DIE, DIE NICHT STERBEN. Sebastian Fleischmann. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Sebastian Fleischmann
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783741850417
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Zumindest etwas. Die Anstrengungen für seinen Körper waren ihm sichtlich anzusehen.

      >>Scheiße, tut das weh!<< Diesmal unterließ es Martin, seine Ausdrucksweise zu korrigieren.

      >>Sorry, Bruder. Aber wir müssen das leider noch Mal wiederholen.<<

      Natürlich. Die Austrittswunde. Tom hasste es, wenn Martin recht behielt. Das Problem war jedoch, dass Thomas nun das Ausmaß der Schmerzen kannte. Sein Geist sträubte sich dagegen, diese Qualen noch einmal durchstehen zu müssen. Vorher konnte er dem leicht zustimmen - Unwissenheit war ein Segen. Aber jetzt sah er den Schmerz kommen... allerdings blieb ihm nichts anderes übrig.

      >>Okay, okay. Gib mir ein paar Sekunden.<< Während Tom sich mit beiden Händen am Tisch festklammerte und weiterhin tiefe Atemzüge nahm, erhitzte Martin den Löffel abermals über der Flamme des Feuerzeugs. Man konnte die darauf festgesetzten, verkohlten Hautfetzen noch immer leicht knistern hören. Abermals verbreitete sich ein ekelhafter Geruch.

      >>Natürlich. Aber duu musst es nur noch ein letztes Mal überstehen, dann ist es vorbei.<<

      >>Ich weiß; ich weiß.<<

      Dann war es wieder soweit. Der Löffel war heiß genug.

      >>Dreh dich mit dem Rücken zu mir.<< sagte Martin.

      Tom ging dem nach, wenn auch nur sehr zögerlich.

      >>Machen wir es so: Ich werde jetzt bis drei zählen und dann drück ich das Ding wieder auf die Wunde.<<

      >>Von mir aus. Fang schon an zu zählen.<< Tom wollte die wenigen Sekunden nutzen, um ein paar weitere, tiefe Züge an Luft zu holen, um seinen Körper dadurch etwas mehr zu beruhigen.

      >>Also dann... Eins...<<

      Martin drückte das Metall kräftig auf die Austrittswunde. Diesmal schrie Tom sofort auf, schaffte es aber, sich zu beherrschen. Die Finger seiner linken Hand verkrampften sich auf der Tischplatte. Eine Träne rann ihm aus den Augen. Auch wenn diesmal die Angst vor dem Schmerz größer war, so hatte er sich trotzdem besser unter Kontrolle. Die Sekunden verrannen wie Minuten. Das Brennen schien sich im gesamten Arm auszubreiten und auf seinen restlichen Körper überzugreifen.

      >>Verflucht! Das reicht doch!<< Ohne seinen Kiefer zu bewegen presste Tom die Worte zwischen den Zähnen hervor. >>Hör auf! Hör auf!<<

      Dann endlich ließ Martin von der Verletzung ab und warf den Löffel auf den Tisch. Sein Bruder blieb vorerst in gekrümmter Haltung auf seine Oberschenkel gestützt und verarbeitete abermals die Schmerzen. Die Wunden waren geschlossen. Kein Blut sickerte mehr heraus. Jedoch zeigten die entsprechenden Stellen nun starke Verbrennungen, welche sich in einer schwarz-rötlichen Färbung der Haut äußerten. Allerdings war das jetzt ein geringeres Problem. Die Wunden würden später noch anfangen zu eitern, wodurch der Körper überflüssiges, totes Gewebe abstieße. Er würde sich selbst regenerieren, auch wenn Narben zurückblieben.

      >>Du wolltest doch bis Drei zählen.<<

      >>Ich dachte, es wäre klüger, dich zu überraschen. Dafür hast du es jetzt überstanden.<<

      >>Ja, endlich. Hoffentlich schießt mich nie wieder jemand an.<<

      Martin öffnete die Brandsalbe des Verbandskastens und drückte eine ordentliche Menge auf beide Stellen von Toms Arm.

      >>Oh, ja. Das tut gut.<<

      Dann öffnete er eine Mullbinde und wickelte sie - nicht zu fest, aber auch nicht zu locker - um dessen Oberarm.

      >>Das war es schon, Valentina. Tom geht es wieder gut. Siehst du, er lächelt schon wieder.<<

      Wie auf Befehl folgte Martins Bruder seiner Anweisung.

      >>Genau. Jetzt geht es mir wieder gut. Und keine Sorge. Dir wird so etwas nie passieren. Niemals.<<

      Valentina wusste noch immer nicht, was sie antworten sollte. Die Schüsse, der Unfall, jetzt die Verletzungen; sie war einfach überfordert. Im Schein der Taschenlampe glänzten ihre tränennassen Wangen, als hätte sie jede Menge kleine, funkelnde Perlen im Gesicht.

      >>Du bist ein wunderschönes Mädchen, Valentina. Weißt du das?<< Tom blickte sie beinahe väterlich an. Mit dieser Aussage hatte sie in jenem Moment überhaupt nicht gerechnet. Kurz stockte sie, bevor sie darauf antwortete.

      >>Äh, ja. Ich meine, nein... Danke.<<

      >>Das war's, Tom. Kannst dein Hemd wieder anziehen.<<

      Thomas musterte kurz den Verband und führte anschließend seinen Arm vorsichtig in den Hemdärmel zurück.

      >>Jetzt sollte ich mich mal um dich kümmern, hmm?<<

      >>Schon gut. Ist nicht weiter wild. Meine Nase blutet inzwischen nicht mehr und gegen die gebrochenen Rippen können wir jetzt auch nicht sonderlich viel machen. Ich geh gleich zur Toilette und wasche mein Gesicht. Dann sehe ich mit Sicherheit wieder aus wie neu.<<

      >>Gute Idee.<<

      Thomas wollte abermals auf das tote Tier zurückkommen. Er hatte so viele Dinge im Kopf, über die er gerne mit seinem Bruder reden würde. Allerdings wäre das nur wieder Zündstoff für Valentinas Angst. Deshalb entschied er sich dagegen.

      >>Vale, ich gehe kurz zur Toilette. Du wartest bei Tom. Ich bin gleich wieder da.<< sagte Martin und stand vorsichtig auf.

      >>Na gut. Aber beeil dich.<<

      >>Ich mache so schnell ich kann.<< Der Mann griff nach dem Feuerzeug, sowie einem Pflaster, und ging langsam am Tresen vorbei in die hinteren Räumlichkeiten. Thomas machte es sich zur Aufgabe, Valentina gut zuzureden, noch während er sein Hemd zuknöpfte.

      >>Du brauchst dir wirklich keine Sorgen zu machen, Valentina. Das, was da draußen vorhin passiert ist, das wird sich nicht noch einmal wiederholen. Und mir und deinem Vater geht es auch wieder gut. Er hat sich im Grunde nur die Nase verletzt. So etwas heilt ziemlich schnell, du wirst sehen.<<

      >>Wirklich?<<

      >>Natürlich. In ein paar Wochen ist sein Zinken so gut wie neu.<<

      Zum ersten Mal konnte er ihr ein Schmunzeln entlocken.

      >>Aber er sieht so schlimm aus.<<

      >>Im Moment. Aber wenn er sich gewaschen hat, ist er fast wie früher.<<

      >>Und dir geht es auch wieder gut?<<

      >>Mir ging es doch nie schlecht.<< Tom zwang sich während der Unterhaltung zu einem permanenten Lächeln.

      >>So eine kleine Wunde kann doch deinen Onkel nicht umhauen. Außerdem mögen Frauen Narben.<<

      >>Ich aber nicht.<<

      >>Na, wenn das so ist, dann muss ich wohl zum Schönheitsdoktor. Aber zumindest haben wir eine gewaltige Geschichte zu erzählen, wenn wir wieder zu Hause sind.<<

      >>Ja, meine Freundinnen werden bestimmt Augen machen.<<

      >>Absolut. Du wirst das beliebteste Mädchen in der Schule sein.<<

      >>Das glaube ich nicht. Andrea ist das immer. Ihre Eltern haben sogar ein Schwimmbad zu Hause.<<

      >>Ach, dass wird auf Dauer doch langweilig. Aber du bist jetzt eine Heldin. Du hast dich dem vorhin gestellt und deinen Mut bewiesen.<<

      >>Meinst du wirklich?<<

      >>Selbstverständlich. Und ich habe nichts anderes von dir erwartet. Du bist eben ganz wie dein Vater.<<

      Tatsächlich musste Valentina geschmeichelt lächeln. Tom sah, dass ihr die Unterhaltung sichtlich gut tat.

      >>Ich werde etwas trinken.