»Ein roter Astra«, kommentierte Nhean.
»Sag ich doch.« Arun stutzte. »Jetzt kommt er.«
Das Tor blieb offen und die schwarze Volvo-Limousine kam gleich hinter dem Astra heraus. Nhean startete den Motor, hielt noch ein, zwei Sekunden inne, bis er das Kennzeichen des Wagens lesen konnte.
»Das sind sie«, sagte Nhean und legte den Rückwärtsgang ein.
Er wollte aus der Parkbucht fahren, aber ein VW-Bus blockierte ihn. Der Bus zögerte, rollte einen Meter weiter und blieb dann erneut stehen. Nhean wollte gerade hupen, als der Bus schließlich den Weg freimachte.
»Warte!«, rief Arun.
»Was ist?«
»Die haben uns reingelegt«, sagte Arun. »Die haben den Wagen getauscht. Der silberne Subaru. Die sind in den silbernen Subaru umgestiegen.«
»Wie kommst du darauf?« Nhean sah Arun an.
»Du hast doch selbst gesagt, dass es vor der Waschstraße nicht weiterging. Die haben das irgendwie gemacht.« Arun lachte auf. »Wir sollen hinter dem Volvo herfahren und dann entkommt er uns.«
Nhean zuckte mit den Schultern und sah dem schwarzen Volvo hinterher, der auf der Hauptstraße davonfuhr. Sie warteten schweigend, sahen gebannt auf die Ausfahrt. Es verließen noch sieben weitere Fahrzeuge die Waschstraße, darunter auch der gelbe Porsche. Dann kam endlich der silberne Subaru Forester.
»Und du bist dir sicher?«, fragte Nhean. »Sie können doch in jedes andere Fahrzeug eingestiegen sein.« Er überlegte. »Und wenn es doch der Volvo war?«
»Nein, vertrau mir«, rief Arun. »Das sind sie. Der Subaru war direkt hinter dem Volvo.« Er stutzte. »Siehst du nicht, er sitzt hinten mit der Frau. Sie wollten uns reinlegen. Außerdem wissen wir, dass sie nach Berlin fahren. Los hinterher!«
Nhean versuchte die beiden Insassen im Fond des Subaru zu erkennen. Er war sich nicht sicher. Dann folgte er Aruns Anweisung, fuhr schnittig zurück, setzte aus der Parkbucht, wechselte den Gang und strebte der Ausfahrt des Parkplatzes zu.
»Wo sind sie jetzt?«, fragte er.
»Dort an der Ampel.« Arun zeigte nach rechts. »Gib Gas, sie haben Grün.«
Nhean schaffte es nicht mehr. Der Subaru zog davon, musste aber zweihundert Meter weiter an einer Fußgängerampel halten, die plötzlich auf Rot gesprungen war. Nhean und Arun hatten wieder Grün und konnten aufschließen. Arun fummelte die Straßenkarte aus dem Handschuhfach und breitete sie auf seinen Knien aus.
»Auf dieser Straße verlassen wir die Stadt«, stellte er fest. Sie fuhren auf ein Straßenschild zu. Arun beugte sich vor und studierte die Richtungsangaben. »Nach links geht es zur Autobahn und rechts nach Warnemünde.«
»Vielleicht haben sie doch ein Hotel in Warnemünde.«
Arun schüttelte den Kopf. »Er hat gesagt, der Angka will nach Berlin.«
»Dann müssen sie auf die Autobahn«, folgerte Nhean.
Arun beugte sich über die Straßenkarte, schlug die Seiten mehrfach um und faltete sie neu. »Es ist die A20.« Er überlegte, blätterte noch einmal in der Karte. »Die Autobahn führt nach Lübeck«, sagte er nachdenklich.
»Und in der anderen Richtung?«, fragte Nhean. »Vielleicht führt die andere Richtung nach Berlin?«
Arun drehte die Karte, faltete sie wieder auseinander. Er fuhr mit dem Finger über die eingezeichneten Straßen und nickte dann. »Ja, hier unten geht es nach Berlin. Es stimmt, der Angka will nach Berlin.«
»Moment! Sie fahren rechts«, rief Nhean plötzlich. »Sie nehmen nicht die Autobahn. Sie fahren doch zurück nach Warnemünde.«
Arun blickte auf. Der Subaru war etwa hundert Meter vor ihnen und blinkte jetzt an der Auffahrt zur Bundesstraße 103. Arun kontrollierte erneut die Karte. Nhean ließ sich von einem Transporter überholen, der ebenfalls rechts fuhr, dann setzte er selbst den Blinker.
Arun schüttelte den Kopf. »Der Angka fährt nicht nach Berlin. Die Information war falsch. Wir sollten dem schwarzen Volvo nach Berlin folgen. Bleib an ihnen dran!«
Sonntag, 26. August 2001, 15:11 Uhr
Sie waren fast vier Stunden ununterbrochen gefahren. Sie erreichten Jena gegen Mittag. Ein Werbeplakat an der Straße zeigte das neuste Zeiss Fernglas, Modell Victory RF mit Präzisions-Laser-Entfernungsmesser. Alex sah zurück, als sie an dem Schild vorbeifuhren.
»So eines habe ich mir erst vor zwei Wochen zugelegt«, sagte er anerkennend. »Meinst du, dass es hier einen Werksverkauf gibt? Wenn ich gewusst hätte, dass wir nach Jena fahren, hätte ich mit dem Kauf noch gewartet.«
»Werksverkauf?«, wiederholte Martin Grenholm. »Bestimmt nicht am Sonntag.«
»Ballerst du immer noch auf Tiere?«, fragte Will, der am Steuer des roten Dodge Durangos saß.
»Was heißt ballern?«, erwiderte Alex aggressiv.
»Okay, Hege und Pflege des heimischen Wildbestandes.« Will musste über seine eigene Bemerkung lachen.
»Das ist besser, als ganze Tage auf dem Schießstand rumzuhängen«, konterte Alex.
»Papierscheiben bluten dafür aber nicht, mein Freund.«
»Wer hat denn schon zwei Leute gekillt«, sagte Alex laut.
»Scheiße, lass mich damit in Ruhe.« Will fluchte.
»Sorry«, sagte Alex sofort. »Jäger muss es halt auch geben, sonst würde doch der Wald ...«
»Wir werden keine Zeit zum Einkaufen haben«, beendete Grenholm die Diskussion. »Wo ist denn hier der Bahnhof?«, fragte er an Alex gewandt.
»Wir sind gerade dran vorbei.«
Grenholm blickte sich verwundert um.
»Seit zwei Jahren halten die Züge aus Berlin und München nicht mehr am Saalbahnhof«, erklärte Alex weiter. »Die planen hier das Paradies.«
»Was?«
»Ja, so wird der neue Bahnhof hier heißen«, tönte Alex grinsend. »Nächster Halt, Bahnhof Jena Paradies.«
»Nichts da, weiterfahren. Hier vorne links da geht es doch über den Fluss.« Grenholm gestikulierte.
Will folgte der Anweisung. Sie überquerten die Saale, hielten sich wieder links, fuhren noch ein ganzes Stück.
»Da vorne kannst du jetzt halten, Will!«
Grenholm deutete zu mehreren freien Parkbuchten. Auf der gegenüberliegenden Straßenseite hatte ein rollender Imbisswagen Station gemacht.
Will lenkte den Wagen von der Straße. Ihnen folgte der zweite Durango mit dem Rest der Männer. Grenholm ließ die Seitenscheibe herunter und gestikulierte. Der andere Wagen fuhr ein Stück weiter und parkte neben einem Kleinlaster.
»Will, du sagst ihnen nachher bitte, sie sollen nicht immer direkt hinter uns fahren. Die Wagen sind schon so auffällig genug.« Grenholm machte eine Pause. »Und sie sollen mal sehen, ob es dort Kaffee gibt.« Er deutete auf den Imbisswagen.
»Kaffee wäre gut, aber ich hasse Operationen mit so vielen Männern«, bemerkte Alex. Sie stiegen aus. Alex holte das Kursbuch hervor. »Ich werde wegen der Strecke noch einmal telefonieren.«
Grenholm nickte. Alex nahm sein Mobile und ging um den Geländewagen herum. Grenholm breitete eine Straßenkarte auf der Motorhaube aus. Er suchte nach der Bahnlinie. Will stand neben ihm und sah ebenfalls auf die