KAIROS. Gerrit Stanneveld. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Gerrit Stanneveld
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783844284607
Скачать книгу
Freund blau. Wir saßen in ‚de Tapperij‘, einer Kneipe in Heerlen, tranken Bier und zockten ein bisschen. Mein Kumpel hatte immer Geld in der Tasche, die Familie besaß einen Schrottplatz, und so lief er im Alter von vierzehn, fünfzehn Jahren immer mit ein paar Hundertern in der Tasche herum. Gegen Mittag saßen wir dann betrunken in der Klasse und begriffen natürlich nichts vom Lehrstoff. Auch mit dem Direktor gab es wieder Ärger, weil ich mit dem Mofa zur Schule kam, obwohl ich erst vierzehn war. Nur kurze Zeit später kam es dann endgültig zum Bruch, und ich verließ die Schule. Mein Kumpel folgte mir kurz darauf. „Weißt du was“, sagte er, „du kannst bei uns auf dem Schrottplatz arbeiten.“ Mit seinem Vater hatte er auch schon gesprochen. Ich bekam 200 Gulden pro Woche, und so lernte ich Autos auszuschlachten, Ersatzteile sortieren und Auto fahren. Wenn sein Vater nicht da war, nahmen wir uns alle ein Auto und fuhren auf die hinter dem Schrottplatz gelegenen Felder. Die Regeln waren einfach… es gab keine Regeln. Alles war erlaubt, jeder versuchte, den anderen zu überholen, und wer zum Schluss übrig blieb, hatte gewonnen. Die Brüder meines Kumpels machten auch mit. Der Ältere hieß John, der Jüngere hieß Henk. Ohne Gurt, ohne Helm, einfach ohne jegliche Sicherheitsvorkehrungen, fuhren wir völlig verantwortungslos aufeinander ein und versuchten uns gegenseitig mit hoher Geschwindigkeit aus der Bahn zu drängen. Wir überschlugen uns, die Scheiben gingen kaputt, und voll mit Blut und Glassplittern machten wir die gefährlichsten Kapriolen. Der mit den meisten Überschlägen war der Coolste. Und wir waren alle mächtig cool! Hier lernte ich richtig gut Auto fahren, etwas, was mir später bei Überfällen und Verfolgungen nützlich sein würde. Außerdem lernte ich, wie man ein Auto stiehlt. Ich hatte genug Zeit, die Schlösser zu untersuchen und das Kurzschließen zu üben. Meine Mutter war weniger glücklich mit meinem Job. Ich machte mehr Dreck, als ihr lieb war, immer hatte ich was, der Kopf war voller Platzwunden oder die Hände übersät mit Schnittwunden, und wenn ich dann freitags nach Hause kam, hatte ich außerdem noch keinen Gulden mehr in der Tasche. Alles war draufgegangen für Essen vom Chinesen und Bier. Sie verbot mir den Job, und ich musste aufhören. Mit meinem Schwager sollte ich auf den Bau gehen und dort als Verfugerlehrling arbeiten; mein Verdienst betrug 200 Gulden pro Woche und einen Urlaubsgutschein von 10 Gulden pro Tag.

      Und so unternahm ich im Alter von fünfzehn Jahren den letzten Versuch, mich als angehender Bauarbeiter in die Gesellschaft zu integrieren. Ich hatte eine bildschöne Freundin, an die ich meine Unschuld verlor, und außerdem führte ich den Schaufenster-Diebstahl in unserem schönen Limburg ein. Die Arbeit auf dem Bau war eine Enttäuschung. Jeden Tag musste ich morgens um sechs oder manchmal sogar noch früher aufstehen, essen, anziehen und schnell zum Bus, der schon ungeduldig hupend vor dem Haus wartete. Oft saßen die älteren Verfuger schon im Bus, tranken Bier und rauchten ihre selbstgedrehten Kippen. Der Bus stank widerlich nach Alkohol, Rauch und altem Schweiß. Auf der Baustelle verschwanden die Verfuger dann erst einmal im Bauwagen und ließen mich mit einer ganzen Reihe von Aufträgen zurück. Zuerst musste ich den Mörtel anrühren, sechs Karren Sand, Zement, Wasser dazu, gut mischen und fertig. Dann rauf aufs Gerüst, den Arbeitsbereich zuerst mit einem Stein und anschließend mit einer Mischung aus Wasser und Salzsäure säubern. Zum Schluss den Mörtel hinaufbringen und den Verfugern Bescheid sagen, dass sie, wenn es nun beliebt, mit der Arbeit beginnen können… Wenn die Verfuger die ersten Meter fertighatten, musste ich hinterher, um die vertikalen Fugen zu füllen, zwischendurch Hals über Kopf wieder runter, neuen Mörtel anrühren. Nie konnte ich es ihnen recht machen.

      Das bildschöne Mädchen, das ich kennengelernt hatte, hieß Scarlette und hatte einen französischen Nachnamen. Scarlette war auch fünfzehn, hatte lange, gewellte, blonde Haare und braune Augen, wieder der Catherine-Deneuve-Typ. Ihre Figur war nahezu perfekt, zierliche kleine Füße Größe 37, schlanke Waden und schöne Oberschenkel, einen schöngeformten Po mit zwei kleinen Champagnerkuhlen darüber und am Ende der Gesäßspalte kleine weiße Flaumhärchen. Wir waren beide noch Jungfrau, und an diesem Tag verloren wir unsere Unschuld. Lange hielt die Beziehung nicht, denn ich verwechselte Sex mit Liebe und Glück mit Geld. Ich hatte keine Erfahrung und wusste nichts von Intimität oder Hingabe, die Jagd machte mir mehr Spaß als der Besitz der Beute. Meistens waren es schöne Frauen, die hard to catch spielten, von denen ich mich herausgefordert fühlte, und so habe ich ganz ungewollt doch viele Herzen gebrochen. Aber auch ich verließ das Schlachtfeld nicht immer unversehrt. In schnellem Tempo folgte einer Freundin die nächste, bis ich eines Abends Esmeralda kennenlernte. Der Junge, mit dem ich unterwegs war, kannte sie und stellte uns einander vor. „Gerrit, das ist Esmeralda. Esmeralda, das ist Gerrit.“, so sagte Jacky. Esmeralda war dreiundzwanzig und ich fünfzehn. Wir unterhielten uns, und wie der Zufall so wollte, hatte sie um Mitternacht Geburtstag. Wir redeten, und ich ließ die Uhr nicht aus den Augen. Um Punkt 12 nahm ich zärtlich, aber resolut ihr Gesicht in meine Hände, schaute ihr in die Augen, sagte: „Herzlichen Glückwunsch zum Geburtstag!“, küsste sie und schob ihr suchend meine Zunge tief in den Mund. Ganz kurz war sie verwirrt, aber dann küsste sie mich leidenschaftlich. An diesem Abend ging ich mit zu ihr, und zwei Tage später zog ich bei ihr ein. Eine Zeitlang habe ich noch gearbeitet, als ich schon bei ihr wohnte, und legt stolz meine 200 Gulden Lohn, für die ich so hart gearbeitet hatte, auf den Tisch. Esmeralda war es nicht wert, wie sich später herausstellen sollte, denn während ich arbeitete, lag sie zu Hause mit anderen Kerlen in unserem Bett und ließ sich durchficken. Auf der Baustelle bekam ich Krach mit ein paar Verfugern, die mich beschimpften, weil ich ihrer Ansicht nach nicht genug arbeitete. Nachdem ich sie als Alkoholiker und Schweinsköpfe beschimpfte hatte, packte ich meine Sachen und ging nach Hause.

      Eines Abends stand Janus, mein Halbbruder, vor der Tür. Er hatte den Tipp bekommen, dass beim Postamt in Hoensbroek ein paar hunderttausend Gulden lägen. Der Tippgeber, ein Wohnwagenbewohner aus Heerlen, hatte es mit eigenen Augen gesehen. Janus fragte, ob ich mitmachen wollte; ich sollte nur den Wagen fahren. Die ganze Nacht hat er auf mich eingeredet, bis ich letztendlich sagte: „O.k., ich mach‘ mit.“ Am Morgen schickte ich meinen Schwager, der mich mit dem Baustellenbus abholen wollte, weg, denn mit ein paar hunderttausend Gulden in Aussicht brauchte ich nicht mehr arbeiten, so dachte ich. An einen Wagen, der eigentlich auf den Schrott sollte, montierten wir andere Nummernschilder und machten uns auf den Weg zum Postamt. Janus war schon dreimal vorbeigefahren, und ich fragte: „Worauf wartest du?“ Er wurde zusehends nervöser, und dann, nach kurzem Zögern: „Sollen wir es nicht lieber lassen und nach Hause fahren?“ Und nun traf ich eine Entscheidung, die mein restliches Leben im negativen Sinn beeinflussen sollte. Mit einer gewissen Verachtung schaute ich Janus an und sagte: „Du hast die ganze Nacht auf mich eingeredet, weil du das hier machen willst. Ich treffe die Entscheidung, mitzumachen, schicke den Bus weg, und jetzt machst du einen Rückzieher! Gib mir die Waffe, ich geh rein.“ Janus gab mir die Pistole. „Setz mich vor der Tür ab und warte dort mit laufendem Motor auf mich“, wies ich ihn an. Ohne Angst und ohne Herzklopfen ging ich in das Postamt. Außer mir und der Frau hinter dem Schalter war niemand da. „Guten Morgen“, begrüßte ich sie herzlich. „Guten Morgen“, antwortete sie freundlich. „Könnten Sie 25 Gulden wechseln?“, fragte ich. „Natürlich, kein Problem“, sagte sie und öffnete eine Aluminiumlade, in der ich das Geld von oben sehen konnte. Ich zog meine Waffe und hielt sie ihr vors Gesicht. „Her mit dem Geld. Alles!“ Weil ich es mit einem lachenden Gesicht sagte, dachte die Angestellte, ich machte Witze. Ich begriff, dass ich deutlicher werden musste. „Her mit der Kohle, du Schlampe.“ Jetzt klang ich grob und schnauzte sie an. Es tat mir leid, so gegen die arme Frau vorzugehen, denn sie war sehr nett, aber schließlich war ich gekommen, um ihr das Geld abzunehmen, und das ging nicht auf die sanfte Tour. Ich hätte auch sagen können: „Würden Sie mir bitte das Geld geben.“ Aber so funktioniert das natürlich nicht. Die Angestellte leerte die Lade, und ich steckte das Geld in meine Taschen. Weil ich so unerfahren war, legte ich meine Pistole auf den Tresen, damit ich die Hände frei hatte, um das Geld wegzustecken. Als ich alles verstaut hatte, rannte ich raus und sprang in den Wagen. Mit quietschenden Reifen fuhr Janus weg, nur haarscharf an einem parkenden Lieferwagen vorbei, was uns beide fast den Kopf kostete. Ich beschimpfte ihn als Idioten, und er solle gefälligst langsam fahren. „Relax, Mann, keiner verfolgt uns. Willst du dich für ein paar Kröten umbringen?“ Beim Camp angekommen, fuhr Janus den Wagen sofort bei einem Bekannten in die Schrottpresse. Anschließend fuhren wir zu dem Tippgeber, den ich nun zum ersten Mal sah. Ein kleiner, gedrungener Bartaffe, ungefähr 40 Jahre alt, der, obwohl er nichts getan hatte, sofort nach dem Geld fragte. Ich leerte