Die Stadt unter dem Meere (Roman). Joseph Delmont. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Joseph Delmont
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783746745718
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Postsäcken verstaut werden.

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      Am folgenden Abend um sieben Uhr war man zur Abreise gerüstet.

      Die vier Landurlauber, die ihre Uniformen unauffällig abgeändert hatten, stiegen mit den Postsäcken durch die Einsteigluke des in der »Stadt unter dem Meere« erfundenen und erbauten neuen kleinen U-Boot-Typs U.1000.

      U.1000, nur zwölf Meter lang und mit einer vom Oberingenieur Klebinder erfundenen Akkumulatorenbatterie ausgestattet, die sich durch Kontredrehungen immer von neuem lud und so bis zur Verbrennung der Zinkbatterien durch vier Tage oder sechsundneunzig Stunden, Kraft gab.

      Dieses kleine Boot hatte einen Aktionsradius von zweihundertundfünfzig Seemeilen und eine Geschwindigkeit von achtzehn Knoten über Wasser, unter Wasser lief es vierzehn Knoten.

      Alle Einrichtungen waren durch lange Experimente und gründliches Studium verbessert. Das Boot konnte schneller auf- und untertauchen. Die Scheinwerfer waren vervollkommnet und durch Ineinanderschleifen der Parabolspiegel imstande, kräftiger zu wirken. Insbesondere unter Wasser. Die Sehschlitz- und Periskopvorrichtung für Unterwassersichtung war neu angeordnet.

      Mader händigte jedem der Leute englisches, amerikanisches und italienisches Geld ein.

      Punkt acht Uhr dreißig tauchte fünf Seemeilen von der Küste von Bergeggi entfernt, U.1000 aus dem Wasser. Die Luke wurde zurückgeschlagen und die Mannschaften kamen eilig an Deck.

      Mader hielt Umschau. Kein Boot war in der Nähe.

      In der Ferne zuckten die Lichter von Savona und südöstlich davon Genua mit dem Leuchtfeuer davor. Westlich konnte man die Fenster des großen Hotels von Spotorno im vollen Lichterglanz sehen. Ganz weit, hinter Spotorno, flimmerten die Lichter von Noli und der Leuchtturm von Capo di Noli. Ein Rivieraexpreß fuhr eben mit leuchtenden Augen aus dem Tunnel von Capo di Noli.

      Rasch wurde das Boot zu Wasser gelassen, die Säcke wurden verstaut, und mit kräftigen Ruderschlägen entfernte es sich.

      U.1000 fuhr in voller Fahrt hinaus in die See.

      25

      Rinseler saß am Steuer, während die anderen drei, trotz des Segels, angestrengt ruderten.

      Die Flaute ließ das Segel schlaff und bewegungslos hernieder hängen.

      Das kleine Inselchen östlich von Spotorno kam in Sicht. Es lag öde und verlassen. Kurz nach Kriegsende war die Scheinwerfer- und Wachtabteilung von der Insel abgezogen worden.

      U-Bootsucher kamen um ihren beneideten Faulenzerposten.

      Die Fischer und sonstigen Freier aus den umliegenden Orten hatten alles brauchbare Holz entfernt.

      Wie vor dem Kriege standen nur die Mauerreste einer früheren kleinen Ansiedlung.

      Mit raschen Schlägen näherte sich das Boot.

      Göbel stand vorne und sah forschend in die sternenhelle Nacht hinaus.

      Nichts regte sich auf dem Eilande.

      An der Insel vorbei, ging es gegen die felsige Küste zu.

      Tiefe Stille herrschte. Von Spotorno schlug eine Turmuhr die zehnte Stunde.

      Eine tiefe Felsengrotte, bizarr und phantastisch, öffnete sich an den steilen Uferfelsen. Mit eingezogenen Rudern und gerafftem Segel fuhr das Boot lautlos über die leichte Brandung.

      An der Grotte stieß das Boot sachte einen Felsen hinauf.

      Göbel sprang als erster an Land und zog das Tauende mit dem Boot die Schräge hinauf. Die anderen folgten.

      Das Boot wurde ganz aus dem Wasser geholt und festgemacht.

      Maxstadt sog die Luft in tiefen Atemzügen ein. Ein eigenartiges Gefühl beschlich ihn. Heiß lief es ihm über den Rücken.

      Fünf Jahre und zwei Monate waren es gerade jetzt, daß er zum letzten Male auf fester Erde, im Freien gestanden!

      Einem Impulse, einem inneren treibenden Muß folgend, sank er in die Knie und faltete betend die Hände.

      Ein befreiendes Gefühl beschlich ihn.

      Die andern waren mit Staunen dem Beginnen Maxstadts gefolgt. Fast gleichzeitig nahmen sie die Mützen ab und senkten betend das Haupt.

      An der steilen Felsenwand kletterten sie hoch.

      Oben lag die weiße, staubige Rivierastraße, gleich dahinter liefen die Gleise der Rivierabahn Genua-Nizza.

      Die vier Männer standen still und lauschten in die Nacht hinaus. Sie waren so bewegt, daß sie nicht sprechen konnten.

      Eine kurze Beratung, dann ging Rinseler auf der Straße nordwärts gegen Bergeggi nach Savona.

      In einer halben Stunde sollte Herdigerhoff folgen und in Bergeggi übernachten.

      Maxstadt nahm den Weg nach Spotorno und wollte in Noli nächtigen.

      Göbel sollte beim Boot bleiben und gegen Tagesanbruch nach Spotorno gehen.

      Fast taumelnd schritt Maxstadt die Straße entlang.

      Fünf Jahre! Fünf Jahre war er nicht auf festem Boden unter freiem Himmel gewesen. Fünf, fünf lange Jahre! Er lachte in sich hinein, sprach mit sich selbst, ging an die hohen, mit weißem Staub überzogenen Kakteen, die den Straßenrand einsäumten, heran, befühlte sie und ließ sich von einem Stachel stechen. Er riß Büschel von Gras und Unkraut vom Wegrand aus und sog tief, tief den herben Duft ein. War es denn Wahrheit? Ging er wirklich auf der Straße unter freiem Himmel? War da keine Tropfsteindecke über ihm? Mit raschen Schritten trabte er fürbaß.

      Da erdröhnte die Erde und ein langes Pfeifen durchschnitt die Stille der Nacht.

      Der Expreß Genua—Nizza brauste an dem einsamen Wanderer vorbei, um in Spotorno mit quietschendem Geräusch zu halten.

      Die Lichter der kleinen Stadt kamen näher. Die Fenster des großen Luxushotels waren erleuchtet. Ein leiser Wind hub an und trug die Töne einer Musikkapelle herüber.

      Plötzlich stand Maxstadt still. Angestrengt horchte er in die Nacht hinaus.

      Silbernes Mädchenlachen klang durch das Dunkel. Das Lachen einer Frau. Wie lange hatte er das schon nicht gehört?

      Während der fünf Jahre war das Bild der Mädchen und Frauen langsam zu etwas Eigenem, Unfaßbarem in den Köpfen der Höhlenbewohner geworden. Die erregte Phantasie hatte in fortgesetztem Denken einen irren, krausen Weg im Gehirn geschaffen. In tausendfacher Gestalt war »das Weib«, im Wachen wie im Traum, erschienen und zu etwas Schemenhaftem, Unnatürlichem geworden. Nur die Arbeit, das Studium, das Turnen und nicht zum mindesten die Bromportionen von Dr. Katzberg hatten geholfen, die Gedanken von den Frauen abzulenken. Doch waren sie alle Männer in den besten Jahren, kräftige und gesunde Menschen.

      Die Phantasie war das häßliche Gespenst, das die Sinne trotz allem aufpeitschte und den Körper leiden ließ. Die Natur forderte ihr Recht.

      Wieder erklang das Lachen. Waren es Frauen oder Mädchen?

      Der Schweiß lief Maxstadt am ganzen Körper herab und trotzdem spürte er kalte Schauer im Rücken. Er trocknete sich die Stirne, atmete tief auf und schritt langsam weiter.

      Jetzt kam er am Gartengitter des Hotels vorbei.

      Dickstämmige Palmen standen in gleichen Reihen. Dazwischen zogen sich Wege und Beete hin.

      Ein starker Duft von Blumen strömte zur Straße hinaus.

      Im großen Saale wurde getanzt.

      Maxstadt stand mit offenen Augen am Gitter und starrte durch das Dunkel des Gartens zu den lichterfüllten Fenstern des Tanzsaales.

      Frauen! Mädchen! Mit nackten Schultern und Armen, weiß wie Alabaster.

      Frauen mit leuchtenden Augen! Frauen, mit schwellenden Lippen, lagen in den Armen schwarzbefrackter oder uniformierter