Und nun wünsche ich Ihnen viel Spaß beim Lesen…
Aller Anfang…
Ich bin ehrlich, am Anfang bin vor allem ich fast verzweifelt! Ja, ich geb’s zu, irgendwie kam mir Schafhaltung immer soooo einfach vor, zumindest hörte es sich in der Erzählung von anderen immer so einfach an. Wie verzwickt die Sache in der Realität ist, stellte sich bereits wenige Tage nach Einzug „unserer“ ersten Schafe heraus. Diese gehörten zur Rasse der Ostfriesischen Milchschafe. Ähnlich wie Milchkühe sind diese Schafe auf Milchleistung gezüchtet und haben daher auch eine entsprechende Eutergröße. Ein Milchschaf gibt im Durchschnitt 400 Liter Milch im Jahr, manche Tiere dabei bis zu 600 Litern, das ist eine beachtliche Menge. Viele andere Rassen geben im Schnitt „nur“ 100 Liter/Jahr. Dies macht diese Rassen nicht schlechter, sie wurden schlicht für andere Gegebenheiten oder auch andere Zwecke gezüchtet. Die Milchschafe sind beispielsweise aufgrund ihrer Selektion auf Milchleistung naturgemäß, was das Futter betrifft, wesentlich anspruchsvoller. Auf unseren jetzigen Flächen, welche aus Magerwiesen und lange unbewirtschafteten Brachflächen bestehen, könnten wir diese Rasse nur mit durchgängigem und kostenintensivem Zufüttern halten. Daher haben wir selbst uns schließlich für die Weiße Gehörnte Heidschnucke entschieden, weil sie zu den genügsamen Rassen zählt und auch wunderbar zu unseren Flächenbedingungen passt.
Aber kommen wir zurück zu den Milchschafen. Da die Tiere ja bei den meisten Haltern regelmäßig gemolken werden, wurde bei der Zucht auch darauf geachtet, dass die Schafe nicht zu scheu dem Menschen gegenüber sind, sondern sich stark an diesem orientieren. Dies zeigt sich auch an ihrer Herdenstruktur. Im Gegensatz zu den meisten anderen Rassen bilden Milchschafe eher einen kleinen Familienverband aus Mutter und Lämmern als sich als große Herde zusammen zu tun, solange nicht Gefahr droht. Ihre Zutraulichkeit hat wahrlich Vorteile im Handling der eher großrahmigen Schafe. Normalerweise müsste man z.B. zum Klauenschneiden die Schafe umsetzen – bedeutet auf den Po setzen. Auch wenn es völlig harmlos ist, finden Schafe das nicht unbedingt prickelnd, weswegen sie sich da gerne besonders stur anstellen und je größer das Schaf, desto kniffliger ist die Aufgabe für den Schäfer. Milchschafe, die ihrem Menschen vertrauen, lassen sich aber die Klauen schon einmal wie ein Pferd im Stehen machen. Wesentlich angenehmer für beide Seiten.
Ach ja, falls sie sich nun wundern, was es mit dem Klauen schneiden auf sich hat, es handelt sich hierbei um die Pediküre beim Schaf. Wie Pferde oder auch Rinder brauchen Schafe regelmäßige Fußpflege, da das Horn ihrer Klauen durchgängig wächst. Kennen wir selbst ja auch von unseren Fingernägeln.
Ja, diese Zutraulichkeit hat durchaus ihre positiven Seiten… Aber… Eins unserer (liebevoll „Milchis“ genannten) Schafe war so vernarrt in Menschen, dass sie uns auf Schritt und Tritt über die Weide folgte. Wir hatten zu dem Zeitpunkt ziemlich alte und zusammen geflickte Elektronetze im Einsatz, welche eigentlich nicht mehr wirklich Strom leiteten. Aus diesem Grund dienten die Netze nur als Haupteingrenzung, die durch einen innen entlang laufenden, stromführenden Aluminium-Draht in ca. 30cm Höhe unterstützt wurde. Diese Einzäunung musste natürlich täglich kontrolliert werden, also lief ich jeden Nachmittag eine Runde den Zaun ab... Mit einem Milchi im Schlepptau. Nein, sie lief mir nicht einfach nach, sie dockte mit ihrer Stirn regelrecht an meinem Hinterteil an als wäre sie festgeklebt. Nun, grundsätzlich habe ich nix gegen so freundliche Schafe, lästig wird es nur, wenn man etwas am Aludraht entdeckt und sich – im Reflex und ohne groß nachzudenken - direkt aus dem Laufen heraus bückt, um das Ganze zu beheben… Ja, Sie erahnen es sicher… Auch ein Schaf hat eine gewisse Reaktionszeit und die ist zu lang… Zumindest, wenn das Tierchen direkt hinter einem läuft… Kurz gesagt, Schaf konnte nicht mehr bremsen und schubste mich von den Füßen…in den Draht…mit Strom…und Alu leitet Strom gut. Mit einem schrillen Quietschen war ich schneller wieder auf den Beinen als ich lag. Das Schaf machte durch meine heftige Reaktion einen entsetzten Satz zur Seite und beäugte mich zunächst misstrauisch. Schnell stellte sie aber fest, dass von mir wie gewohnt keine Gefahr ausging, begab sich hinter mich und dockte wieder an, um mit mir die Kontrolle fortzuführen… Eins war an dem Tag klar, die Spannung auf dem Draht brauchte ich nicht mehr zu überprüfen…
Mit den Umzäunungen stand ich am Anfang sowieso ziiiiiiieeemlich auf Kriegsfuß. Manchmal war ich schon davon überzeugt, Aludraht und E-Netz haben ein Eigenleben und einen Pakt gegen mich geschlossen…
Ich weiß nicht, wie oft ich beim Netze stecken auf der Nase lag. Die Maschen scheinen irgendwie eine magnetische Anziehungskraft auf Schuhlaschen zu haben… Bedeutet, während man dabei ist das Netz aufzubauen, verhakt sich der Schuh in ebendiesem und bis man es merkt, kämpft man bereits mit massiven Gleichgewichtsschwierigkeiten. Ein Kampf, den man häufig aufgrund der Geländebeschaffenheit verliert.
Wenn es einem nicht ein Bein stellt, findet es das Elektronetz auch ganz witzig, einem dadurch in die Verzweiflung zu treiben, dass es sich einem gordischen Knoten gleich verheddert. Zur Lagerung und zum Transport werden Netze zusammen gerollt, wobei es unterschiedliche Techniken gibt. Man kann entweder erst das Netz aufrollen und dann mit den senkrechten Streben einfach zusammenbinden, wie wir es inzwischen praktizieren. Oder man wickelt die Streben im Netz ein. Letzteres war die bevorzugte Methode unseres Landwirts und grundsätzlich auch nicht „verkehrt“, aber wehe man findet nicht den passenden Anfang… Ob man den richtigen hat, merkt man nämlich oft erst, wenn die Streben ausgewickelt sind. Hat man den falschen erwischt, muss man die Netzschlaufen nach und nach auf die andere Seite der Streben „umklappen“, bis man einen Anfang hat. Meist verwickelt sich dabei aber natürlich irgendein Teil des Netzes in den Spitzen der Streben. Oder man lässt es dabei fallen… Oder… Kurzgesagt, man hat ein riesiges Gewurschtel aus Streben und Netz, dass man erst einmal auseinanderpfriemeln muss. Natürlich passiert das meist dann, wenn man es eh gerade eilig hat, denn Murphy’s Gesetz wurde geradezu für Schafhalter formuliert!
Nicht nur, was verhedderte Netze angeht, auch Batterien eignen sich hervorragend als Beweis für die Gesetzmäßigkeit des Mr Murphy. Die sind nämlich meist dann leer, wenn man es nicht brauchen kann. Zum Beispiel früh morgens, wenn man nur kurz vor der Arbeit nach dem Rechten sehen möchte und eh schon spät dran ist. Wenn es nicht die ungünstige Tageszeit ist, dann sind natürlich alle Batterien im Einsatz gleichzeitig leer und es gibt nur eine Ersatzbatterie. Bei unseren jetzigen wolligen Gesellen ist es glücklicherweise in der Regel kein Drama, wenn im Notfall ein paar Stunden kein Strom auf dem Netz ist. Bei den Milchis allerdings war eine leere Batterie fatal: Teilweise gaben die einem nicht einmal die Chance, diese zu wechseln. Es heißt im Volksmund „dummes Schaf“, das ist aber ein gewaltiger Trugschluss! Spätestens wenn sie bemerkten, dass ich diesen komischen kleinen „Kasten“ wegschleppte, war das das Signal, das Netz zu testen. Konnte ich das nicht verhindern, hatte ich ein großes Problem: Milchschafe, die ihre Köpfe durch die Maschen steckten und frohen Mutes sich auf frisches Grün zubewegten. Dabei rissen sie das Netz natürlich mit, wodurch der Rest bequem drüber steigen konnte. Abgesehen davon, dass bei mir heute solche Schafe nach “Klein-Sibirien“ (aka Gefriertruhe) umgesiedelt würden, würde ich solche Saboteure einfach mit dem Hund in Schach halten. Damals waren aber beide Hunde noch nicht so weit. Da half nur ein verzweifelter Hilferuf an den Bauern, der dann mit seinem Hund und Ersatzbatterie zur Hilfe eilte.
Dort, wo Netze oder Murphy nicht die Finger im Spiel hatten, war ich mal wieder selbst zu schusselig. In der Regel kann man ein unter Strom stehendes Netz dadurch überwinden, dass man es mit Gummisohlen runter tritt und drüber steigt. (Außer man hat Beine wie Nadja Auermann, dann steigt man einfach so drüber.) An diesem Tag regnete es heftig und weil ich vorher durch das hohe Gras gelaufen bin, waren meine Hosen nass bis über’s Knie. Da ich unter der Hose aber Gummistiefel trug, fiel mir die Feuchtigkeit nicht wirklich auf. Ich trat also auf das Netz, das zwar selbst keinen Strom führte, aber natürlich irgendwann auf den dicht daran gebauten Aludraht stieß. Cool, wie ich war, trug ich natürlich Jeans, deren Bund auf dem Boden schleiften,