Tilman Janus
Klasse Kerle
Schwule Erotik-Kurzgeschichten
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Inhaltsverzeichnis
Grenzenlose Liebe
Es regnete in Strömen. Das Wasser lief über die Windschutzscheibe meines Autos, als ob ich unter den Niagarafällen durchfahren würde. Die Scheibenwischer mühten sich ab, aber sie schafften es einfach nicht. Ich konnte höchstens vierzig km/h fahren, obwohl die Straße eigentlich leer war. Ich sah kaum, wo ich war.
Das Autoradio empfing nur polnische oder russische Sender. Mein Chef hatte mich zu einem Sprachkurs geschickt, bevor er mir die schwierige Mission anvertraut hatte, in der „Oblast Kaliningrad“, also in der russischen Exklave Königsberg, eine Zweigstelle unserer Softwarefirma zu gründen. Aber besonders gut sprach ich nicht Russisch.
Mein Wagen hüpfte über Bodenwellen. Es ging auf den Nachmittag zu, und jetzt, im Spätherbst, würde es bald dunkel werden. Mir stand noch der Grenzübergang bevor. Ich hoffte, dass bei diesem Wetter nicht allzu viele Autos dort warten würden. Ich wollte am späten Abend in meinem Hotel in Königsberg sein.
Das rechte Vorderrad knallte in ein Schlagloch hinein. Ich drosselte die Geschwindigkeit noch weiter. Die sehr schmale Straße führte durch abgeerntete Felder, versteppte Wiesen und dichten Wald. Ich fuhr das erste Mal nach Königsberg, aber ich hatte mir Fotos und Videos von der Gegend angesehen. Deshalb kam mir die Umgebung, durch die ich fuhr, merkwürdig fremd vor. Die Landschaft – soweit ich sie überhaupt sehen konnte – wurde immer wilder und einsamer. Schon lange hatte ich kein Haus mehr gesichtet.
Auf einmal, mitten in einem Wald, versperrte mir ein rotweißer Schlagbaum den Weg. Ich trat auf die Bremse. Durch den Regenschleier konnte ich ein verrostetes Schild entziffern: „Rossijskaja Federazija – Oblast Kaliningrad“.
Verblüfft starrte ich auf die schäbige Absperrung. Das konnte wohl kaum der offizielle Grenzübergang sein! Kein anderes Auto war zu sehen, kein Abfertigungsgebäude, kein Mensch. Ich musste den Tatsachen ins Auge sehen – ich hatte mich verfahren! Nun musste ich den ganzen Weg zurück bis zu dem Abzweig, an dem ich falsch abgebogen war.
Fluchend stieß ich die Autotür auf. Der Regen hatte nachgelassen, aber noch immer flossen Wasserbäche über die Straße. Es nieselte nur noch. Ich atmete tief die feuchte, reine Waldluft ein.
Ich zog den Autoschlüssel ab und ging ein Stück durch das nasse Unterholz. Wenigstens wollte ich mal pinkeln, wenn ich die Fahrt sowieso unterbrechen musste. Ich wühlte meinen treuen Lustkameraden aus dem Hosenstall und ließ ihm seinen Willen. Die Erleichterung tat gut nach der langen Fahrt. Er wollte sich gar nicht wieder in die Hose zurückstopfen lassen, weil ich ihn den ganzen Tag lang vernachlässigt hatte. Ich dachte wehmütig an Harry, den Mann, mit dem ich zwei Jahre lang zusammengelebt hatte. Vor drei Wochen, genau zu meinem vierzigsten Geburtstag, hatte er mich wegen eines Jüngeren verlassen. Ich hätte jetzt Lust auf ihn gehabt, auf sein schönes, fettes Teil und seine kräftige Zunge. Harry war nicht meine große Liebe gewesen, aber trotzdem – er fehlte mir! Ich spielte ein bisschen an mir herum. Doch zum Wichsen war es mir wirklich zu ungemütlich im nasskalten Wald. Stattdessen rauchte ich eine Zigarette. Brandgefahr bestand wirklich nicht bei dieser Nässe.
Ich wollte zum Wagen zurücklaufen, da sah ich zwischen den Bäumen hinter der Schranke ein kleines Häuschen. Es war in der Dämmerung kaum zu erkennen, weil es aus nicht entrindeten Stämmen gezimmert und mit Moos bewachsen war. Neugierig näherte ich mich.
Neben der Tür gab es ein kleines, verstaubtes Fenster mit vielen Spinnweben. Hier hatte wohl schon lange niemand mehr gewohnt. Ich guckte hinein, konnte aber im dunklen Inneren nichts erkennen. Ich klinkte an der Tür. Tatsächlich war sie nicht verschlossen. Zögerlich setzte ich einen Fuß hinein.
»Hallo?«, rief ich. Wie erwartet, antwortete niemand. Ich nahm mein Feuerzeug aus der Tasche und ließ die Flamme aufleuchten. Fast hätte ich es vor Schreck fallengelassen.
Die Hütte sah absolut bewohnt aus! Ein Propangaskocher stand vor einer Wand, daneben ein paar Dosen mit Fertiggerichten, außerdem Bier- und Saftbüchsen. Weiter hinten gab es zwei Stühle und ein Feldbett, das mit sorgfältig glatt gezogenem Bettzeug bedeckt war. An ein paar Nägeln, die einfach in die unverkleideten Stämme geschlagen worden waren, hingen Jacken, Hosen und Pullover, und darunter standen Männerschuhe.
Gleich neben dem Eingang