Am meisten hat mich an diesem kleinen Projekt fasziniert, dass mein Vorhaben teilweise auf taube Ohren stieß oder sogar von Neid begleitet war. Dies erachte ich als nicht unbedingt notwendig, aber es ist vollkommen verständlich und so trennte sich sehr deutlich die Spreu vom Weizen. Für mich eine Erfahrung auf die ich hätte verzichten können, aber die sich nun mal so zeigte wie sie ist. So gesehen hege ich kein Groll mit und habe mich ganz natürlich von dieser „Spreu“ getrennt, was mir gut tat. Wenn ich alles Revue passieren lasse ist es das worauf es ankommt. Nichts kann manchmal mehr treffen als die Realität und das Verhalten einiger Menschen. Aber es ist eine Realität, die man manchmal nicht ändern kann, aber mit der man lernen kann für sich selbst positiv umzugehen. Dieses Buch will also nicht ein Schmusekurs fahren. Es wird sie zu gegebener Zeit durchaus schwierig lesen lassen und die Verhaltensmuster mancher Menschen – die ich hier dann nicht namentlich nennen will – darlegen. Die betroffenen Personen werden ganz genau wissen ob sie gemeint sind. Dennoch will dieses Buch bzw. diese schriftlichen Niederlegung kein Rachefeldzug sein. Dies wäre dem Thema nicht gerecht und widerstrebt meinem Naturell. Außerdem wäre sinnlos, denn das menschliche Verhalten ist schwer bis kaum zu ändern. Zumal diese Änderung immer nur von sich selbst heraus stattfinden kann und nicht durch andere.
Ich möchte noch einmal Danke sagen. Zwar für mich eine besondere Herausforderung, eine Autobiografie zu schreiben. Wenn ich fürchte das genau dies hier der Begriff ist um zu beschreiben worum es hierbei geht. Der Prozess des Lebens – so möchte ich es nennen – ist noch lange nicht abgeschlossen. Dies mag daran liegen, dass ich nach dem Lebensalter her, also mit meinen den 36 Jahren, weder besonders alt erscheine noch die Lebenserfahrung die eine Autobiografie normalerweise voraussetzt mitbringe. Die anspruchsvolle Realität meines Lebens hat mich oft sehr herausgefordert und ich bin sehr froh durch die Hilfe meiner Freunde und meiner kleinen Familie alles aufgeschrieben zu haben. Das Schreiben dieses Textes verlief oftmals gar nicht leicht. Wie ich schon versucht habe anzudeuten war es erstens schmerzhaft, zweitens von Vergesslichkeit und Organisationsschwäche in der jetzigen Zeit begleitet als auch drittens Zeit raubend. Ich würde es dennoch immer wieder tun. Denn gerade dies meine psychische Heilung positiv beeinflusst. Heilung klingt an dieser Stelle ein wenig herablassend, denn ich meine dass es sowieso keine absolute psychische Heilung geben kann. Ich finde aber dennoch, dass das beschäftigen mit Vergangenheit oder den Dingen die einen belasten Positives freisetzen kann.
Einleitung
Als ich von dieser unschönen Sache erfuhr und ich ab dem Zeitpunkt der Heimsuchung ein etwas Greifbares dachte, wie eine Person oder eine Figur, musste ich an die denken, die Schlangen als Haare hatte. Nichts erschien mir ekelhafter und widerlicher als diese Figur und darum passend für meine Heimsuchung. Jene Figur aus der griechischen Sagenwelt, die sogar ihren Weg nach Hollywood gefunden hat. Sie ist also, auch zu unserer Zeit keine Unbekannte, und eine unglaublich passende Sagenfigur die beabsichtigt oder unbeabsichtigt mehrere Eigenschaften meines ganz persönlichen Verderbnis in sich vereinte. Sie war so hässlich, dass die Menschen die sie erblicken mussten, zu Stein erstarrten, sie extrem widerlich und ekelhaft erscheint, man dieser Sache nur sehr schwer beikommen kann und sie eine Frau ist. Letzteres hören Feministinnen wahrscheinlich nicht gerne, aber es ist nicht wertend gemeint, sondern hat mit der Gruppe derer zu tun, die hauptsächlich ebenfalls daran leiden. Es ist auf eine merkwürdige Weise nämlich erleichternd, dass ich nicht der einzige bin der diese Heimsuchung erdulden muss. Spielen dieser Stelle auf den Anhang verweisen, indem ich die Geschichte aus dem Trojanischen Krieg wiedergegeben habe.
Die Medusa hat die besondere Eigenschaft die, die sie direkt ansehen zu Stein zu erstarren. Da ich nun im Nachhinein weiß, dass in meinem Fall genau dieses eintrat, die Erstarrung der Bewegungsfunktionen, finde ich noch heute die Figur der Medusa als Personifizierung meiner Erkrankung sehr passend. Auch ist das was mich betraf, meist Frauen zuteil. Somit passte eine weibliche Figur ebenfalls perfekt und sehr passend in meine Suche nach einer Figur. Ganz zu Beginn wollte ich es nicht wahrhaben und sah weg, und dies mag in Gegenwart der Medusa ein kluges Vorgehen sein, aber dieses Weggucken und nicht wahrhaben wollen wuchs sich über die Jahre zu einem schieben und ducken – die Psychologen sprechen hierbei von dysfunktionalen Bewältigungsstrategie – aus. Diese bewegt sich auf dem Niveau eines „ficht vor flicht“ und im Extremfall zu einem Erstarren aus psychischer Sicht. Im Grunde sind dies sehr primitive Muster der Antwort auf eine bedrohliche Situation. Bei mir führte dies – und ich hatte mich über dreizehn Jahre an diesen Zustand gewöhnt – zu oft merkwürdigen Verhaltensmustern, jedoch meist nicht in der Öffentlichkeit. Letztendlich jedoch ist dieser Zustand extrem energieaufwendig, denn meines stets darum bemüht sein Zustand zu verbergen, und zwang mich dazu verschwenderisch mit meinen Energien umgehen zu müssen. Ich war immer darum bemüht ein positives und gefälliges Bild nach außen hin zu präsentieren während mein Inneres nur eine Ruine war. Letzteres stimme immer schwerer und spätestens mit dem Zeitpunkt des wieder arbeiten gehen Wollens rächte sich. Denn ich hatte, wie das Sprichwort sagt, den Bogen weit überspannt.
Ich wollte es schlicht nicht wahrhaben und die ersten Jahre fuhr ich gut damit es zu ignorieren. Dann nahm die „Versteinerung“ konkrete Formen an. Versteinerung meint hier eine Unfähigkeit sich wie gewohnt zu bewegen, die immer mehr zunimmt und letztendlich – aus welchen Gründen auch immer, denn hier ist die Medizin zwar weit aber eben nicht am Ziel – beabsichtigt, eine Bewegung gänzlich unmöglich zu machen. Diese Versteinerung, und dies umfasst die zweite Ähnlichkeit, überträgt sich auch auf Freunde, Bekannte und Verwandte. Nicht alle sind davon betroffen, aber einige wenden sich ab und können mit diesem Zustand nicht umgehen. Und Sie möchten natürlich auch nicht „infiziert“ werden, wenngleich diese unschöne Sache nicht ansteckend ist. Es ist vielmehr die Scheu vor einer Konfrontation mit der Realität. Denn: es kann jeden treffen und daher will man sich diese Sache vom Hals halten. Man will sich also nicht damit auseinandersetzen. Oder aber man kann sich den Hilfebedarf vorstellen der für so eine Person aufgebracht werden und was der Betroffene leisten muss. Allerdings kann man dies nicht verallgemeinern. Und dies würde die dritte Ähnlichkeit umfassen, die mich davon überzeugte genanntes Bild aus der Antike zu übernehmen und diese hervorragend für mich passt: die so genannte Krankheit mit den 1000 Gesichtern. Spätestens jetzt wissen Sie worum es geht. Multiple Sklerose die ebenso wie das Haupt der Medusa 1000 Schlangen als Haare hat. Ebenso schrecklich und abstoßend. Und nicht greifbar. Sie verläuft also immer irgendwie anders und es ist zwar eine Ähnlichkeit festzustellen, aber nicht eine vollkommene Übereinstimmung. Es ist unmöglich zu wissen woran man ist und was kommen mag. Dies beeinflusst nicht nur das Denken, sondern auch das Leben an sich. Die reagiere ich auf Unwägbarkeiten, also Dinge die ich nicht vorhersehen kann und die so nebulös sind wie die Quantenmechanik. Will heißen: beobachtet man ein Problem oder eine Symptomatik, so kann sie sich anders zeigen als wenn man sie nicht beobachtet hätte. Dies macht die Sache so aufwendig und energieintensiv für Betroffene und Angehörige, damit umzugehen, das Unvorhergesehene zu erwarten, nicht zu übertreiben um sich nicht auch noch psychisch zum Krüppel zu schießen und Hilfe anzunehmen. Letzteres kann ein immenses Problem darstellen, da die betroffenen Menschen im Durchschnitt gerade in der Zeit ihrer höchsten Leistungsfähigkeit (20-40 Jahre) davon betroffen sind.
Bis ich letztendlich in der Lage war der Medusa den Kopf abzuschlagen – und sie ist der Sage nach sterblich –, vergingen einige Jahre. Sie waren geprägt von stetigem Abbau der Fähigkeiten und einer zunehmenden Versteinerung. Jedoch: ich konnte das Ruder in verschiedenen Bereichen herumwerfen, den Kurs selbst bestimmen und mein Heft nicht vollkommen aus der Hand geben. Dies war mit vielerlei Schwierigkeiten und Herausforderungen verbunden, die ich erzählen will. Letztendlich fühle ich mich einem Perseus bzw. Helden sehr ähnlich, da ich ohne Arroganz behaupten darf trotz