»Die Comantschen.«
»Wollt Ihr uns weismachen, daß diese kommen?«
»Weismachen nicht; es ist wahr.«
»Pshaw! Ihr redet auf einmal ganz anders. Vorhin habt Ihr doch behauptet, von ihnen nichts gesehen und gehört zu haben.«
»Weil ich mich nicht um Euch zu kümmern brauchte. Jetzt aber ist es anders. Wenn Ihr mich nicht fort laßt, seid Ihr mit mir verloren. Sie kommen ganz gewiß, wohl an die fünfzig Krieger stark!«
»Schön! Da werden wir sie kennen lernen und sie uns auch. Vorher aber möchte ich einiges von Euch erfahren.«
»Bindet mich los! Eher stehe ich Euch nicht Rede.«
»Es ist grad umgekehrt: Ihr kommt nicht eher los, als bis ich das erfahren habe, was ich wissen will.«
»Aber diese Zeitversäumnis führt mich und Euch in den sicheren Tod!«
»Bin anderer Meinung und rate Euch, mir auf meine Fragen nichts als die Wahrheit zu sagen.«
Er schimpfte auf mich los und erging sich in allen möglichen Schmähungen. Als er sah, daß dies keinen Eindruck auf mich machte, wandte er sich an Jim, der ja vorhin auf seiner Seite gestanden hatte. Da auch dies nichts half, zischte er mich grimmig an:
»So sagt, was Ihr wissen wollt! Ich versichere Euch aber, daß Ihr Eure Gewaltthätigkeit bereuen und schwer büßen werdet!«
»Das warte ich mit Vergnügen ab. Wem gehört dieses Pferd?«
»Alberne Frage! Natürlich mir!«
»Dieser Dolch?«
»Auch mir.«
»Und die Sachen, welche ich aus den Satteltaschen genommen habe? Ihr seht sie hier liegen.«
»Mir, mir und immer mir!«
»Auch dieses Buch?«
»Auch.«
»Was ist's für eins?«
»Das sind Notizen, die ich aufgeschrieben habe.«
»Es ist aber doch nicht englisch!«
»Nein, sondern Stenographie.«
»Gebt Euch keine Mühe, mich anzulügen! Es ist persische Schrift und persische Sprache. Ihr habt das Pferd gestohlen. Wenn Ihr Euch entschließt, aufrichtig zu sein, so werde ich nachsichtig mit Euch verfahren; bleibt Ihr aber bei Euern Lügen, so lasse ich Euch von dem Besitzer des Pferdes genau nach dem Gesetze der Savanne bestrafen. Ihr wißt doch wohl, daß auf Pferderaub der Tod steht?«
»Lächerlich! Man kann doch unmöglich der Räuber seines eigenen Pferdes sein! Versucht es doch nicht, Komödie mit mir zu treiben! Ich durchschaue Euch, Ihr selbst seid Diebe, die mir mein Pferd unter dem Vorwande, daß ich es gestohlen habe, abnehmen wollen.«
Diese Frechheit ließ mich ruhig; den wackern Jim Snuffle aber empörte sie derart, daß er mit geballten Fäusten auf ihn zutrat und ihm drohte:
»Schuft! Wir sollen Diebe sein? Sag dies noch einmal, so gerbe ich dir das Fell, daß es in Stücken herunterfliegt! Wir und Diebe! Weißt du, wer wir sind?«
»Seid, wer ihr wollt, ehrliche Leute seid ihr nicht, sonst würdet ihr mich augenblicklich freigeben.«
»Eben weil wir ehrlich sind, kommst du nicht frei. Wisse, daß man uns die beiden Snuffles nennt!«
»Ah, die seid ihr? Dann ist es um so mehr zu verwundern, daß ihr an mir in dieser Weise handelt. Ihr klagt mich an, ohne zu wissen, wer ich bin, ohne auch nur die Spur eines Beweises zu haben. Ihr habt mich noch nicht einmal nach meinem Namen gefragt!«
»Weil du uns doch einen falschen sagen würdest.«
»Fällt mir nicht ein; habe gar keinen Grund dazu. Ich bin ein Ehrenmann, der seinen Namen offen nennen darf. Ich bin unschuldig. Bindet mich los, daß ich die Hände frei bekomme; dann werde ich euch aus diesem stenographierten Notizbuche beweisen, daß ich der rechtmäßige Eigentümer dieses Pferdes und all dieser Sachen bin!«
»Ja, wenn du es mit uns allein zu thun hättest, da brächtest du dies vielleicht fertig. Uns ein persisches Gedichtbuch als eine Stenographie hermalen, das wäre so das höchste der Gefühle! Zum Glück ist aber dieser dritte Gentleman da, welcher persisch versteht und das Buch lesen kann.«
»Lüge, nichts als Lüge! Dieser blaue Leinwandmann und persisch lesen!«
»Blauer Leinwandmann? Schuft, sprich höflicher von ihm! Wenn ich dir seinen Namen nenne, wird dir der Mut in allen Fugen krachen!«
»Da bin ich doch begierig, ihn zu hören. Wahrscheinlich aber hat er nicht den Mut, ihn mir zu nennen.«
»Was? Old Shatterhand sollte sich scheuen, seinen Namen auszusprechen?«
»Old Shatterhand? Dieser Mensch, diese Gestalt soll Old Shatterhand sein? Hahahahaha!«
Er lachte aus vollem Halse. Darüber ergrimmte Jim dermaßen, daß er den Fuß erhob, um ihm einen Tritt zu versetzen; ich schob ihn aber zurück und sagte:
»Regt Euch doch eines solchen Menschen wegen nicht auf, Mr. Snuffle. Er wird bald merken, wer ich bin. Es wird kein weiteres Wort an ihm verschwendet. Hätte er ein offenes Geständnis abgelegt, so wären wir möglichst glimpflich mit ihm verfahren; nun aber wollen wir ihm zeigen, daß wir sein Geständnis gar nicht brauchen.«
»Recht so, Sir! Nicht zu glauben, daß Ihr Old Shatterhand seid! Habt ihn mit der Faust vom Pferde geschlagen; schon dies allein ist ein Beweis; hier aber liegt der Bärentöter mit dem Henrystutzen; wer da noch zweifelt, der ist verrückt, vollständig verrückt! Was bestimmt Ihr jetzt, daß geschehen soll?«
Die Augen des Gefangenen suchten die beiden Gewehre und richteten sich dann auf mich; er war bleich geworden, außerordentlich bleich; er begann, die Vergeblichkeit seines Leugnens einzusehen. Ich that, als ob ich dies nicht bemerkte, und antwortete dem Snuffle:
»Wir binden ihn auf das Pferd und reiten mit ihm auf seiner Spur zurück; da wird es sich schnell zeigen, wie er zu seinem Raube gekommen ist, und ebenso schnell wird er das Vergnügen haben, mich mit dem Eigentümer des Pferdes persisch sprechen zu hören.«
Ich sagte dies nicht etwa, um mich zu brüsten, sondern um die Wirkung meiner Worte auf ihn zu beobachten. Eine Blutwelle stieg ihm in das Gesicht, so daß er bis unter die Augen rot wurde; um so mehr stach davon die Blässe ab, als es sich hierauf wieder entfärbte. Es hatte mit einem wirklichen Perser oder wenigstens mit einem, welcher persisch verstand, seine Richtigkeit.
Was ich gesagt hatte, wurde ausgeführt. Wir thaten die Gegenstände alle in die Satteltaschen zurück und hoben den Gefangenen in den Sattel, wo er festgebunden wurde; die Snuffles erhielten seine Waffen außer dem Chandschar, den ich in meinen Gürtel steckte. Dann stiegen wir auf und ritten weiter, dem Beaver-Creek entgegen, ich voran und Jim und Tim mit dem Fremden in der Mitte hinter mir her. Er sprach kein Wort, und da ich es nicht für der Mühe wert hielt, mich nach ihm umzusehen, konnte ich auch die Gedanken nicht beobachten, welche vielleicht in seinen Mienen zum Ausdrucke kamen.
Was ich vorhatte, war nicht ganz ungefährlich. Als er vorhin von den Comantschen sprach, hatte es doch nicht so geklungen, als ob seine Worte aus der Luft gegriffen seien. Es konnte wenigstens etwas Wahres daran sein, und darum war jetzt unterwegs die größte Vorsicht geboten. Auf der offenen Savanne kündete sich jede Begegnung schon von weitem an; dann aber, als es Busch und Wald gab, ritt ich zur größern Sicherheit der andern eine genügende Strecke voran, um sie nötigenfalls warnen zu können. Da galt es, doppelt aufmerksam zu sein. Ich hatte auf die Spur zu achten, die wir nicht verlieren durften, und zugleich Gesicht und Gehör scharf vorwärts zu richten, um nicht etwa von einem Feinde überrascht zu werden. Das minderte natürlich unsere Schnelligkeit, und doch war Eile geboten, denn wenn der, welchem das Pferd gestohlen worden war, sich in Gefahr befand, so konnte jedes Zögern ihm leicht verhängnisvoll werden.
Glücklicherweise