Der Fürst. Niccolò Machiavelli. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Niccolò Machiavelli
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Документальная литература
Год издания: 0
isbn: 9783748566205
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dieß kleine Geschenk in dem Sinne an, in welchem ich es Denselben biete. Wenn Sie es fleißig bedenken und lesen, wird Ihnen mein eifrigster Wunsch darin sichtbar, daß Sie die Größe erreichen mögen, die Ihnen sowohl das Glück verheißt, als Ihre übrigen Eigenschaften. Und wenn die Blicke Ew. Erlaucht vom Gipfel Ihrer Hoheit bisweilen nach diesen niedern Orten sich wenden, werden Sie finden, wie unverschuldet ich eine große und dauernde Unbilligkeit des Geschicks ertrage.

      Erstes Kapitel. Wie viele Gattungen von Fürstenthümern es giebt, und auf welche Arten sie erworben werden.

      Alle Staaten, alle Gewalten, die über die Menschen Herrschaft geübt oder noch üben, waren und sind entweder Republiken oder Fürstenthümer. Die Fürstenthümer sind entweder erbliche, in denen ihres Herren Geschlecht seit langen Zeiten Fürst gewesen, oder sind neue. Die neuen sind entweder durchaus neu, wie Mailand unter Francesco Sforza, oder sie werden als Glieder dem Erbstaat des Fürsten, der sie erwirbt, verbunden; so wie dem Könige von Spanien das Neapolitanische Königreich. Die so erworbenen Herrschaften sind entweder schon daran gewöhnt, unter einem Fürsten zu leben, oder in Freiheit hergekommen; und man erwirbt sie entweder mit fremder, oder mit eigener Waffengewalt, entweder durch Glück, oder durch Tugend.

      Zweytes Kapitel. Von den erblichen Fürstenthümern.

      Ich will die Betrachtung der Republiken bei Seite lassen, weil ich davon schon anderswo ausführlicher gehandelt habe. Ich wende mich einzig zum Fürstenthum, und will, mit Wiederanknüpfung der obigen Fäden, zu zeigen suchen, wie man gedachte Fürstenthümer verwalten und behaupten kann. Also sage ich: daß in den erblichen, an den Stamm ihres Fürsten gewöhnten Staaten weit wenigere Schwierigkeiten sie zu behaupten sind, als in den neuen: weil schon genug ist, daß man nicht seiner Vorgänger Ordnung überschreite, und dann Schritt mit den Umständen halte. Dergestalt wird sich ein solcher Fürst, wenn er nur mäßiges Geschick hat, immer in seinem Staate behaupten, wenn nicht eine außerordentliche und übergewaltige Macht ihn darum bringt; und, wär er auch schon darum gebracht, wird er ihn durch das geringste Unglück des Occupanten wieder erlangen. Wir haben in Italien das Beispiel am Herzog von Ferrara, welcher den Einfällen der Venetianer i. J. 84, und denen Papst Julius X. aus keinem andern Grunde widerstand, als weil er alter Landesherr war. Denn es hat der natürliche Fürst geringeren Anlaß und weniger nöthig, den Unterthanen Anstoß zu geben; daher er mehr geliebt seyn muß: und wenn er durch ungewöhnliche Laster sich nicht verhaßt macht, so ist es der Vernunft gemäß, daß von Natur ihm die Seinen geneigt sind: und im Alterthum und der Dauer der Herrschaft erlischt das Gedächtniß der Neuerungen, sowie die Gründe zu denselben. Weil immer Eine Veränderung zum Anbau der nächstfolgenden gleichsam von selbst die Verzahnung nachläßt.

      Drittes Kapitel. Von den gemischten Fürstenthümern.

      Aber beim neuen Fürstenthum treten die Schwierigkeiten ein. Und erstens, wenn es nicht gänzlich neu ist, sondern nur wie ein Glied, und das Ganze gewissermaßen gemischt zu nennen, entspringt die Wandelbarkeit desselben zuvörderst aus einer natürlichen Schwierigkeit, die alle neue Regierungen theilen. Wiefern die Menschen, in Meinung sich zu verbessern, gern ihre Herren wechseln mögen, und diese Meinung sie bewegt, gegen den Herrscher die Waffen zu kehren; worin sie sich aber gleichwohl täuschen, weil ihnen darauf die Erfahrung lehrt, daß sie sich nur verschlimmert haben. Was wieder die Folge einer andern gemeinen Natur-Nothwendigkeit ist, nach welcher man niemals umhin kann, Die, über welche man neuer Fürst wird, zu kränken, sowohl durch bewaffnetes Kriegsvolk als durch unzählige andre Unbill, die einer neuen Erwerbung anhängt. So findest du nun als deine Feinde alle Die vor, die du gekränkt hast durch Occupirung jenes Staates, und kannst dir auch Die nicht zu Freunden erhalten, die dich hineinbefördert haben, weil du sie nicht befriedigen kannst in der Art, wie sie sich vorgestellt, und weil du keine starken Arzeneyen gegen dieselben brauchen kannst, indem du ihnen verpflichtet bist: denn immer, sey Einer auch noch so stark durch Truppenzahl und Heeresmacht, muß er zum Einschritt in eine Provinz die Gunst der Provinzialen haben. Aus diesen Gründen occupirte der König von Frankreich Ludwig XII. Mailand schnell, und verlor es auch schnell; und das erste Mal es ihm abzunehmen, waren die eigenen Streitmittel der Lodovico hinreichend; weil jene Völker, die ihm die Thore geöffnet hatten, als sie in ihrer Vorstellung, und um dieß künftige Wohlergehen, so sie gehofft, sich betrogen sahen, des neuen Gebieters Überlast nicht zu ertragen im Stande waren. Nun ist es allerdings gegründet, daß, wenn man nachher die empörten Länder von neuem erwirbt, sie schwieriger wieder eingebüßt werden, wiefern der Fürst, die Gelegenheit der Empörung sich zu nutze machend, weit weniger bedenklich ist über die Mittel, sich sicher zu stellen durch Aufspürung der Verdächtigen, Bestrafung derer, die schuldig sind, Verstärkung aller schwachen Punkte. So daß, wenn es das erste Mal, um Mailand Frankreich zu entreißen, nur eines Herzogs Ludwig bedurfte, der auf der Grenze Lärm erhub, es ihm zum zweyten Mal zu entreißen, die ganze Welt ihm zu Leibe gehn mußte, und seine Heere aufgerieben und aus Italien verjagt seyn mußten: was sich aus obigen Gründen ergab. Und dennoch ward es ihm abgenommen, das erste wie das andre Mal. Die Gründe des ersten im allgemeinen wurden erwogen; es bleiben nun noch die für das andre zu bedenken, sowie die Mittel anzugeben, welche er hatte, und welche Einer in seiner Lage haben kann, sich besser als der König von Frankreich bei dem Erworbenen zu behaupten. So sag’ ich denn also: daß diese erworbenen Staaten, die der Erwerber mit seinem alten Staate vereinigt, entweder mit diesem von Einer Provinz und Einer Sprache sind, oder nicht sind. Wenn sie es sind, so ist es gar leicht, sie zu behaupten, besonders im Fall sie nicht an freies Leben gewöhnt sind: und um sie sicher zu besitzen ist schon genug, wenn man den Stamm des Fürsten, der sie regierte, vertilgt hat; da, wenn man ihnen im übrigen die alten Bedingungen aufrecht hält, und keine Sittenverschiedenheit ist, die Menschen ruhig weiter leben, wie man es in Burgund, Bretagne, Gascogne und der Normandie sah, welche so lange bei Frankreich geblieben. Denn wenn auch die Sprache in etwas abweicht, so sind doch ihre Sitten ähnlich; so daß sie sich leicht einander schicken: und wer sie erwirbt und behaupten will, muß zweyerlei vor Augen haben: erstens ihres alten Fürsten Geschlecht zu vertilgen, und zweytens, nichts in ihren Gesetzen und Steuern zu ändern: so wird er in kürzester Zeit Ein Leib mit ihrem alten Staate werden. Hingegen, wenn man Staaten erwirbt in einer Provinz, die an Sprache, Sitten und Ordnungen ungleichartig ist, da finden sich die Schwierigkeiten, und da bedarf es großen Glückes und großen Fleißes, sie zu behaupten. Und eines der besten und wirksamsten Mittel würde es seyn, wenn die Person des Erwerbers selbst hinging, und dort wohnte. Dieß würde einen solchen Besitz weit sicherer und dauerhafter machen: wie es der Türke in Griechenland hielt, der mit allen Anstalten, die er traf, um dieses Staates gewiß zu bleiben, wenn er nicht selbst dort Wohnung nahm, unmöglich ihn behaupten konnte. Denn wenn man da ist, sieht man die Unordnungen keimen, und kann dawider schleunig helfen; ist man nicht da, so hört man davon, nachdem sie schon erwachsen sind, und weiter keine Hülfe frommt. Zudem, so ist die Provinz gesichert vor der Beraubung deiner Beamten. Die Unterthanen schaffen sich Recht, da ihnen die Zuflucht des Fürsten nahe ist, wodurch sie, wenn sie gut seyn wollen, mehr Grund ihn zu lieben, und, wollen sie’s nicht seyn, mehr Ursach ihn zu fürchten, erhalten. Auch hegt vor einem solchen Staate mehr Scheu, wer ihn von außen etwa zu überfallen gesonnen wär; so daß der Fürst, wenn er drinn wohnt, ihn mit äußerster Schwierigkeit einbüßen wird. – Das zweyte bessere Mittel ist, Colonieen in ein paar Orte zu legen, welche gleichsam als Fußeisen dienen für jenen Staat: denn entweder muß man dieses thun, oder viel Pferd- und Fußvolk drinn halten. Zu den Colonieen braucht der Fürst nichts herzugeben; und ohne Kosten, oder doch wenig, schickt er sie hin und unterhält sie, und kränkt allein die, denen er Felder und Häuser nimmt, um sie den neuen Bewohnern zu geben, welche von jenem Staate nur ein sehr geringer Bestandtheil sind. Es können aber die er kränkt, weil sie versprengt und arm geworden, ihm niemals schaden; und alle die Andern bleiben theils ungekränkt zurück, und ruhen mithin um so leichter, theils furchtsam, einen Fehler zu machen, damit es ihnen nicht so ergehe wie denen, welche man beraubt hat. Schließlich sind diese Colonieen, die ihm nichts kosten, treuer; sie kränken die Landeskinder weniger, und die gekränkten, weil arm und versprengt, können nicht schaden, wie vorgedacht. Denn es ist wohl zu merken: daß man den Menschen entweder liebzukosen, oder sie aufzureiben hat: weil