Der Wüstensklave. J. D. Möckli. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: J. D. Möckli
Издательство: Bookwire
Серия: Wüstensklave
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783750212480
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dann wärst du jetzt nicht hier.«

      »Bin ich denn kein schlechter Mensch, weil ich sogar froh bin, dass sie mein Kind umgebracht hat?« Deutlich ist aus seiner Stimme herauszuhören, wie sehr er an sich selbst zweifelt.

      Ren seufzt tief auf. »Ach Yari, du bist doch kein schlechter Mensch. Im Gegenteil, es zeigt doch, was für ein guter Mensch du bist. Denn unbewusst weißt du, dass dein Kind als Sklave oder Bastard in diesem Haus kein Leben gehabt hätte.« Leicht drückt er ihn von sich weg und legt dafür die Hände auf Yaris Wangen. Lächelnd blickt er in die Augen, die schon zu viel Leid gesehen haben. »Denk immer daran, dass wir für dich da sind. Du bist ebenso mein Enkel, wie es Kai ist, und ich bin unglaublich stolz auf dich.«

      Diese Worte lassen eine schwere Last von Yaris Herzen fallen, von der er bis jetzt gar nicht gewusst hat, dass er sie mit sich herumtrug. »Großvater … Ich hatte noch nie einen Großvater, sondern immer nur Tante Amina.«

      Mit wehem Herzen denkt Ren an seine Amara. Wie gern würde er Yari erzählen, was er weiß, aber dafür ist es noch viel zu früh. »Was hältst du von einem kleinen Spiel? Ich denke nämlich, dass wir beide heute Nacht nicht mehr schlafen werden, oder?« Lächelnd sieht er Yari an, als dieser sich mit einem erstaunten Gesichtsausdruck von ihm löst.

      »Was willst du denn spielen? Ich glaube nicht, dass ich mich momentan auf Schach konzentrieren könnte.«

      Ren steht mit einem breiten Grinsen auf und holt einen Stapel Karten aus der obersten Schublade der Kommode.

      Verwirrt blickt Yari auf die Spielkarten, die Ren auf den Tisch legt.

      »Also … auch wenn ich jetzt vermutlich das erste Mal im Schach eine richtige Chance gegen dich hätte, spielen wir wohl besser ein ganz einfaches Kartenspiel.« Kurz durchsucht er den Stapel nach den richtigen Karten, um Yari das Spiel zu erklären. »Also, wir haben beide gleich viele Karten in der Hand, sodass wir sie nicht sehen können. Dann decken wir abwechselnd die oberste Karte auf und sobald die erste zehn aufgedeckt wird, legt man sie hin und darf dann weitermachen. Erst wenn die Zehn liegt, darf man die nächsten Karten, aufsteigend oder absteigend, der Reihe nach dazulegen, aber auch nur die Farben, von denen die Zehn schon liegt. Sobald man nicht mehr ablegen kann, ist der andere Spieler wieder dran. Wer zuerst keine Karten mehr hat, hat gewonnen.«

      Yari nickt. »Das ist ein reines Glücksspiel, keine Taktik, rein gar nichts. Das sollte ich hinkriegen.«

      Als Ren die Karten wieder sorgfältig gemischt hat, bekommt Yari die eine Hälfte des Stapels in die Hand gedrückt. »Du kannst anfangen.«

      »Mist, ein Ass.« Enttäuscht, dass er noch nicht ablegen kann, schiebt Yari die Karte unten in seinen Stapel zurück.

      Schmunzelnd deckt Ren nun seine Karte auf. »Eine Sechs. Du bist wieder dran.«

      Während Ren und Yari spielen, schleicht sich Kai leise in die Küche, um für alle Tee zu kochen. Er ist froh, dass sich Yari bei Großvater erleichtert hat. Lächelnd gibt er einen Extralöffel Honig in dessen Tasse.

      Als der Tee endlich fertig ist, füllt er die drei Tassen und geht wieder nach oben.

      Schon im Flur kann Kai seinen Großvater jubeln hören.

      Kopfschüttelnd beobachtet Yari, wie Ren sich darüber freut, dass er als erster keine Karten mehr in der Hand hält. Dabei kommen ihm auf einmal die Worte seines Vaters in den Sinn: In deiner Position kannst du es dir niemals erlauben zu verlieren. Du musst immer auf den Sieg hinarbeiten, was er dich auch kosten mag. Sich die Nasenwurzel reibend, versucht sich Yari daran zu erinnern, wann er diese Worte gehört hat und, was noch wichtiger ist, warum ihm diese sein immer noch namen- und gesichtsloser Vater gesagt hat.

      Auf einmal bemerkt er Kai an der Tür, was ihn unwillkürlich lächeln lässt. »Sharik, was machst du denn hier?« Als Kai mit den drei Tassen zu ihnen kommt, rutscht Yari sofort zur Seite, damit dieser sich neben ihn setzen kann.

      »Hier. Wenn wir schon mitten in der Nacht zusammensitzen und spielen, dann können wir auch Tee trinken.« Bewusst erwähnt er nicht, dass er das Gespräch der beiden mitangehört hat.

      Mit der Tasse in der Hand gibt ihm Yari einen hauchzarten Kuss. »Danke. Willst du auch mitspielen? Großvater schuldet mir eine Revanche.« Schmunzelnd sieht er zu Ren, der gerade einen Schluck Tee nimmt und dann die Stirn runzelnd in die Tasse blickt.

      »Sag mal, Kai, hast du das Tee-Ei wieder ins kalte Wasser getan, um Zeit zu sparen? Du weißt doch, dass der Tee langsam im heißen Wasser ziehen muss, um wirklich gut zu schmecken.« Eine Augenbraue tadelnd hebend, mustert er seinen Enkel, der ertappt den Kopf einzieht.

      »Ja, aber sonst dauert es doch immer so lange und ich wollte schnell hier sein, um euch Gesellschaft zu leisten.«

      Neugierig nimmt Yari nun auch einen Schluck von seinem Tee, der zu seiner Freude mit Honig gesüßt ist. »Ja, es schmeckt etwas anders als sonst, aber trotzdem lecker.« Wieder gibt er Kai ein Küsschen. »Danke für den Honig.«

      Mit leicht geröteten Wangen nimmt Kai nun auch einen Schluck und muss leider zugeben, dass sein Großvater recht hat. Trotzdem trinkt er die Tasse leer, bevor er sie auf den Tisch stellt und sich dann an seinen Liebsten lehnt. Erst jetzt fällt ihm auf, dass um dessen Schultern die leichte Wolldecke liegt, obwohl es im Zimmer ziemlich warm ist.

      Natürlich bemerkt Yari den erstaunt fragenden Blick seines Shariks. »Großvater war so nett und hat sie mir um die Schultern gelegt, weil ich sonst nur in meinen Shorts hier sitzen würde …«

      Um sich irgendwie zu beschäftigen, stellt er seine Tasse neben Kais und schiebt die Karten zusammen, um sie für eine weitere Spielrunde zu mischen.

      Erst, als er der Meinung ist, dass die Karten wirklich gut gemischt sind, verteilt er sie.

      »Kai, du fängst an«, bestimmt Yari dann einfach, was sowohl Kai als auch Ren zum Schmunzeln bringt.

      Immer wieder drehen sie nun die Karten um und legen sie nach Möglichkeit ab, bis sich der Tisch deutlich gefüllt hat.

      Je weniger Karten Yari in der Hand hält, desto mehr spannt er sich an, weil er nur darauf wartet, dass er wieder ablegen kann. Er weiß ganz genau, dass von den anderen beiden nur noch eine bestimmte Karte abgelegt werden muss, damit er in der nächsten Runde gleich mehrere Karten hintereinander loswerden kann.

      Doch dann legt Kai eine Karte nach der anderen ab und platziert sogar als letztes das Ass am Ende der Herzreihe. »Ha, ich habe gewonnen.« Kai klatscht vor Freude in die Hände, ehe er sich grinsend zurücklehnt. »Jetzt bin ich aber gespannt, wer von euch beiden den zweiten Rang belegt.« Zu seiner Überraschung sitzt sein Liebster nur ruhig da. »Yari? Du bist dran.«

      Da lässt Yari die Karten fallen und rennt aus dem Zimmer.

      »Was?« Erschrocken sehen sich Kai und sein Großvater an.

      »Geh ihm nach, ich räume hier auf«, meint Ren nur.

      Sofort springt Kai auf, schnappt sich eine der Lampen und geht rüber in das Schlafzimmer, weil er vermutet, dass sich sein Liebster da aufhält.

      Tatsächlich findet er Yari in dessen eigenem Zimmer im Dunkeln auf dem Bett sitzend vor und klettert, nachdem er die Lampe auf den Tisch gestellt hat, neben ihm auf die Matratze. Sich mit dem Rücken an die Wand lehnend, mustert er ihn.

      »Was hast du denn? Es war doch nur ein Spiel.« Leicht umgreift er eine von Yaris Händen, was zu seinem Erschrecken dazu führt, dass dieser sich komplett verspannt.

      Angespannt sitzt Yari da und versucht, die Bilder aus seiner Kindheit wieder loszuwerden. »Ich durfte nie gegen andere verlieren!«, bricht es plötzlich aus ihm heraus. In dem Versuch, die Bilder zu vertreiben, schließt er die Augen, nur sieht er sie jetzt noch deutlicher und spürt nun auch ein Brennen auf seiner Wange. Unwillkürlich legt Yari die Hand auf diese Stelle. »Ich habe es darum immer vor meinem Vater verheimlicht, weil ich damals Angst hatte, dass ich dann nicht mehr spielen darf. Aber er hat es wohl herausgefunden. Er hat getobt und mir eine Ohrfeige verpasst, weil ich im Schach gegen jemanden verloren hatte.«