den Stand der Dinge in Kenntnis.

      „Ich glaub', verhandeln musst' mit denen nicht mehr. Dürfte denen genauso klar sein wie dir, worauf das hinausläuft.“

      „Komm schon, Herrbert! Du hast sicher was gehört – spuck's aus, wenn du was weißt“, jammerte der Luis entnervt.

      „Haben die angefangen rumzuballern oder wart ihr das?“, erkundigte sich der Herrbert ungerührt.

      „Es war reine Notwehr, wir wollten ihnen erst nur ein bisschen folgen, um zu sehen, wohin sie fahren, aber die haben gleich angefangen mit der Knarre zu fuchteln!“, entrüstete sich der Luis ein wenig zu laut, kriegte sich jedoch gleich wieder ein, als Herrbert wie zur Warnung einen prüfenden Blick in Richtung der Knastrologen warf.

      „Is' wahr, die ham' zuerst geschossen“, bestätigte Frasther.

      Herrbert wischte mit dem Lappen gedankenverloren auf dem Tresen herum. Er schien zu überlegen. Schließlich brummte er: „Man hört ja so allerhand. Die Geschichte von der Russenmafia glaub' ich jedenfalls nicht. Mal ehrlich, was sollen die hier? Vor allem – wenn die Russen kommen, dann mit Krawall. Also, ich mein', ich hab' noch von keinem Giftler gehört, dass sich wer in sein Geschäft drängen würde – oder von den Casinofuzzis. Oder Sicherheitsbranche, oder Warenverkehr. Nix, nada, niente. Deren Geschäfte gehen wie eh und je. Also keine Russen. Da scheint's rein um den Strich zu gehen und offenbar haben sie sich grad dein Revier ausgesucht. Tja, das