»Nein, natürlich nicht. Ihr Vater und Alfredo waren dabei.«
»Aha. Und?«
»Nichts und. Ich habe mich kurz mit der Kleinen unterhalten, dann sind die drei weitergezogen.«
Ich nicke. Bevor ich weitere Fragen stellen kann, bringt der Kellner auch schon unser Essen.
14. Klara
Ich sehe mich auf der Terrasse des Restaurants um, als mir plötzlich Alfredo in den Sinn kommt. Er lässt mir keine Ruhe. Ich frage mich, warum er nicht spricht. Damit ich diese Gedanken aus dem Kopf bekomme, spreche ich sie laut aus. »Was hat es eigentlich mit Alfredos Schweigsamkeit auf sich? Hat er ein Schweigegelübde abgelegt?« Ich versuche bemüht humorvoll zu sein.
Pedro lächelt. »Warum schweigsam?«
»Mit mir hat der Junge noch nicht ein Wort gewechselt.«
»Tatsächlich? Ich kenne ihn nur als aufgewecktes Kind. Vielleicht war er nur schlecht gelaunt.«
»Okay, das kann sein.« Genüsslich stecke ich mir eine weitere Gabel gefüllt mit Paella in den Mund und schaue dabei aufs Meer.
Das Restaurant ist toll gelegen. Man kann das Meer sehen, der Name La Mar ist wirklich passend. Pedro hat nicht zu viel versprochen. Es scheint sich um einen echten Geheimtipp zu handeln. Auf der Terrasse gibt es noch einige freie Tische. Im Inneren des Lokals sind auch nur wenige Plätze besetzt.
Ich schaue zu den anderen Tischen und mustere die Leute, die daran sitzen. Meist sitzen zwei Personen an einem Tisch. »Ist das hier ein geheimer Ort für Dates?«, rutscht es mir heraus.
»Was?«, fragt Pedro und lacht los. So laut, dass sich einige der anderen Gäste zu uns umdrehen.
Ich spüre, wie mir die Röte ins Gesicht schießt und lächle verlegen. Gleichzeitig rutsche ich auf meinem Stuhl hinunter.
»Es tut mir leid«, sagt Pedro, als er sich nach einer Weile wieder beruhigt hat.
Ich bin ein bisschen wütend, weil er sich so über meine Frage lustig gemacht hat, und reagiere nicht. Stattdessen stochere ich auf meinem Teller herum. Ich schiebe den Reis mit der Gabel von der einen Seite zur anderen.
Pedro schaut mich ernst an. »Es tut mir wirklich leid!«, sagt er leise und berührt sanft meine Hand.
Bei der Berührung zucke ich kurz zusammen und erstarre. Mein Blick ist immer noch nach unten gerichtet. Ich traue mich nicht aufzuschauen aus Angst, Pedro könnte irgendwas tun, was mich in Verlegenheit bringt.
»Hey, ich meine es ernst!«
»Schon gut«, flüstere ich und ziehe meine Hand weg. Dabei lächle ich zaghaft, noch immer mit gesenktem Blick. Mir ist die Situation unangenehm. Ich mag Pedro gern, auf einen romantischen Abend war ich allerdings nicht aus, als ich seine Einladung angenommen habe. Überhaupt fällt es mir schwer, mich auf einen Mann einzulassen. Seit Freds Tod verschwendete ich keinen Gedanken daran, mich jemals wieder verlieben zu können.
Die Situation überfordert mich maßlos, also versuche ich, das Thema zu wechseln. »Wie lange bist du schon mit Miguel befreundet?«
»Seit Ewigkeiten. Warum interessiert dich das?«
»Ähm, nur so.« Ich schaue auf und lächle Pedro an.
»Stehst du auf ihn?«
»Nein! Ich bin noch nicht bereit für etwas Neues!«, sage ich energisch und spüre, wie ich erröte.
So viel zum Themenwechsel. Irgendwie geht es doch ständig um das eine.
»Sei mir nicht böse, aber ich habe Kopfschmerzen und würde mich gern hinlegen.«
Ich will gerade etwas Geld auf den Tisch legen, als Pedro sagt: »Du bist eingeladen.«
»Danke, bis bald!« Mit den Worten erhebe ich mich und mache Anstalten das Restaurant zu verlassen. Ich will einfach weg.
Pedro winkt einem der Kellner zu sich. »Warte, ich bezahle noch und dann bringe ich dich ins Hotel«, sagt er.
»Ist schon gut. Ich gehe das kurze Stück. Die frische Luft wird mir guttun. Danke für die Einladung und den schönen Abend«, sage ich.
Hastig verlasse ich das Restaurant.
15. Pedro
Was war das denn jetzt? Habe ich etwas falsch gemacht?
Mir gehen eine Menge Fragen durch den Kopf, als ich Klara dabei beobachte, wie sie weggeht. Vielleicht hätte ich nicht lachen dürfen.
Ich überlege, ob ich zum La Casa De Playa fahren und mit ihr reden soll. Die Kopfschmerzen waren sicherlich ein Vorwand, um zu verschwinden.
Schnell verwerfe ich den Gedanken. Sie ist bestimmt sauer über mein Verhalten. Da ist es besser, wenn ich ihr Zeit gebe, um sich zu beruhigen.
Als der Kellner kommt, bestelle ich mir noch einen Whisky und bitte um die Rechnung. Er nickt und verschwindet wieder.
Ich schaue auf das Meer und denke an einen Mandanten, den ich zurzeit vertrete. Er will die Scheidung von seiner Frau und möglichst günstig aus der Sache rauskommen. Sie hingegen möchte sich nicht abspeisen lassen und hat sich ebenfalls einen Anwalt, in dem Fall eine Anwältin, genommen. Mit ihr versucht sie, so viel herauszuholen, wie es geht. So wie es aussieht, scheinen sie gute Karten zu haben. Ich wünschte, ich würde die Frau statt des Mannes vertreten. Dann wäre das Ganze weniger knifflig.
Warum machen die Leute auch keine Eheverträge vor der Hochzeit? Mir könnte so etwas nie passieren. Dieser Ehekram ist nichts für mich. Warum sollte man heiraten? Liebe gibt es doch eh nur im Film. Irgendwann entliebt sich einer oder geht fremd und die Ehe ist vorbei. Deshalb wollte ich nie eine feste Beziehung.
Miguel behauptet, ich hätte einfach noch nicht die Richtige getroffen. Mir kommen seine Worte in den Sinn, als er sich damals in Sophie verliebt hat. Er sagte mir, ich würde eines Tages die Eine treffen und dann anders über die Liebe denken. Seit Sophie tot ist, hat er nie wieder über das Thema gesprochen. Ich war froh darüber.
Plötzlich kommt mir Klara in den Sinn. Zu ihr fühle ich mich hingezogen, mehr als zu irgendeiner anderen Frau. Sie ist witzig, intelligent und sieht dazu noch wahnsinnig gut aus. Bevor ich das Thema vertiefen kann, schüttele ich energisch den Kopf und versuche es zu verdrängen.
Zum Glück kommt gerade der Kellner und hilft mir, mich abzulenken.
16. Klara
»Nein, ich kann nicht!«, schreit Miguel fast durchs Telefon, als er die Halle betritt. Er sieht nachdenklich aus, legt auf und geht ohne einen Blick zur Rezeption zu werfen an uns vorbei in sein Büro. Ich frage mich, was er für ein Problem hat. Es klang unheimlich ernst.
»Oh je, das hört sich nicht gut an«, sage ich zu Paula.
»Ach«, winkt sie ab. »Das ist nur der übliche Stress.«
»Also kommt es öfter vor, dass der Chef so rumschreit?«
»Hin und wieder kann das schon mal passieren.«
»Aha.« Bevor ich etwas erwidern kann, kehrt Miguel zurück und geht, ohne uns eines Blickes zu würdigen, nach draußen. Mir macht sein Verhalten Angst. Umso glücklicher bin ich über Paulas Anwesenheit. Wenn sie sich nicht um ihn schert, brauche ich das auch nicht zu tun.
»Kannst du kurz die Stellung halten? Ich will schnell etwas mit dem Koch besprechen«, sagt Paula und verschwindet, als ich ihr zunicke.
Insgeheim hoffe ich, es treten in den nächsten Minuten keine Komplikationen auf. Am besten wäre es, wenn überhaupt niemand käme. Mit dem Buchungsprogramm stehe ich nach wie vor auf Kriegsfuß.