Ich hatte einiges über diesen Tag zum Nachdenken und ich lernte viele Dinge. Eines war, dass ich nicht zu viel Selbstvertrauen in meine eigenen Fähigkeiten haben sollte. Einer der Männer in der Schwadron erzählte mir, dass ich besser keine solchen Risiken eingehen sollte, dass es ein langer Krieg werden würde und ich viele Gelegenheiten zum Sterben habe, ohne dass ich mich danach sehnen müsste. Später sollte sich mir die Wahrheit dieser Aussage erschließen.
In dieser Nacht sollte sich meine Staffel – jede Schwadron ist in drei Staffeln mit je sechs Männern aufgeteilt – fertig machen, um noch mal rauszufliegen. Als ich damit begann, meine Uniformjacke anzuziehen, bemerkte ich, dass ich nicht wie üblich für den Dienst markiert war.
Ich fragte den kommandierenden Offizier, einen Major, was der Grund dafür sei, und er antwortete, dass ich für einen Tag genügend gemacht habe. Allerdings wusste ich, dass, wenn ich nicht fliegen würde, jemand anderes von einer anderen Staffel meinen Platz einnehmen musste, und ich bestand darauf, wie üblich mit meiner Patrouille mitzufliegen, und der Major stimmte widerwillig zu. Wenn er gewusst hätte, was das Schicksal für mich bereithielt, hätte er sich nicht so schnell anders entschieden.
Wie es war, hatten wir sowieso nur fünf Maschinen für diese Patrouille, denn als wir die Linien überquerten, fiel einer wegen Motorproblemen aus. Unsere Patrouille war um 20 Uhr, und bis auf zehn Minuten dieser Stunde war sie völlig ereignislos geblieben.
Um 19:50 Uhr, während wir auf einer Höhe von sechzehntausend Fuß flogen, sahen wir jedoch drei andere englische Maschinen, die sich etwa dreitausend Fuß unter uns befanden und einen Kampf mit neun Hunnen-Maschinen begannen.
Ich wusste in dem Moment, dass sie uns in die Pfanne hauen würden, denn ich konnte in Richtung Ozean eine Schar Hunnen-Maschinen sehen, die den rauflustigen Kameraden unter uns entgangen waren.
Also tauchten wir zu diesen neun Hunnen herunter.
Anfangs war der Kampf recht ausgeglichen: Es waren acht von uns und neun von ihnen. Aber bald kamen die Maschinen zu uns, die ich in der Entfernung gesehen hatte und die noch höher flogen als wir, und als sie im Gegenzug zu uns heruntertauchten, waren es nun zwanzig von ihnen gegenüber unseren acht!
Vier von ihnen pickten mich heraus. Ich tauchte und sie tauchten direkt nach mir, hinter mir her, und schossen, als sie mir hinterherkamen. Ihre Leuchtspurpatronen kamen jeden Moment näher. Diese Leuchtspurpatronen sind Bälle aus Feuer, die es dem Schützen ermöglichen, dem Kurs zu folgen, den die Patrone nimmt, und sein Zielen darauf anzupassen. Sie verursachen bei einem Piloten nicht mehr Schaden, wenn sie treffen, als eine normale Patrone, aber wenn sie den Benzintank treffen, dann gute Nacht! Wenn eine Maschine anfängt zu brennen, dann gibt es keine Möglichkeit zu löschen. Es dauert weniger als eine Minute, bis der Stoff auf den Flügeln verbrannt ist, und dann fällt die Maschine wie ein Pfeil und hinterlässt dabei einen Schweif wie ein Komet.
Als ihre Leuchtspurpatronen näher und näher kamen, erkannte ich, dass meine Chancen auf eine Flucht gleich null waren. Gleich ihr nächster Schuss, den ich fühlte, musste mich getroffen haben.
Einmal, einige Tage zuvor, als ich über die Linien flog, beobachtete ich einen Kampf über mir. Eine deutsche Maschine wurde in Brand gesetzt und tauchte auf ihrem Weg zum Boden zwischen unserer Formation herunter. Der Hunne stürzte mit einem solch scharfen Winkel, dass seine beiden Flügel abbrachen, und als er weniger als ein paar Hundert Fuß von mir entfernt herunterkam, konnte ich die Angst in seinem Gesicht sehen.
Nun, als ich jeden Moment erwartete, dasselbe Schicksal zu erleiden, musste ich an den letzten verzweifelten Blick dieses armen Hunnen denken.
Ich begriff, dass meine einzige Chance darin lag, einen Immelmann[1] zu machen. Dieses Manöver wurde von einem Deutschen erfunden – einem der Großartigsten, die jemals geflogen sind, und der vor einiger Zeit im Kampf getötet worden war. Diese Wendung, die ich erfolgreich ausführte, brachte eine der Maschine direkt vor mich, und als er gerade einmal zehn Yards[2] von mir entfernt segelte, hatte ich ihn und er wusste das.
Ich sehe immer noch sein weißes Gesicht und seine überraschten Augen vor mir. Er wusste ausnahmslos, dass sein letzter Moment gekommen war, denn seine Position verhinderte, dass er auf mich zielen konnte, während meine Kanone direkt auf ihn zielte. Meine erste Leuchtspurpatrone flog kein Yard an seinem Kopf vorbei, die zweite sah so aus, als würde sie seine Schulter treffen, die dritte traf ihn im Genick und dann bekam er von mir die volle Ladung, und dann ging er mit einem trudelnden Sturzflug nach unten.
Die ganze Zeit schossen die anderen drei Hunnen auf mich. Ich konnte die Patronen, eine nach der anderen, in mein Flugzeug einschlagen hören. Ich hatte nicht die geringste Idee, wie ich diese drei Hunnen abschütteln könnte, und ich konnte nichts anderes machen, als zu kämpfen, und meine beiden Hände waren voll.
Beim Kampf sinkt die Maschine, sie sinkt die ganze Zeit. Ich blickte auf meine Instrumente und meine Höhe lag zwischen acht- und neuntausend Fuß. Als ich immer noch auf meine Instrumente blickte, verschwanden sie. Eine Salve flog in das Instrumentenbrett und blies es in Fetzen, eine andere Kugel flog durch meine Oberlippe, kam aus dem Gaumen heraus und drang in meinen Hals, und das Nächste, was ich weiß, war, als ich am folgenden Morgen um fünf Uhr deutscher Zeit in ein deutsches Krankenhaus gebracht wurde.
Ich war ein Kriegsgefangener!
IV
Gestutzte Flügel
Das Krankenhaus, in dem ich mich am Morgen nach meiner Gefangennahme wiederfand, war ein geziegeltes Privathaus, sehr niedrig und nicht wirklich als Krankenhaus geeignet. Es war offensichtlich wegen des großen Vorstoßes, der zu dieser Zeit des Jahres stattfand, erst seit ein paar Tagen genutzt worden und würde wahrscheinlich wieder verlassen werden, sobald sie einen besseren Ort gefunden hatten.
Alles in allem besaß das Haus vier Zimmer und einen Stall, der bei Weitem der größte Raum war. Wenngleich ich niemals in diesen ‚Flügel‘ geschaut habe, wurde mir gesagt, dass er ebenfalls mit Patienten gefüllt war, die auf Betten aus Stroh auf dem Boden verteilt lagen. Ich weiß nicht, ob es sich dabei um Offiziere oder Soldaten gehandelt hat.
Das Zimmer, in dem ich mich wiederfand, bestand aus acht Betten, drei davon waren von verwundeten deutschen Offizieren belegt. Die anderen Zimmer, wie ich mir vorstelle, hatten dieselbe Anzahl an Betten wie meines. Es gab hier keine Krankenschwestern des Roten Kreuzes, nur Krankenpfleger, da dies ein Notfallkrankenhaus war, das sich für die Krankenschwestern zu nah an der Feuerlinie befand. Die Krankenpfleger waren keine alten Männer, noch waren sie junge Buben, die ich erwartet hatte, sondern junge Männer in der Blütezeit ihres Lebens, die offensichtlich Medizinstudenten waren. Ein oder zwei von ihnen sprachen, wie ich bemerkte, Englisch, aber aus irgendeinem Grund sprachen sie nicht mit mir. Vielleicht war ihnen das vom verantwortlichen Offizier verboten worden.
Zusätzlich zur Schusswunde in meinem Mund hatte ich eine Schwellung von der Stirn bis zum Hinterkopf, die beinahe so groß war wie mein Schuh – und damit meine ich beträchtlich. Ich konnte mich nicht einen Zoll bewegen, ohne starke Schmerzen zu erleiden, und als mir der Arzt sagte, dass ich keine gebrochenen Knochen hätte, wunderte ich mich, wie sich jemand fühlen würde, der welche hatte.
Deutsche Offiziere besuchten mich an diesem Morgen und sagten mir, dass meine Maschine aus einer Höhe von acht- und neuntausend Fuß trudelnd heruntergestürzt sei und sie die Überraschung ihres Lebens erlebt hätten, als sie entdeckt hatten, dass ich nicht in Stücke geschlagen war. Sie mussten mich aus meiner Maschine schneiden, die mit Löchern überzogen war und in Stücke zertrümmert worden war.
Ein