Psychischer Stress zeigt sich in körperlichen Reaktionen. Stottern, Erröten, Magenbeschwerden, Zittern, Schwitzen u. a. und sind manchmal Zeichen unbewältigter Angst.
Warum reagieren wir Menschen aufeinander mit Abwehr? Wir haben Angst, nicht genügend Wärme und Zuwendung zu erhalten, ohne die wir nicht überleben können. Gruppendynamik und Familiendynamik können immer auch erklärt werden als ein »Kampf um Liebe und Anerkennung«16.
Wenn die Offenheit als Strategie nicht wirkt, finden wir Zuflucht in Abwehr. Kampf oder Flucht scheinen häufig die einzigen Alternativen. Und so haben wir alle Strategien entwickelt, um zu überleben. Häufig basieren sie auf Kurzschlüssen und kindlichen Ängsten, die in der Kindheit sicher angebracht waren und denen wir jetzt als Erwachsene noch nachhängen. Damals haben sie unser Leben erhalten, jetzt erschweren sie es.
Transaktionen
Einen Erklärungsansatz für menschliche Überlebensstrategien bietet die Transaktionsanalyse (TA). Ein Teilnehmer17 eines meiner TA-Seminare fasst in einem Bericht TA-Theorie und eigene Erfahrungen anschaulich zusammen. Hier einige Ausschnitte:
...Die TA geht davon aus, dass jeder Mensch sehr unterschiedliche Persönlichkeitsanteile besitzt - Ich-Zustände genannt -, die sich in bestimmtem Verhalten, Denken und Tun ausdrücken: Wir alle haben ein Eltern-Ich (EI), ein Erwachsenen-Ich (Er) und ein Kindheits-Ich (K), wobei im EI zusätzlich zwischen fürsorglichem, nährendem (nEI) und kritischem (kEI) und im K unterschieden wird. In diesen Ich-Zuständen können wir sehr schnell hin- und herwechseln, z. B. im Fußballstadion, wo wir in einem Moment himmelhoch jauchzen und im nächsten zu Tode betrübt sind (K), Spieler oder Trainer beschimpfen bzw. gute Ratschläge zur Hand haben (EI) oder auf den Fahrplan sehen, mit welchem Bus wir nach Hause fahren (Er).
Jeder Ich-Zustand hat charakteristische Eigenschaften und einen entsprechenden Wortschatz, wodurch wir sie mit einiger Übung schnell erkennen können. Die folgende Abbildung gibt eine Übersicht. Die Kommunikation, die wir aus unseren drei Ich-Zuständen heraus führen, kann auf diese Weise sehr wirksam aufgegliedert und untersucht werden. Nun teilen wir uns erstmals in zwei Gruppen, um das Gehörte und Gesehene gleich mit Rollenspielen in die Praxis umzusetzen. »Herr Maier kommt zu spät« heißt die erste Übung, und wir können »live« erleben, wie wir aus verschiedenen Ich-Zuständen (re)agieren und - mindestens genauso interessant - wie wir unser Gegenüber gezielt in einem bestimmten Ich-Zustand ansprechen können.
Diese Erfahrungen vertiefen wir nach dem Abendessen vor der Videokamera. Fünf Stühle, die geschilderten Ich-Zustände repräsentierend, standen bereit, und wer wollte, konnte von jedem Stuhl zu sich selbst in die Kamera sprechen. An den Reaktionen einiger Teilnehmer konnte ich ablesen, dass es ihnen vermutlich ähnlich erging wie mir. Ich hatte zunächst Hemmungen, mich zu repräsentieren und zeigte erst mal vornehme Zurückhaltung. Doch ich wollte es auch wissen. Und die Auswertung danach brachte tatsächlich Erstaunliches für mich.
Dass mir kEI und aK gut vertraut sind, wusste ich bereits, aber dass mein Er, auf das ich so stolz bin, manchmal von meinem EI überlagert (getrübt) wird - natürlich ohne dass ich es selbst bemerke -, das gab mir doch zu denken, ganz zu schweigen von meinem verkümmerten fK.
Dienstag:
Durch die gestrigen Erkenntnisse waren wir in der Lage, unser individuelles Egogramm zu zeichnen. Dies brachte uns gleich Aufschluss über das nächste Thema: Symbiosen. Viele von uns (ich nicht ausgeschlossen) neigen dazu, sich mit Hilfe ihrer inneren Antenne Partner zu suchen, deren stark und schwach ausgeprägte Ich-Zustände sich komplementär ergänzen. Ein stark technisch orientierter Ehemann mit unterdrücktem K »leiht« sich etwa das K oder/und das nEI seiner Frau (und natürlich umgekehrt die Frau sein stark ausgeprägtes Er), um eine »ganze Person« zu sein.
Ich bemerke recht schnell, wie ich bei einigen Teilnehmern des Seminars dazu tendiere, Symbiosen aufzubauen. Ist auch recht praktisch und angenehm, die Probleme anderer zu lösen und dafür Anerkennung zu bekommen (und sich dabei als der »Klügere« zu fühlen) oder sich hilflos zu stellen, um einen »Retter« zu aktivieren. Dass dies jedoch nur durch Passivität (ja nichts verändern, immer schön beim Vertrauten bleiben) und Abwertung (meiner Person und Fähigkeiten oder der anderen), d. h. letztlich auf Kosten aller Beteiligten, auf Kosten der eigenen Weiterentwicklung und Autonomie geht, das ist die Seite, die wir dabei allzu gerne beiseite schieben wollen. In der TA-Sprache ausgedrückt: mindestens einer der Beteiligten ist »nicht o.k.«. Ein Gewinner dagegen ist der, welcher alle Ich-Zustände besetzen und aktivieren kann, der sich und andere als o.k. betrachtet. Damit ist auch schon eine wichtige Voraussetzung genannt, Symbiosen zu vermeiden.
Wie und wie oft wir uns selbst und andere abwerten, das erkannten wir bei einer gespielten Diskussionsrunde am Nachmittag, wobei eine Gruppe als Beobachter fungierte, die andere als Diskussionsteilnehmer und umgekehrt. Das Ergebnis war, mit meinen Worten, fatal. Es wurde unterbrochen, gestört, Probleme wurden heruntergespielt, Gefühle abgewertet, Vermutungen unterstellt, es wurde über jemanden geredet, obwohl dieser daneben saß oder auch minutenlang zaghaft die Hand gehoben, um sich zu Wort zu melden. Kurz: Verhaltensweisen, die wir alltäglich praktizieren, die jedoch erst bei gezielter Beobachtung schockierend waren, was nicht ohne Wirkung für mich blieb: Ich beschloss, zukünftig bewusster auf mein Verhalten zu achten.«
Als Kinder sind wir auf die Symbiose mit den Eltern angewiesen, aber es ist gleichzeitig die Aufgabe der Eltern, das Kind Schritt für Schritt aus dieser Symbiose zu entlassen, damit es schließlich mit dem Erwachsenwerden die volle Verantwortung für das eigene Tun und Handeln übernehmen kann. Ähnlich ist es die Aufgabe eines Teamleiters oder Trainers, die Verantwortung an die Betroffenen zu delegieren.
Tatsächlich aber sind die meisten Menschen von dem Ziel der Autonomie mehr oder weniger weit entfernt. Viele von uns verstricken sich in zahlreiche symbiotische Beziehungen und gegenseitige Abhängigkeiten, wodurch eine volle Entfaltung all unserer Fähigkeiten verhindert wird.
Spiele zum Überleben
Symbiose bedeutet für das ungeborene Kind, das Baby und das Kleinkind vorerst Passivität, Schutz, Wärme und Möglichkeit zum Wachsen. Instinktmäßig stehen dem neugeborenen Kind eine Reihe von Verhaltensmöglichkeiten zur Verfügung, die zunächst ganz unmittelbar dem eigenen Überleben, der eigenen Sicherheit dienen. Verhalten und Gefühle werden durch Ver- und Gebote der Eltern geprägt. Verhaltens- und Gefühlsmuster verfestigen sich und werden als Thema mit Variationen immer wieder reproduziert.
Das Kind wächst in das Jugend- und Erwachsenenalter hinein. Hat es nicht genügend Möglichkeiten, auch emotional zu lernen, d.h. immer wieder zu überprüfen, ob all die als Kind aktivierten Gefühle und die daraus entwickelten Entscheidungen und Strategien noch angebracht sind, agiert es auch als körperlich längst Erwachsener emotional noch als Kind. Aus ursprünglich lebensnotwendigem Verhalten entstehen so genannte psychologische Spiele, die auf dem im Kleinkindalter erlernten Rollenverhalten beruhen.
In der transaktionsanalytischen Spielanalyse werden drei Rollenstrategien differenziert, die dazu dienen, die Symbiose zu erhalten. So weigern sich so genannte »Opfer« durch Selbstabwertung, ihre Aufgaben zu erfüllen, um die Bequemlichkeit der Symbiose zu genießen. »Retter« agieren nach dem Motto: »Wenn ich tue, was du erwartest, tust du, was ich will.«18 Der »Verfolger« manipuliert durch: »Wenn ich dich genügend bedrohe, tust du, was ich will.«
Psychologische Spiele sind an dem überraschenden Wechsel von einer Rolle in die andere zu erkennen. Sie werden gespielt,