Der Generalstabschef mischte sich ein. „Wir könnten ein Täuschungsmanöver inszenieren und am Golan mehr Truppen konzentrieren und die Beschießung der jüdischen Dörfer intensivieren. So hat es der Löwe vielleicht bei seiner Operation leichter, wenn die Juden abgelenkt werden?“
Wieder nickten sie alle.
„Gut“, beendete der Präsident die Krisensitzung. „So werden wir vorgehen. Und nun, meine Brüder, gehen wir ans Werk. Allah ist auf unserer Seite. Dessen bin ich mir sicher!“
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Wasser
Ibrahim Gossarah oder, wie er sich jetzt nannte, Gamal der Löwe war über den Auftrag, den ihm Salawi erteilt hatte, hellauf begeistert. Alles würde er tun, um sich an den Mördern seiner Eltern und der anderen zu rächen. Er war sich auch bewusst, dass es nicht einfach sein würde, in das Wassersystem Jerusalems einzudringen, das todbringende Gift dort hinein zu leeren und wieder unentdeckt zu verschwinden. Sollte es aber Allahs Wille sein, dann würde es ihm das Leben kosten. Er wäre dann eben ein weiterer Märtyrer. Das, was er schon in Blackburn sein wollte. Ausführlich informierte er sich über die in Teheran vorhandenen Giftstoffe. Welches davon wirkt in auch in kleineren Mengen schon unbedingt tödlich? Nach gründlicher und langer Rücksprache mit einem der führenden Chemiker im Labor entschied sich für Rizin. Eine wasserlösliche Substanz, geruch- und geschmacklos, aber absolut tödlich. Gegen eine Vergiftung mit Rizin gibt es kein Gegenmittel. Bereits eine Menge von 0,5 mg Rizin für eine Person mit einem Körpergewicht von 70 kg wirkt tödlich.
Bei einer Rizin Vergiftung tritt nach ca. 4 bis 8 Stunden hohes Fieber, Brechdurchfall und Husten auf. Dem Brechdurchfall liegt eine hämorrhagische Gastroenteritis zu Grunde, bei der es sich um eine Schleimhautentzündung des Magens und des Dünndarms handelt, die auch mit Blutungen einhergeht. Zusätzlich treten als Symptome Koliken, also krampfartige Schmerzen, und eine allgemeine Schwäche auf. In der Folge ist der Körper geschwächt, der Betroffene verfällt ins Koma oder erleidet einen Kollaps. Der baldige Tod tritt als Folge eines allgemeinen Organ- und Kreislaufversagens ein.
Der Löwe schmunzelte. Er stellte sich schon vor, wie sich die Abgeordneten der Knesset vor Krämpfen und Schmerzen winden um kurz darauf das Zeitliche zu segnen. Ein Gefühl, das ihm jetzt schon allergrößte Befriedigung verschaffte. Zu klären war allerdings noch das Problem, in welcher Form er das Rizin nach Jerusalem schmuggeln würde und wie er überhaupt in das Land hineinkäme.
„Das, mein Bruder, werden wir perfekt lösen“, versprach ihm Alawi, der Chef des VEVAK.
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Jerusalem
Der Flughafen Ben-Gurion nahe der Stadt Lod ist der größte Flughafen des Landes und gilt als einer der sichersten der Welt. Die Kontrollen sind besonders streng. Ein kleiner blau-weißer Zettel ist die Eintrittskarte ins Heilige Land. Statt eines Stempelabdrucks im Pass erhalten Touristen am Ben-Gurion-Flughafen in Israel ein Stück Papier. "State Of Israel – Boarder Control" steht darauf. Den Zettel gibt es inklusive Barcode, dem eingescannten Foto aus dem Reisepass und Passnummer. Erst damit öffnet sich das Drehkreuz zum Ankunftsbereich des Flughafens.
Die Boeing 747 der EL AL aus London landete pünktlich am Airport Ben Gurion, rollte aus und öffnete dann die Türen. Neben anderen Passagieren, vorwiegend Briten, die Jerusalem besichtigen wollten und einigen Israelis, war auch ein Mister Samuel Blumenthal mit seiner Ehefrau Roza an Bord. Am Schalter der Passkontrolle saß eine junge Beamtin, die alle ihr vorgelegten Pässe anscheinend sehr genau elektronisch prüfte und auch die Gesichter der Einreisenden mit den Bildern im Pass verglich. Das Ehepaar Blumenthal präsentierte ihre beiden Pässe. Die Beamtin nahm sie entgegen, zog sie durch ihren Computer und stockte kurz. „One Moment, Sir“, sagte sie und betätigte ungesehen von den Blumenthals eine Fußtaste. Keine zehn Sekunden später sahen sich die Blumenthals von vier Sicherheitsleuten mit Maschinenpistolen umringt.
„Was soll das?“, empörte sich Blumenthal. „Seid ihr übergeschnappt?“ Er erhielt keine Antwort, sondern einer bedeutete bloß, ihnen zu folgen. Die Maschinenpistolen hielten sie drohend in Anschlag. Man brachte sie in einen etwas abgelegenen Teil des Flughafens. In einen Raum, anscheinend eine Art Verhörzimmer, wo sie ein blondhaariger junger Mann erwartete. „Sie wollen also Herr Blumenthal sein? Herr Samuel Blumenthal? Das ist seltsam. Sehr seltsam“, begann er das Gespräch.
„Was ist daran seltsam. Ich bin Samuel Blumenthal und das ist meine Frau Roza. Was soll dieses Affentheater da?“
Der Blonde grinste. Gar nicht freundlich, sondern bösartig! „Wer sind sie wirklich? Was haben sie in Israel vor?“, fragte er ganz beiläufig.
„Verdammt nochmal! Wir sind die Blumenthals. Leben in Blackburn in England und wollen Jerusalem besuchen. Was ist daran ungewöhnlich?“
„Ungewöhnlich ist etwa, dass sie nicht Blumenthal sein können. Den suchen wir nämlich seit zwei Tagen mit einer landesweiten Fahndung. Und“, er grinste wieder, „unser Blumenthal schaut ganz anders aus, als der Typ, der da vor mir hockt!“ Plötzlich schrie er: „Also! Heraus mit der Wahrheit! Sonst…!“
Blumenthal war bestürzt. Der VEVAK hatte ihm und seiner Begleiterin, einer bewährte Agentin, die israelische Pässe vorbereitet. Sicher perfekt gemachte. Was man beim VEVAK aber nicht wissen konnte, der echte Samuel Blumenthal, ein hochkriminelles Subjekt, hatte vor drei Tagen eine Bank überfallen und den Wachmann dabei erschossen. Eine Fahndung nach ihm lief auf Hochtouren. Es war einer der nicht vorherzusehenden Zufälle, der den Abgeordneten in der Knesset ihr Leben bewahrte.
Blumenthal schwieg. Was hätte er auch zu sagen gehabt? Ein Geständnis, dass er in Wirklichkeit der iranische Attentäter Gamal al’Asad war? Der durch sein Attentat auf die Abgeordneten des Parlaments den iranisch-israelischen Krieg einläuten sollte? Er ahnte, was ihm und seiner Partnerin im Fall der Entlarvung bevorstünde. Mit einiger Betrübnis dachte er an die Giftkapsel, die statt eines Knopfes an seinem Hemd befestigt war. Roza trug eine gleiche Kapsel in der Mitte ihres Büstenhalters.
„Wir haben ihr Gepäck untersucht. Zwei Dosen mit Haarspray? Das kriegen sie doch hier ebenso. Warum führen sie das denn mit sich? Was ist da wirklich drinnen?“
Ja, die Juden würden das todbringende Rizin bald entdeckt haben, dachte er sich. Und dann…? Dann drohten ihnen die „verschärften Verhöre“, für die der Mossad bekannt war. Auch der VEVAK, eigentlich alle Geheimdienste weltweit. Das wollte sich der Löwe keinesfalls zumuten. War es letztendlich Allahs Wille, dass er die Giftkapsel schluckte? Sollte er auf diese Weise zum Märtyrer werden und sich so seinen Platz im Paradies sichern? Wenn dem wirklich so sein sollte, dann blieb ihm und Roza kein anderer Ausweg. „Leck mich doch am Arsch, Judensau. Allahu al Akbar“, brüllte er. Dann riss er blitzschnell den Knopf von seinem Hemd ab und verschluckte ihn. Roza tat es ihm gleich.
„Einen Arzt! Schnell!“, rief der Blonde. „Die wollen sich vergiften! Das sind Spione oder ärgeres!“
Umsonst! Es war zu spät.
Mit Schaum vor dem Mund und weit aufgerissenen Augen fiel Gamal al’Asad von seinem Stuhl, zuckte noch einige Male mit den Beinen und trat dann seine lang ersehnte Reise ins muslimische Paradies an. Einige Sekunden später starb auch Roza.
„Schade“, bedauerte der Blonde. „Wir hätten Einiges erfahren können. Bringt die Leichen in die Gerichtsmedizin. Vielleicht entdecken die dort noch was? Bewahrt auch Schweigen über das Vorgefallene. So lassen wir die Auftraggeber der Beiden im Ungewissen“. Wie angeordnet, so geschah es denn auch. Bei der Obduktion wurden keine Besonderheiten entdeckt. Beide waren so um die Vierzig herum, hatten keine auffälligen körperlichen Merkmale und konnten so auch nicht identifiziert werden. Auch ein weltweit durchgeführter Fingerabdruckvergleich brachte keine Ergebnisse. In Blackburn waren sie ebenfalls unbekannt. Die Israelis warfen bald darauf zwei in Plastiksäcke verpackte