»Halt, Mr. Parker! Wartet noch ein Weilchen!«
»Was wollt Ihr, Sir?« fragte er.
»Bei Euerm Savannengerichte ist ein Fehler vorgekommen, der das Urteil ungültig macht.«
»Was versteht denn Ihr von Savannengericht!«
»Mehr als Ihr, wie es scheint, sonst hättet Ihr diesen Fehler nicht begangen.«
»Welchen Fehler meint Ihr denn?«
»Es sind eigentlich mehrere. Erstens hat einer nicht mitberaten, der mitzusprechen hatte.«
»Mr. Cutter wollte ja nicht.«
»Den meine ich nicht.«
»Nicht? Wen denn sonst?«
»Mich.«
»Ah, Euch? Das ist wohl Spaß. Ihr seid doch gar kein Savannenmann.«
»Was ich bin oder nicht bin, das ist hier sehr gleichgültig; ich gehöre mit zur Gesellschaft und darf nicht von einer so wichtigen Verhandlung ausgeschlossen werden.«
»Was Ihr sagt!« lachte er. »Ihr gehört keineswegs zu unsrer Gesellschaft, sondern Ihr steht unter dem Schutze derselben; das ist die Sache, Sir. Wenn wir die Hand von Euch ziehen, seid Ihr ferner keinen Augenblick mehr Eures Lebens sicher.«
»Das sind Ansichten, Mr. Parker, über die ich nicht mit Euch streiten will. Lassen wir also meine Person aus dem Spiele! Der zweite Fehler ist der, daß Ihr mit den Roten kein einziges Wort gesprochen habt. Man verurteilt doch nicht jemand zum Tode, ohne ihn vorher zu verhören!«
»Verhören? Diese Kerls? Das fehlte noch!«
»Was haben sie denn verbrochen?«
»Unnütze Frage! Sie wollten Old Wabble töten.«
»Könnt Ihr dies behaupten, haben sie es eingestanden? Seid Ihr überzeugt, daß sie wirklich die Comantschen sind, die ihn verfolgen?«
»Seht Ihr denn die Kriegsfarben nicht, mit denen sie sich bemalt haben!«
»Die ist kein Beweis; so viel verstehe ich vom wilden Westen wohl auch.«
»Nichts versteht Ihr, gar nichts, Sir!«
»Doch! So weiß ich zum Beispiel, daß ein Gefangener und sein Leben nur dem Sieger gehört, keinem andern. Wer von Euch kann behaupten, diese Comantschen besiegt und gefangen genommen zu haben?«
»Redet nicht so dummes Zeug! Diese Kerls gehören uns, außer Ihr könnt uns sagen, wer der geheimnisvolle Mann gewesen ist, der sie besiegt hat und sich nun nicht sehen läßt.«
»Ich kann es sagen, und er versteckt sich nicht, sondern er läßt sich sehen, Mr. Parker.«
»Wo denn?«
»Hier.«
»So zeigt mir ihn doch!« forderte er mich auf, indem er lachend rundum blickte.
»Er liegt vor Euch; ich selbst bin es.«
»Ihr? Alle Wetter! Ihr, Ihr wollt diese Roten überwältigt und gefesselt haben?!«
»Ja.«
»Diese Finte ist geradezu lächerlich! Mit ihr errettet Ihr die Halunken nicht von dem Tode. Wenn Ihr es fertig bringt, auch nur einen einzigen Indianer im Kampfe zu besiegen und bei lebendigem Leibe zu fesseln, wie diese hier, so will ich niemals ein Westmann gewesen sein!«
»Well, so seid Ihr keiner gewesen.«
»Oho! So etwas fertig zu bringen, dazu gehört die Kraft eines Old Shatterhand. Wollt Ihr behaupten, sie zu besitzen?«
»Behaupten nicht, aber beweisen. Paßt auf!«
Ich war während dieses Streites ruhig am Boden liegen geblieben; jetzt stand ich auf, ergriff ihn mit der rechten Hand beim Gürtel, schwang ihn mir einigemale um den Kopf, daß er laut aufschrie, stellte ihn dann wieder auf die Beine und fragte:
»Ist das genug, oder soll ich Euch zeigen, wie es thut, wenn Ihr meine Faust auf den Schädel bekommt?«
Ehe er noch antworten konnte, rief einer der Gefangenen mit lauter Stimme aus:
»Old Shatterhand! Das ist Old Shatterhand! Ich habe es mir gedacht!«
Er hatte mich, weil ich im Schatten lag, vorher nicht bemerken können, nun aber beim Scheine des Feuers meine aufgerichtete Gestalt gesehen. Ich trat zu ihm und fragte:
»Kennt mich der gefangene Krieger der Comantschen?«
»Ja,« antwortete er.
»Wo hast du mich gesehen?«
»Im Lager der Racurroh-Comantschen, als du die Seelen ihrer Häuptlinge aus dem Laufe deines Bärentöters gegen den Himmel schossest. Der oberste ihrer Häuptlinge war To-kei-chun; das Leben seines Sohnes lag in deiner Hand; du aber schenktest es ihm.«
»Das stimmt. Du spricht die Sprache der Bleichgesichter ziemlich gut und hast also verstanden, was bisher gesprochen wurde?«
»Ja.«
»Ihr habt also gehört, daß ihr euch nahe dem Tode befandet?«
»Wir hörten es. Wir hörten auch, daß Old Shatterhand für unser Leben sprach.«
»Das thut er stets. Ich bin ein Freund der roten Krieger und bedaure es, wenn sie ihre Tomahawks des Krieges gegen die Bleichgesichter erheben, denn ich weiß es, daß sie zwar einmal siegen können, aber um so sicherer untergehen werden. Auch ihr sollt erfahren, daß ich nicht den Tod der roten Männer will.«
»Wir sind tapfre Krieger und fürchten den Tod nicht.«
»Das weiß ich; aber das Leben ist doch besser als der Tod, und es ist kein Ruhm für euch, wenn euer Stamm erfährt, daß ihr ohne alle Gegenwehr besiegt und dann erschossen worden seiet. Es soll auf deine Antworten ankommen, ob ich euch das Leben schenke. Wie heißt der Häuptling, dem dein Stamm gehorcht?«
»Es ist Vupa Umugi, der noch nie besiegt wurde.« »Wo stehen die Zelte eurer Dörfer?« »Das sage ich nicht.« »Eure Krieger sind zum Kampfe ausgezogen?« »Ja.« »Wie viele Köpfe stark sind sie?« »Ich schweige.« »Wo befinden sie sich jetzt?« »Ich weiß es nicht.« »Gegen wen ziehen sie?« »Ich weiß es, verrate es aber nicht.«
»Du bist verschwiegen und also ein tüchtiger Krieger, der lieber sein Leben auf das Spiel setzt, als daß er die Seinigen verrät. Das muß jedem tapfern Manne und also auch mir wohlgefallen. Geht heim, und sagt euern Häuptlingen und allen euern Männern, daß Old Shatterhand die Tapferkeit und die Verschwiegenheit zu schätzen weiß!«
Ich bückte mich nieder, um sie von ihren Fesseln zu befreien. Als dies geschehen war, sprangen sie auf, und der, welcher bisher gesprochen hatte, fragte: »Old Shatterhand bindet uns los und sagt, wir sollen gehen. Wir sind also frei?«
»Ja.«
»Wir können gehen, wohin wir wollen?«
»Ja.«
»Was geschieht mit unsren Waffen und Pferden?«
»Die erhaltet ihr jetzt zurück. Old Shatterhand ist kein Dieb oder Räuber, der sich an fremdem Gut vergreift.«
»Uff, uff! Werdet ihr uns nachspüren, um zu erfahren, wohin wir reiten?«
»Nein; ich gebe euch mein Wort darauf.«
»Uff,