Die Ritter nahmen den Scherz gut auf. Sie stimmten ein lautes, fröhliches Gelächter an, und einer von ihnen rief: »Also Sankt Peter ist wirklich so zornig über uns, he, Narr?«
»Du sei jetzt ruhig und laß den Narren berichten, ob unser Heiland nichts zu unserer Verteidigung sagte!« fiel ein anderer ein.
»Nein, unser Heiland schwieg erst still,« sagte der Narr. »Er wußte ja von altersher, daß es gar nicht der Mühe lohnte, Sankt Peter zu widersprechen, sobald der einmal sich erboste. Er blieb auch gut im Zuge und sagte, unser Heiland sollte es sich nicht einfallen lassen, ihm etwa zu sagen, daß sie sich schließlich doch besonnen hätten, in welche Stadt sie gekommen wären, und daß sie barfuß und im Büßergewande in die Kirche gegangen seien. Ihre Andacht sei ja so kurz gewesen, daß es sich gar nicht verlohne, überhaupt davon zu reden. Und dabei beugte er sich noch einmal über die Turmzinne hinaus und wies auf Jerusalem hinunter. Er deutete auf das Kriegslager der Christen davor. ›Siehst Du, wie Deine Ritter ihren Sieg feiern?‹ fragte er. Und unser Heiland sah, daß im ganzen Lager Zechereien abgehalten wurden. Ritter und Knechte sahen den syrischen Tänzerinnen zu. Die vollen Becher kreisten, es wurde um die Kriegsbeute gewürfelt, und – –«
»Man hörte Narren zu, die alberne Märchen erzählten,« fiel Raniero ein. »War das nicht auch eine große Sünde?«
Der Narr lachte und nickte Raniero zu, als wollte er sagen: ›Warte, Dir werde ich es noch heimzahlen.‹«
»Nein, unterbrecht mich nicht,« bat er nochmals. »Ein armer Narr vergißt so leicht, was er sagen wollte. Ja, also der heilige Petrus fragte unseren Heiland mit strengster Stimme, ob er finde, daß jene Leute ihm große Ehre machten. Natürlich mußte unser Heiland darauf entgegnen, daß er dies durchaus nicht fände. Und Sankt Peter sprach: ›Sie waren Räuber und Mörder, ehe sie ihre Heimat verließen, und noch heute sind sie Mörder und Räuber. Dieses ganze Kriegsabenteuer hättest Du ebenso gut hintertreiben können. Gutes kann dabei nicht herauskommen.‹«
»Ei, ei, Narr!« rief Raniero mit warnender Stimme. Aber der Narr schien eine Ehre darein zu setzen, zu erforschen, wie weit er wohl gehen könnte, ohne daß sich jemand auf ihn stürzte, um ihn hinauszuwerfen. Also fuhr er unverzagt fort:
»Unser Herr neigte nur das Haupt, wie jemand, der einsieht, daß er gerecht bestraft wird. Aber fast in demselben Augenblick beugte er sich eifrig vor und blickte aufmerksamer als zuvor auf die Erde hinab. Da guckte auch Sankt Peter hinunter und fragte: ›Wonach schaust Du denn nur?‹«
Der Narr beschrieb dies mit einem sehr lebendigen Mienenspiel. Alle Ritter sahen unseren Heiland und Sankt Peter vor Augen, und sie wollten gar zu gern erfahren, was unser Heiland wohl erblickt haben mochte.
»Unser Heiland erwiderte, es sei eigentlich nichts,« erzählte der Narr, »aber er blickte jedenfalls aufmerksam hinunter. Sankt Peter folgte der Richtung seines Blickes, konnte aber nichts anderes entdecken als ein großes Zelt, vor dem ein paar Sarazenenköpfe an langen Lanzen aufgespießt waren, und wo eine Menge prächtiger Teppiche, goldener Tischgeräte und kostbarer Waffen aufgestapelt lagen, die in der heiligen Stadt erbeutet waren. In jenem Zelt ging es ebenso zu wie in allen anderen Lagerzelten. Dort saßen viele Ritter, die ihre Becher leerten. Der einzige Unterschied mochte darin bestehen, daß dort noch mehr gelärmt und getrunken wurde als in allen anderen Zelten. Sankt Peter vermochte es nicht zu begreifen, weshalb unser Heiland so befriedigt darauf hinblickte, daß seine Augen geradezu vor Freude strahlten. Petrus meinte, noch niemals zuvor so viele harte und schreckliche Gesichter bei einem Zechgelage beisammen gesehen zu haben. Und der Wirt dieser Gasterei, der obenan saß, war der schrecklichste unter allen. Es war ein Mann von etwa fünfunddreißig Jahren, unheimlich groß und ungeschlacht, mit einem glutroten Gesicht, das von Narben und Rissen wie zerfetzt war, er hatte harte Fäuste und eine kräftige, polternde Stimme.«
Hier stockte der Narr einen Augenblick, als fürchte er, noch weiter zu gehen. Raniero und den anderen Rittern machte es jedoch ein großes Vergnügen, so von sich selber reden zu hören, und sie lachten nur über seine Keckheit.
»Du bist ein freches Bürschlein,« rief Raniero ihm zu, »nun laß uns aber hören, worauf das hinauskommen soll!«
Und der Narr sprach weiter: »Endlich redete unser Heiland ein paar Worte, die Sankt Peter aufklärten, worüber er sich so sehr gefreut hatte. Er fragte Sankt Peter, ob er sich irre oder ob es sich wirklich so verhielte, daß einer der Ritter ein brennendes Licht neben sich stehen habe.« Bei diesen Worten zuckte Raniero zusammen. Zornig griff er nach einer schweren Weinkanne, um sie dem Narren ins Gesicht zu schleudern, aber er bezwang sich, um erst zu hören, ob der freche Gauch zur Ehre oder Unehre seines Namens reden würde.
»Sankt Peter gewahrte nun,« erzählte der Narr weiter, »daß jenes Zelt zwar ganz von Fackeln erleuchtet war, daß aber neben einem der Ritter wirklich eine brennende Wachskerze stand. Es war eine hohe, dicke Kerze, die bestimmt war, vierundzwanzig Stunden hintereinander zu brennen. Da der Ritter keinen Leuchter besaß, hatte er, um sie feststehend zu erhalten, eine Menge Steine um sie her aufgehäuft.«
Bei diesen Worten brach die Tischgesellschaft in ein lautes Gelächter aus. Alle wiesen auf eine Kerze hin, die neben Raniero auf dem Tisch stand, und die ganz genau der Beschreibung des Narren entsprach. Doch Raniero stieg das Blut zu Kopfe, denn es handelte sich um die Kerze, die er vor einigen Stunden am heiligen Grabe hatte anzünden dürfen. Er konnte sich nicht entschließen, sie erlöschen zu lassen.
»Als Sankt Peter diese Kerze sah, wußte er allerdings, worüber sich unser Heiland so innig freute, aber er konnte es dennoch nicht lassen, mitleidig über ihn zu lächeln. ›Ach so,‹ sagte er, ›das war jener Ritter, der morgens hinter dem Grafen von Bouillon als erster die Mauer erstieg, und der am Abend vor allen anderen sein Licht am heiligen Grabe anzünden durfte.‹ – ›Ja, so ist es,‹ antwortete unser Heiland, ›und wie Du siehst, hat er sein Licht noch brennen.‹«
Der Narr sprach jetzt sehr schnell, während er von Zeit zu Zeit Raniero lauernd anblickte. »Sankt Peter konnte es noch immer nicht lassen, unseren Heiland ein wenig spöttisch anzulächeln. ›Kannst Du denn nicht begreifen, weshalb er jenes Licht weiterbrennen läßt?‹ fragte er. ›Du glaubst gewiß, daß er an Deine Qualen und an Deinen Tod denkt, wenn er es betrachtet. Aber der denkt an gar nichts anderes als an die Ehre, die ihm erwiesen wurde, da man ihn nächst Gottfried von Bouillon als den tapfersten Helden des Heeres anerkannte.‹« Bei diesen Worten lachten alle Gäste Ranieros. Und er bezwang seinen heftig auflodernden Zorn und lachte auch, wußte er doch genau, daß alle es höchst lächerlich finden würden, wenn er nicht auf den Scherz einginge.
»Aber unser Heiland widersprach seinem lieben Sankt Peter und fragte ihn: ›Merkst Du denn nicht, wie besorgt er um die Wachskerze ist? Er schützt die Flamme mit der Hand, sobald jemand den Zeltvorhang lüftet, weil er fürchtet, ein Luftzug könnte sie verlöschen. Und er hat unablässig mit dem Abwehren der Nachtfalter zu tun, die um das Licht schwirren und die Flamme zu ersticken drohen.‹«
Das Gelächter wurde noch ausgelassener, denn der Narr hatte die reine Wahrheit gesagt. Raniero hatte immer größere Mühe, sich zu beherrschen. Er glaubte, es nicht zu ertragen, daß jemand mit der heiligen Lichtflamme seinen Spott trieb.
»Gleichwohl war Sankt Peter mißtrauisch,« fuhr der Narr fort. »Er fragte unseren Heiland, ob er jenen Ritter kenne, und sprach: ›Er ist nicht gerade einer, der häufig zur Messe geht oder den Betschemel sehr abnutzt.‹ Aber unser Heiland ließ sich nicht irre machen und sprach in feierlichem Tone: ›Sankt Peter, Sankt Peter! Denke daran, was ich Dir sage. Jener Ritter wird von nun an frommer werden als Gottfried! Woher sollten Milde und Frömmigkeit auch ausgehen, wenn nicht von meinem Grabe? Du wirst Raniero di Ranieri noch Witwen und bedrängten Gefangenen helfen sehen. Du wirst ihn noch sehen, wie er Kranke und Betrübte pflegen und behüten wird, so wie er eben jetzt die heilige Lichtflamme behütet.‹«
Ein maßloses Gelächter unterbrach den Narren. Alle, die Ranieros Art und Leben kannten, fanden das