Menschen, Göttern gleich (Roman). H. G. Wells. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: H. G. Wells
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783746746524
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Sonnenscheins, die für die große Dürre von 1921 so charakteristisch waren. Es war nicht im geringsten schwül. Im Gegenteil, die Frische und Mr. Barnstaples gute Laune vereinigten sich, um ihn recht angenehme Erlebnisse erwarten zu lassen. Die Hoffnung war wieder zurückgekehrt. Er wußte wohl, daß er auf dem Wege war, dem Alltag zu entfliehen, aber er hatte bis jetzt noch nicht die leiseste Ahnung, wie vollkommen ihn dieser Weg dem Alltag entführen sollte. Es wäre schon ein nettes kleines Erlebnis, jetzt bei einem Wirtshaus zu halten und zu frühstücken. Und wenn er sich unterwegs einsam fühlen sollte, würde er irgend jemanden mitnehmen und mit ihm plaudern. Er konnte ganz ruhig jemanden mitnehmen, denn es war ihm ganz gleichgültig, nach welcher Richtung er fuhr, wenn er nur Sydenham und die Redaktion des Liberal im Rücken hatte.

      Unweit von Slough wurde er von einem riesigen grauen Tourenwagen überholt, der ihn aufschreckte und zum Ausweichen zwang. Der Wagen tauchte lautlos neben ihm auf und hatte ihn im Augenblick überholt, obwohl er selbst nach seinem Geschwindigkeitsmesser, der nur manchmal nicht ganz genau war, gut fünfundfünfzig Kilometer in der Stunde fuhr. Die Insassen waren, wie er feststellte, drei Herren und eine Dame; sie saßen alle hochaufgerichtet und sahen sich um, als ob sie sich für etwas interessierten, das hinterherkam. Da sie sehr schnell an ihm vorüberfuhren, konnte er bloß bemerken, daß die Dame von einer auffallenden, strahlenden Schönheit war und daß der ihm zunächst sitzende Herr ein sonderbar elfenhaftes, wenn auch ältliches Gesicht hatte.

      Noch bevor er den Schreck über diese vorbeisausende Erscheinung überwunden hatte, machte ihn ein andrer Wagen mit dem Ton eines prähistorischen Sauriers darauf aufmerksam, daß schon wieder jemand an ihm vorbeiwollte. Auf solche Weise – nämlich nach freundlicher Verständigung – ließ sich Mr. Barnstaple gern überholen. Er verringerte die Geschwindigkeit, ließ jeden Anspruch darauf, König der Straße zu sein, fallen und machte mit der Hand aufmunternde Zeichen. Eine große, glatte, schnelle Limousine machte von seiner Erlaubnis, die breite Straße zu passieren, Gebrauch. Der Wagen führte eine tüchtige Menge Gepäck mit sich; aber, mit Ausnahme eines jungen Mannes mit einem Monokel, der neben dem Fahrer saß, sah Barnstaple keine Insassen. Gleich vor ihm bog die Limousine um die Ecke, hinter dem Tourenwagen her.

      Nun, selbst eine fahrende ›Fußbadewanne‹ hat es nicht gern, an einem hellen Morgen auf offener Straße so großspurig überholt zu werden. Barnstaple drückte das Gaspedal hinunter und nahm die Kurve mit gut zehn Stundenkilometer schneller, als ihm seine Vorsicht sonst zu fahren gestattete. Er fand die Straße vor sich ganz leer.

      Ja, er fand die Straße vor sich viel zu leer. Sie erstreckte sich etwa fünfhundert Meter lang schnurgerade vor seinen Augen. Auf der linken Seite waren eine niedrige, gestützte Hecke, vereinzelte Bäume, flache Felder, dahinter lagen einige kleine Häuschen, weiter entfernt Pappeln, und ganz hinten sah man Windsor Castle. Auf der rechten Seite waren gleichfalls Felder und ein kleines Wirtshaus vor einem Hintergrund niedriger bewaldeter Hügel. Eine auffallende Erscheinung in dieser ruhigen Landschaft war die Reklame eines Strandhotels in Maidenhead. Barnstaple sah vor sich das Flimmern der heißen Luft und zwei oder drei Staubwirbel, die auf der Straße entlang tanzten. Aber keine Spur von dem großen Tourenwagen – und keine Spur von der Limousine. Mr. Barnstaple brauchte gut zwei Sekunden, ehe er sich dieser erstaunlichen Tatsache voll bewußt wurde. Weder zur Rechten noch zur Linken gab es irgendeine Seitenstraße, in welche die Wagen hätten verschwinden können. Und wenn sie schon um die nächste Biegung sein sollten, dann hätten sie mit dreihundert Kilometern in der Stunde fahren müssen.

      Mr. Barnstaple hatte die gute Gewohnheit, die Geschwindigkeit sofort zu verringern, wenn er sich über etwas nicht klar war. Auch jetzt stoppte er ab. So kam er auf eine Geschwindigkeit von ungefähr zwanzig Stundenkilometer und starrte mit offenem Munde in die leere Landschaft, um irgendeinen Anhaltspunkt für das rätselhafte Verschwinden der Wagen zu finden. Erstaunlicherweise hatte er durchaus nicht das Gefühl, daß er selbst irgendwie gefährdet sein könnte.

      Dann schien sein Wagen an irgend etwas anzustoßen und begann zu schleudern. Er schleuderte so heftig herum, daß Barnstaple für einen Augenblick den Kopf verlor. Er konnte sich nicht erinnern, was man zu tun hat, wenn ein Wagen schleudert. Er erinnerte sich dunkel, daß man in die Richtung zu steuern hätte, nach der sich der Wagen dreht, aber in seiner momentanen Aufregung konnte er nicht feststellen, in welche Richtung der Wagen schleuderte.

      Später erinnerte er sich, daß er in diesem Augenblick einen Ton gehört hatte. Es war genau derselbe Ton, der entsteht, wenn eine Spannung ihren Höhepunkt erreicht hat, scharf wie das Springen einer Lautensaite, ein Ton, den man zu Anfang – oder zu Ende – der Bewußtlosigkeit in der Narkose hört.

      Es war ihm, als ob er gegen die Hecke an der rechten Seite geschleudert worden wäre, aber nun fand er die Straße wieder vor sich. Er berührte den Gashebel, stoppte aber dann wieder ab und blieb stehen. Voll tiefster Verwunderung blieb er stehen.

      Diese Straße war vollkommen verschieden von derjenigen, auf der er sich noch vor einer halben Minute befunden hatte. Die Hecken waren verwandelt, die Bäume waren verändert. Windsor Castle war verschwunden, und – eine kleine Entschädigung – die große Limousine war wieder in Sicht. Sie stand am Rand der Straße, ungefähr zweihundert Meter entfernt.

II Die wunderbare Straße

      4

      Eine Zeitlang war Mr. Barnstaples Aufmerksamkeit sehr ungleich geteilt zwischen der Limousine, deren Insassen eben ausstiegen, und der Landschaft, die ihn umgab. Letztere war wirklich so fremdartig und schön, daß die kleine Gruppe vor ihm nur insofern einige Bedeutung in seinem Bewußtsein erlangte, als es sich um Leute handelte, die seine Bewunderung und sein Erstaunen teilen mußten, und die ihm deshalb wahrscheinlich helfen konnten, seine wachsende und ihn ganz überwältigende Verwirrung zu klären und zu beruhigen.

      Die Straße war nicht wie eine gewöhnliche englische Landstraße, ein Mischmasch aus Schotter und Erde, bedeckt mit teerbeschmiertem Kies, Staub und tierischen Exkrementen, sondern war offenbar aus Glas, stellenweise durchsichtig wie stilles Wasser, und stellenweise milchweiß oder opalisierend, durchzogen von sanft gefärbten Streifen, oder glänzend von Wolken glitzernder goldener Flocken. Sie war vielleicht zwölf oder fünfzehn Meter breit. Auf jeder Seite erstreckte sich ein grüner Rasenstreifen mit Gras, wie es Barnstaple feiner noch niemals gesehen hatte – und in der Pflege von Rasenflächen hatte er reiche Erfahrung –, dahinter ein breiter Saum von Blumen. An der Stelle, wo Mr. Barnstaple gaffend in seinem Wagen saß, und von da etwa dreißig Meter nach beiden Richtungen hin, bestand dieser Saum aus einer dichten Masse vergißmeinnichtblauer Blüten unbekannter Art. Weiterhin wurde die Farbe durch eine zunehmende Zahl großer, reinweißer Ähren unterbrochen, die schließlich das Blau vollständig aus dem Beet verdrängten. Auf der gegenüberliegenden Seite des Weges waren die gleichen Ähren vermischt mit Gruppen von ebenso fremdartigen Pflanzen, die Samenkapseln trugen und deren Farben abschnittweise zwischen Blau, Anilinrot, Purpurrot bis zu einem intensiven Karmesinrot wechselten. Jenseits dieses farbenprächtigen, duftigen Blumensaumes breiteten sich flache Wiesen aus, auf denen cremefarbenes Vieh weidete. Durch Barnstaples plötzliches Erscheinen wahrscheinlich aufgeschreckt, betrachteten ihn drei ganz in der Nähe wiederkäuende Tiere mit gutmütig nachdenklichen Augen. Sie hatten lange Hörner und Wammen, ähnlich dem Vieh in Südeuropa und Indien. Von diesen gutartigen Wesen wandten sich Barnstaples Augen einer langen Reihe flammenförmiger Bäume zu, einer Säulenhalle aus Weiß und Gold und einem Hintergrund von schneebedeckten Bergen. Einige große weiße Wolken segelten über einen Himmel von reinstem Blau. Die Luft empfand Mr. Barnstaple erstaunlich klar und lind.

      Mit Ausnahme der Kühe und der kleinen Gruppe von Menschen, die bei der Limousine standen, konnte Mr. Barnstaple kein Lebewesen entdecken. Die Automobilisten standen still da und blickten erstaunt um sich. Der Schall verdrossener Stimmen drang zu ihm.

      Ein scharfes Knistern hinter seinem Rücken veranlaßte Barnstaple, sich umzudrehen. An der Straße, in der Richtung, aus der er offenbar gekommen war, lagen die Trümmer eines scheinbar erst ganz kürzlich zerstörten Steinhauses. Daneben waren zwei große Apfelbäume wie durch eine Explosion frisch geknickt und gespalten; aus der Mitte der Trümmer stieg eine Rauchsäule empor und ertönte ein Knistern wie von feuerfangenden Gegenständen. Die geknickten Stämme der zerschmetterten Apfelbäume brachten Mr.