Das Zimmer, zu dem der Anschluss gehörte, lag im dritten Stock. Clive Caravaggio hatte mit dem Hotelmanager gesprochen. Schließlich wollten wir nicht, dass uns einer der Hoteldetektive in die Quere kam.
Also musste die andere Seite informiert sein.
Es war die Nummer 321, eine richtige Suite.
Die Schlüssel waren in der Rezeption nicht abgegeben worden. Vielleicht bedeutete das, dass jemand dort war.
Wir nahmen den Aufzug.
Dann ging es einen langen Flur entlang.
Vor der Zimmernummer 321 hing ein Schild BITTE NICHT STÖREN. Aber diesen Gefallen konnten wir ihnen nicht tun. Wie auf ein geheimes Zeichen hin griffen wir nach unseren Dienstwaffen, automatischen Pistolen vom Typ P 226 der Firma Sig Sauer. Eine Patrone im Lauf, 15 weitere im Magazin.
Medina nickte mir zu.
Ich nahm einen Schritt Anlauf. Mit einem wuchtigen Tritt ließ ich die Tür aus dem Schloss springen.
"FBI! Hände hoch!", brüllte ich mit der Waffe im Anschlag.
Vor mir lag ein recht weiträumiges Wohnzimmer. Eine Glastür führte zum Balkon. Eine Schiebetür trennte den Wohnraum von einem weiteren Raum - vermutlich dem Schlafzimmer.
Zwei Männer saßen an dem niedrigen Tisch, auf dem sich tatsächlich ein Notebook befand. Offene Taschen und Koffer lagen auf dem Sofa. Offenbar hatten wir hier jemandem beim Packen gestört.
Einer der beiden Männer war dunkelhaarig, der andere so strohblond, dass man seine Zweifel haben konnte, ob die Farbe echt war.
Der Blonde schnellte herum.
Hinter der Stuhllehne hatte ich die Uzi-Maschinenpistole nicht sofort sehen können.
Erst im letzten Moment sah ich das Mündungsfeuer aus dem kurzen Lauf der MPi herausschießen.
Ich duckte mich, sprang zur Seite und drückte gleichzeitig zweimal meine P226 ab.
Dann presste ich mich gegen die Wand, während das Dauerfeuer der Uzi den Türrahmen zersplittern ließ.
"Geben Sie auf! Hier ist der FBI! Das Gebäude ist umstellt! Sie haben keine Chance zu entkommen!", rief Medina, als der Kugelhagel nachgelassen hatte.
Hektische Schritte waren zu hören.
Jetzt tauchte Milo aus der Deckung heraus.
Die P226 hielt er mit beiden Händen umklammert.
Er war bereit abzudrücken, wenn ihm die Gangster keine Wahl ließen.
Doch er ließ schon in der nächsten Sekunde die Pistole sinken. Auf seinem Gesicht erschien ein Ausdruck, der ungläubiges Staunen signalisierte.
"Die sind weg", murmelte er.
Caravaggio gab es gleich per Funk an die Kollegen. Ich nahm ihm das Funkgerät kurz aus der Hand lieferte eine kappe Beschreibung der beiden.
Milo pirschte sich bis zu der Sitzgruppe heran.
Orry folgte. Er arbeitete sich zur Tür des Nebenzimmers voran, die einen Spalt offenstand. Mit einem Tritt öffnete er sie vollends und stürmte mit der Waffe im Anschlag hinein.
Caravaggio und ich betraten als letzte die Suite.
Mit ziemlich ratlosem Gesicht kehrte Orry aus dem Nebenzimmer zurück.
"Hier ist niemand", erklärte er. "Und auch im Bad nicht."
Ich ließ den Blick schweifen. Die Fenster und die Glastür zum Balkon waren geschlossen. Und mir erschien es auch unwahrscheinlich, dass sie jemand geöffnet hatte, zumal die gläserne Hebetür, die zum Balkon führte, nur von innen zu verschließen war.
"Das gibt's doch nicht!", schimpfte Milo.
G-men sind im allgemein logisch denkende und nüchtern analysierende Leute. Für Zauberei oder dergleichen ist in unserem Weltbild kein Platz. Es gibt für alles eine Erklärung.
Orry setzte sich in einen der Sessel und warf einen Blick auf den Schirm des Notebooks. Ein Modem war auch zu finden, mit dessen Hilfe man das Notebook ans Telefonnetz anschließen konnte. Aber sämtliche Geräte waren jetzt nicht eingeschaltet.
"Hallo, hier Agent Caravaggio", meldete sich der flachsblonde Italo-Amerikaner per Funk bei den Kollegen. "Die Kerle sind nicht mehr hier. Ist bei euch jemand aufgetaucht, auf den die Beschreibung passt?"
Die Antwort war durchweg nein.
"Jemand muss den Ausgang der Tiefgarage überwachen", meinte ich.
Caravaggio sah mich mit leichtem Vorwurf an.
"Für wen hältst du uns, Jesse?"
"So war es nicht gemeint."
"Still", zischte Milo Tucker.
Ein summendes und manchmal etwas schepperndes Geräusch drang an unser Ohr. Wir lauschten angestrengt.
Dann machte ich zwei Schritte nach vorn und zog einen Wandteppich zur Seite.
Die Schiebetür dahinter sah auf den ersten Blick aus, als würde sie zu einem Wandschrank gehören. Ich öffnete sie. Dahinter war ein Loch in der Wand.
"Ein Lastenaufzug", stellte ich fest. Offenbar ließen sich die gutbetuchten Mieter dieser Suite auf diesem Weg das Essen servieren.
Ich blickte den Schacht hinunter.
Die beiden Männer hatten sich wohl in die Kiste gequetscht, die an Stahlbändern auf und abtransportiert wurde. Für die beiden Männer war es abwärts gegangen.
"Wo sind sie?", fragte Orry.
"Vermutlich in der Küche", meinte ich.
Ich drückte auf den Knopf, der den Aufzug heraufholte.
Ächzend kam das Ding herauf.
Ich sah Milo an. "Wird ein bisschen eng werden, Alter! Aber ich denke, das ist der kürzeste Weg!"
13
Der Mann mit der weißen Koch-Haube stöhnte erschrocken auf und wich zwei Schritte zurück.
Mit der P226 im Anschlag sprang ich aus dem Lastenaufzug heraus, in dem ich in kniender, geduckter Haltung hatte kauern müssen.
Milo folgte mir.
Ich zog meinen Ausweis.
"FBI!", rief ich und ließ dabei den Blick durch die Großküche des Blackwood-Hotels schweifen. Überall dampfte es. Auf großen Essenswagen wurden Mahlzeiten transportiert.
Lastenaufzüge für die Suiten wurden mit erlesenen Spezialitäten bestückt.
Insgesamt gab es vier Ausgänge.
"Hier sind gerade zwei Männer mit dem Lastenaufzug angekommen?"
"Ja, ja! Diese Verrückten! Die haben mich einfach über den Haufen gerannt!"
"Wohin sind sie?"
Der Mann deutete auf einen der Ausgänge.
"Die waren bewaffnet", flüsterte er dann noch.
Aber da waren Milo und ich längst auf dem Weg. Wir rannten quer durch die Großküche. Das kam einer Art Hindernislauf gleich. Mit einem Satz schwang ich mich über eine Spüle.
Augenblicke später hatten wir die Tür erreicht.
Mit der Waffe im Anschlag gab ich ihr einen Tritt. Sie flog zur Seite.
Dahinter war ein langer kahler Flur. Vermutlich waren dort Vorratsräume untergebracht.
Ich spurtete los.
Milo folgte mir. Am Ende des Gangs befand sich ein Treppenhaus, das wohl als Notausgang im Brandfall zu dienen hatte.
Ein Hinweisschild verriet, dass man auf dem Weg nach unten in