Am Hauptplatz steht (unweit von Gunthers Geschäft) der swiss clocktower, ein von Schweizern gestifteter Uhrturm. Trotz der vielen Spelunken, die sich Geschäfte schimpfen, aber doch schon den ganzen Plunder von Pepsi bis Walt Disney verkaufen, ist nur mehr der Markt so „richtig idyllisch“. Da gibt’s neben frischem Gemüse auch noch jene Sachen, die einem Europäer den Magen umdrehen: getrocknetes Fleisch, das erst unter Trauben von Fliegen zum Vorschein kommt, extrem fette Würste und Schwarten.
Nach meiner kurzen Erkundung besuchte ich Gunther in seinem „Druk opticle shop“ und wollte auf sein Angebot, mir alles Nötige zu sagen und zeigen, zurückkommen.
Ich erzählte ihm von meinen ersten Eindrücken und er meinte nur: „Na wenn du das schon alles gesehen hast, sparen wir uns eine Erkundungstour und gehen gleich ins Benez!“.
In Gunthers Anfangszeiten war das Benez das Lokal für Seinesgleichen, regelmäßig trafen sich „ausländische“ Projektmitarbeiter dort, um den Kontakt aufrechtzuerhalten.
Bei meinem ersten indischen Bier brachte der Herr Optiker dann ein bisschen:
Licht ins Dunkel.
Erst 1616, als Shabdrung Namgey Nawang auf eine politische Einigung drängte und in einigen Kriegen „die südlichen Täler“ befriedete – wie das dann immer so schön heißt, wurde Bhutan geboren.
Shabdrung festigte seine Herrschaft durch die Errichtung von Klosterburgen, den Dzongs, je eine für jede Provinz.
Diese Dzongs sind selbst heute noch politische Verwaltungseinheit, als auch Klosterschulen, und vereinen weltliche und geistige Macht.
Der Name Bhutan kommt vom indischen Wort Bhotanta – „Ende Tibets“ – das heißt „Grenzgebiet zu Tibet“.
Die Bewohner Bhutans nennen ihr Land Drukyel, das Land des Drachen.
Die Herrschaft gemäß Shabdrungs System war eine Theokratie.
Im 19. Jahrhundert konnten sich die Bhutanesen auch erfolgreich gegen die Hegemoniebestrebungen Großbritanniens im Himalaya-Gebiet wehren. Sie behaupteten ihre Stellung, indem sie die politischen Verhältnisse nützten und als Vermittler zwischen Tibet und der englischen Krone auftraten. Bhutan ist somit das letzte und einzige der 7 Himalaya-Königreiche, das der aggressiven Expansionspolitik diverser Nachbarn standhalten konnte, beziehungsweise durch seine Abgeschiedenheit auch gar nicht interessant war.
Seit 1907 ist Bhutan eine Monarchie. Trotzdem gilt das Shabdrung-System immer noch als Vorbild in Verwaltung und Rechtssprechung.
Der Großvater des jetzigen Herrschers versuchte zu Beginn der 60er das Land aus dem Mittelalter in die Neuzeit zu führen.
Er gilt als Gründer des modernen Bhutans.
Erst 1962 begann Planung und Bau einer Verkehrsverbindung zwischen der Hauptstadt Thimphu und Phuentsholing, einer Grenzstadt zu Indien. Es folgten weitere Straßenbauprojekte, durch die das Land systematisch aufgeschlossen werden sollte.
Bhutan ist seit 1971 Mitglied der Vereinten Nationen und seit 1973 bei der Gemeinschaft Blockfreier Staaten.
Mit Indien stellten sich, aufgrund des diplomatischen Geschicks des Königs, auch westliche Industrieländer an, um Entwicklungshilfe zu leisten.
So bauten Dänen die Kanalisation für die Hauptstadt, Japaner installierten ein Telefonnetz, Schweizer beschäftigen sich mit moderner Land- und Forstwirtschaft und vieles mehr.
Das Land des Drachen machte seither einige radikale Veränderungen durch, und es schien nicht immer klar, ob der ab 1972 regierende König Jigme Singey Wangchuk, Erbmonarch und Vater des momentanen Königs Jigme Khesar Namgyel Wangchuk, die Gratwanderung zwischen Kulturerhaltung und Öffnung zur Moderne schaffen würde.
Österreich beteiligte sich anfangs mit Kraftwerksprojekten und einem Tourismusprojekt, die Außenhandelsbilanz Bhutans aufzubessern und unterstützte damit die Unabhängigkeit des Landes (von Indien). Angesichts der Holzreserven des Landes (vom König gehütet, wie sein eigener Augapfel) wurde später die Idee zu einem Forstprojekt geboren, das die nachhaltige Bewirtschaftung der Wälder zum Ziel haben sollte.
In Bhutan fallen speziell im Sommer, aber auch im Winter ergiebige Monsunniederschläge. Der Boden ist sehr lehmig und durchfeuchtet. Sobald ein wenig Wald aufkommt, gibt er selbst so viel Schatten, dass nur mehr ein auf tiefe, kühle und feuchte Böden ausgesprochen spezialisierte Baumart überleben kann. Das ist der Grund für ausgedehnte Tannenurwälder in einer Höhe zwischen 3500m und 4000m.
„Never touch the firs!“ sagten die Experten einhellig, bevor das Forstprojekt gestartet wurde. Sie meinten damit eben den Forstbestand in den extremen Höhenlagen. Sie gingen von einer zu geringen Regenerationsfähigkeit der Wälder aus, als dass hier jemals eine wirtschaftlich rentable Holzernte stattfinden könnte – ohne dabei die Urwälder massiv zu zerstören.
Das Negativbeispiel Nepal zeigte „eindrucksvoll“, wie schnell und unwiederbringlich diese Wälder verschwinden können.
Die Königsfamilie in Bhutan war nicht zuletzt aufgrund der Erfahrungen in Nepal, über Maß für Ökologie und vor allem für die Wälder engagiert.
Es galt also – unter dem royalen Argusauge – Wege zu finden, die eine Holzernte ermöglichten und doch dem extrem empfindlichen Ökosystem Rechnung tragen würden.
Ura (eine Ortschaft in der zentral gelegenen Provinz Bumthang) wurde als Stützpunkt für das Projekt bestimmt. Die Gegend und auch der Neigungsgrad der Hänge, wo die Holzbringung organisiert werden sollte, erinnern an Waldrücken österreichischer Topographie.
Eine Forststraße müsste gebaut und der Holztransport bis zur Straße via Seilkran eingerichtet werden.
Die Rahmenbedingungen waren also wie geschaffen für österreichische Forstwirte und Ökologen.
Nach Jahren der Planung und Konzeptentwicklung begannen Spezialisten der Universität für Bodenkultur in Wien, gemeinsam mit Experten aus Bhutan systematisch die Projektziele zu erarbeiten. Damals war wirklich noch keine Rede von einem Projektdorf, damals hausten die „Pioniere“ tatsächlich noch in Zeltlagern.
Zu Beginn des Projektes beauftragte Österreich ein spezialisiertes Büro in Wien, einen sogenannten Implementing Agent, mit der reibungslosen Projektabwicklung.
Ein „Laison Office“ (ein Koordinationsbüro) wurde in Thimphu eingerichtet. Dann wurde mit dem Bau des „Projektdorfes“ in der Nähe von Ura begonnen. Quartiere, eine „Community-Hall“ und ein Bürogebäude wurden errichtet.
Dort würde ich hauptsächlich tätig sein, Löhne auszahlen, Buchhaltungsarbeiten durchführen und den Manager bei Organisationsentscheidungen unterstützen.
Das Projekt lief noch nicht wirklich (vor allem hatte man sich dem eigentlichen Kerngeschäft „Holzbringung“ noch kaum genähert), tauchten bereits bei der Schaffung der geeigneten Rahmenbedingungen gravierende Probleme auf.
Durch eine unglückliche Personalkonstellation auf Österreichischer Seite, beziehungsweise die unglückliche und unbedachte Art und Weise, wie man das zuständige Personal „zusammengewürfelte“ hatte, führte dazu, dass die Situation schwierig wurde.
Zum Beispiel rekrutierte man einen jungen Ökologen, frisch von der Uni, quasi als Kontrast zu einem alten, erfahrenen Mechaniker, kurz vor der Pension, als Chef der „Maschinenabteilung“ (der bisher vor allem in Afrika in der Entwicklungshilfe gearbeitet hatte). Beide hoch motiviert.
Eines Tages beobachtete der Ökologe, wie der Mechaniker Altöl auf dem sandigen Platz vor der Werkstatt verteilte. Mit hochrotem Kopf stellte er ihn zur Rede, „was machst du da? Bist du verrückt…??!“
Da